Entnommen aus Politische Berichte Nr. 10/2016

 

INTERNATIONALE POLITIK

Schweiz: Streiken lohnt sich – Lohnnachzahlungen

Der 16-tägige Streik der Arbeiter in Sainte-Croix hat sich gelohnt. Nach mehreren Verhandlungsrunden wurden ihnen Lohnnachzahlungen in der Höhe von 62000 Franken zugesprochen. Dies zeigt: Es lohnt sich, für seine Rechte einzustehen. Am 30. August traten sechs Arbeiter auf einer Baustelle der Firma Alpen Peak in Sainte-Croix (Kanton Waadt) in den Streik. Grund war ein gravierender Fall von Lohndumping. Die Arbeiter erhielten während Monaten viel zu wenig Lohn. Zudem wurden weitere Verstöße gegen den geltenden Gesamtarbeitsvertrag (GAV) festgestellt. Die Streikenden wurden von der Unia Neuenburg und der Unia Waadt unterstützt. Alpen Peak zahlt nun den Arbeitern 62000 Franken nach. Dieser Fall zeigt, es lohnt sich zu kämpfen. Nur dank dem Kampfeswillen und der Streikbereitschaft der Arbeiter konnten dieser Lohndumpingfall und die Verhandlungen erfolgreich zum Abschluss gebracht werden.          www.unia.ch, 21.9.2016

Österreich: Metaller fordern 3%

Die Herbstlohnrunde wurde erstmals mit einer konkreten Lohn- und Gehaltsforderung gestartet. Die Gewerkschaften fordern für die rund 180000 Beschäftigten eine Erhöhung der Mindest- und Ist-Löhne bzw. -Gehälter von drei Prozent. Besonders berücksichtigt werden sollen dabei die niedrigen Lohn- und Gehaltsgruppen. „Die wirtschaftliche Situation ist sehr solide, die Produktivität in der Sachgütererzeugung steigt und die Unternehmen konnten die Gewinne erhöhen“, begründen die beiden Verhandlungsleiter Rainer Wimmer (PRO-GE) und Rudi Wagner (GPA-djp) die Forderung. Die für die Verhandlung relevante Inflationsrate liegt bei 0,7 Prozent. Neben den Entgelterhöhungen fordern die Gewerkschaften die erneute Ermöglichung der Freizeitoption, bei der anstelle der Ist-Erhöhung Anspruch auf zusätzliche Freizeit erworben wird. Jubiläumsgelder sollen zudem auch in Freizeit umgewandelt werden können. www.gpa-djp.at, 10.2016

Bahrain: Gewerkschafts-kampagne zur Sicherheit am Arbeitsplatz

Vertreter des Allgemeinen Dachverbands der Gewerkschaften von Bahrein besuchten am 29. August eine Baustelle der Bahrain Steel Company. Dieser Besuch war Teil ihrer Kampagne über Sicherheit und Gesundheit am Arbeitsplatz, die insbesondere auf Arbeitsmigranten ausgerichtet ist. Mehr als 75 bei der Bahrain Steel Company beschäftigte Arbeitnehmer erhielten von der Gewerkschaft Wasserrationen. www.bwint.org, 27.9.2016

Türkei: Massenentlassungen von Lehrkräften

Erneut kommt es in der Türkei zu Massenentlassungen von Lehrerinnen und Lehrern. Nachdem bereits kurz nach dem gescheiterten Putschversuch im Juli rund 20000 vermeintliche Gülen-Anhänger vom Schuldienst suspendiert wurden, trifft es nun vor Beginn des neuen Schuljahres die Lehrkräfte in den Kurdenregionen. Ministerpräsident Binali Yıldırım hatte die Suspendierung der Staatsdiener in den mehrheitlich von Kurden bewohnten Städten im Südosten des Landes damit begründet, dass sie „irgendwie mit dem Terror verwoben“ seien. Nach offiziellen Informationen des türkischen Erziehungsministeriums sind 11.825 Lehrerinnen und Lehrer von den Entlassungen betroffen. Mehrheitlich handelt es sich dabei um Mitglieder der laizistischen Bildungsgewerkschaft Eğitim-Sen, die im Widerstand zur AKP-Regierung steht und deshalb schon seit Jahren mit Repressalien und Kriminalisierung bedroht wird. Die GEW-Vorsitzende Marlis Tepe verurteilte die neuerlichen Maßnahmen gegen Lehrkräften scharf.

Quelle: https://www.gew.de, 20.9.2016

Irak – Jordanien: Auf dem Weg zu Existenzlöhnen

Gewerkschafter aus Jordanien und Irak trafen sich am 29./30. August in Amman, um zu diskutieren, wie die Gewerkschaften dem Problem der niedrigen Löhne in ihren Branchen begegnen können. In Jordanien haben sich die Preise deutlich erhöht, aber die Löhne haben nicht Schritt gehalten. Ein dreigliedriger Lohnausschuss legt den Mindestlohn auf nationaler Ebene fest, aber der König trifft die endgültige Entscheidung. Die niedrigsten Löhne verdienen Textil- und Bekleidungsarbeiter, während die Arbeiter in den Branchen wie Kali, Phosphat und Zement mehr verdienen. Das Fehlen eines adäquaten Plans der Regierung sich mit der wirtschaftlichen Situation zu befassen, nimmt den Gewerkschaften die Möglichkeit mit der Regierung über eine nachhaltige Industriepolitik zu verhandeln, um die Löhne zu erhöhen.

Im Irak ist der Mindestlohn von der Regierung festgelegt. Es gibt keine Tarifverhandlungen im öffentlichen Sektor, der mehr als 75 Prozent der Arbeitnehmer umfasst. Der Mindestlohn im privaten Sektor beträgt umgerechnet 200 US-Dollar pro Monat und wird von einem paritätischen Ausschuss festgelegt. Die Durchsetzung ist ein großes Problem und es gibt viele Demonstrationen wegen unbezahlter Löhne. Wie in Jordanien, ist eine nachhaltige Industriepolitik erforderlich, um sicherzustellen, dass die Arbeitnehmer von der Produktion ihres Landes richtig profitieren.

Die Mitgliedsorganisationen diskutierten, welche Strategien sie anwenden können, um ein besseres Klima für Lohnerhöhungen zu entwickeln. Textilarbeiter in Jordanien haben einen wichtigen Schritt bei der Entwicklung von branchenweiten Tarifverhandlungen aufgenommen, dies betrifft 62000 Arbeiter, von denen 45.500 Wanderarbeiter sind. Die erste Vereinbarung wurde im April 2013 nach zwölf Monaten Verhandlung geschlossen und brachte unmittelbare Vorteile, darunter Streitigkeiten zu reduzieren und mehr Beachtung für Gewerkschaften. Die jordanischen Abkommen umfassen rund 60000 Arbeiter, 70 Prozent davon sind Migranten und 70 Prozent sind Frauen, und alle Arbeitgeber gehören zur Exportbekleidungsindustrie. Im Jahr 2015 wurde die Vereinbarung mit den Arbeitnehmern in den Betrieben nach 6 Monate Konsultationen erneuert. Im Irak, wo Politiker die Kontrolle über die Lohnentscheidungen haben, arbeiten die Gewerkschaften hart, den Arbeitern Gehör zu schaffen. Dabei geht es um Lobbyarbeit und Medien­strategie, um den politischen Prozess zu beeinflussen. ww.industriall-union.org

Pakistan: PepsiCola greift Gewerkschaften an

Das PepsiCo-Management im Frito-Lay Werk in Lahore, Pakistan, hat auf die Bildung und offizielle Registrierung einer Gewerkschaft mit 650 Mitgliedern reagiert, indem sie die Beschäftigten belästigt und versucht, die Tarifverhandlungsrechte der Gewerkschaft zu verletzen. Schon seitdem die Gewerkschaft registriert wurde und ihr offiziell Tarifverhandlungsrechte gewährt wurden, erhielten Gewerkschaftsvertreter Disziplinarverfahren aufgrund falscher Anschuldigungen und der Gewerkschaftspräsident wurde aus dem Werk versetzt, um den Kontakt mit den Mitgliedern zu verhindern. Das Unternehmen hat eine gefälschte nationale Vereinigung registriert und behauptet, Arbeiter an zwei verschiedenen Standorten zu vertreten, mit dem Auftrag, einen ausgehandelten Tarifvertrag zu unterschreiten. Mitglieder der Gewerkschaft, die Überstunden verweigern, werden unter Druck gesetzt, die Gewerkschaft zu verlassen. Eine große Zahl von Arbeitern, einschließlich Frauen, haben am Werks­tor Protestaktionen durchgeführt, sie fordern das Unternehmen auf, die Angriffe auf ihre Rechte zu beenden und zu verhandeln. iuf@iuf.org, 9.2016

Indien: Großer nationaler Gewerkschaftsstreik

Am 2. September brachten rund 150 Millionen Arbeitnehmer in einem landesweiten Streik ihren Protest gegen die indische Regierung zum Ausdruck. Dieser ist es bislang nicht gelungen, eine Einigung über die Forderungen zu erzielen, die von den Gewerkschaftsverbänden in einer Zwölf-Punkte-Charta aufgestellt worden waren. Der Streik war der landesweiten Streikaktion sehr ähnlich, die bereits am gleichen Tag im Vorjahr stattgefunden hatte. Die Regierung unternahm in letzter Minute Anstrengungen, um den Gewerkschaften entgegenzukommen und sie davon zu überzeugen, den Streik abzusagen. So kündigte sie eine Erhöhung der Mindestlöhne für ungelernte Arbeitnehmer in den Zentralverwaltungen von 246 Rupien auf 350 Rupien pro Tag (umgerechnet 140 US-Dollar monatlich) an. Diese Anpassungen lagen jedoch weit unter den von den Gewerkschaften vorgelegten Forderungen und wurden sofort zurückgewiesen, woraufhin der Streik fortgesetzt wurde. Im Jahr 2011 hatte der zentrale Gewerkschaftsverband eine Zwölf-Punkte Charta mit Forderungen ausgearbeitet. Seitdem wird die Regierung immer wieder zu deren Umsetzung aufgefordert. Zu den Forderungen gehören die Anhebung der Mindestlöhne, gesicherte Renten, das Ende der mitunter jahrelangen Aneinanderreihung befristeter Verträge, gleicher Lohn und Sozialleistungen für fest angestellte Arbeitnehmer, die Aufhebung sämtlicher Obergrenzen bei Entlohnung und Bonusberechtigung; die Einrichtung von Vorsorgekassen, die Anhebung der Höhe von Abfindungen, die sofortige Ratifizierung der ILO-Übereinkommen 87 und 98, Einstellung der Änderungen des Arbeitsgesetzes sowie keine ausländischen Direktinvestitionen in der Eisenbahn- bzw. Versicherungsbranche. www.bwint.org, 26.9.2016

Indonesien: Fast-Food-Kette verschärft Repression

Champ Resto Indonesia, eine der führenden Fast-Food-Ketten Indonesiens, verschärft ihre Attacken auf die Beschäftigten und ihre Gewerkschaft, die die Einhaltung von Grundrechten fordern. Letzten November starb das neugeborene Baby einer Champ Resto-Beschäftigten, als dem Kind eine unbedingt erforderliche Krankenhausbehandlung versagt wurde. Erst dann wurde den Beschäftigten klar, dass sie nicht bei dem staatlichen Krankenversicherungsprogramm für Angestellte und ihre Familien gemeldet waren. Der Vater des Neugeborenen, der 14 Jahre bei Champ Resto gearbeitet hatte, wurde entlassen, weil er fünf Arbeitstage gefehlt hatte, als die Familie um ihr totes Kind trauerte. Als Mitglieder des Verbands der Hotel- und Restaurantbeschäftigten FSPM im Juli in Bandung demonstrierten und von Champ Resto verlangten, alle Beschäftigten bei der Familienkrankenversicherung gemäß den staatlichen Vorschriften anzumelden, wurden 83 Beschäftigte sofort entlassen. Das Management lehnt ihre Wiedereinstellung ab und hat auf die Proteste der Gewerkschaft mit einem verstärkten Druck auf die Gewerkschaftsmitglieder reagiert. Die Gewerkschaft veranstaltet weiterhin wöchentliche Kundgebungen, um die Wiedereinstellung der entlassenen Beschäftigten, die volle Einhaltung der Gewerkschaftsrechte und die Aufnahme aller Beschäftigten des Unternehmens und ihrer Angehörigen in die staatliche Krankenversicherung zu fordern.

www.iuf.org, 6.10.2016

Korea: 1200 Bauarbeiter protestieren gegen Polizei

1200 Mitglieder der koreanischen Bauarbeitergewerkschaft demonstrierten vor dem südkoreanischen Polizeipräsidium in der die Hauptstadt Seoul umschließenden Provinz Gyeonggi wegen ungerechtfertigter Ermittlungen gegen Gewerkschaftsmitglieder. Die Polizei verhörte Dutzende von Gewerkschaftsmitgliedern. Sie wollte ermitteln, ob die Mitglieder der Gewerkschaft mit Bauunternehmen bezahlte Freistellungen ausgehandelt hatten, um diese illegal für gewerkschaftliche Aktionen zu nutzen. Der Gewerkschaftssprecher sagte dazu: „Die Polizei verhört Gewerkschaftsmitglieder über die Ausübung ganz normaler Gewerkschaftsaktivitäten. Damit unternimmt sie ungerechtfertigten Versuche, eine Gewerkschaft mit steigenden Mitgliederzahlen zu schwächen.“ www.bwint.org, 26.9.2016

USA: Der erste Mindestlohn-Kongress setzt Zeichen

Nicht weniger als 64 Millionen Menschen verdienen in den USA weniger als 15 Dollar die Stunde – etwa rund 52 Prozent der afroamerikanischen Beschäftigten und knapp über 60% der aus Lateinamerika stammenden Beschäftigten. Die in letzter Zeit erzielten Erfolge der Bewegung stoßen jetzt in einigen Bundesstaaten auf den Widerstand der Landesparlamente: In Alabama und Missouri soll den Kommunen per Gesetz verboten werden, eigene Mindestlöhne zu bestimmen – eine Reaktion darauf, dass die Bewegung genau dort Erfolge erzielt hat. Am 12. und 13. August fand der erste landesweite Kongress der „Fight for 15 Dollar“ Kampagne in Richmond, Bundesstaat Virginia statt. Die Kampagne, vor vier Jahren als Bewegung vor allem von Fast Food-Beschäftigten in New York geboren, mobilisiert (und organisiert zunehmend erfolgreicher) inzwischen Beschäftigte nicht nur aus allen Bundesstaaten, sondern auch aus allen Wirtschaftszweigen. Dass unter den 64 Millionen Beschäftigten der USA, die weniger als 15 Dollar/Stunde verdienen, besonders viele Afroamerikaner und Latinos sind, ist zu einem Thema geworden, das auch Bündnisse zu Bürgerrechtsbewegungen und kritischen kirchlichen Kreisen wesentlich erleichtert. Und so waren es auch keinesfalls nur historische Gründe, die für die Wahl von Richmond als Konferenzort sprachen – die einstige Hauptstadt der Konföderierten Staaten war auch als symbolisches Sprungbrett der Bewegung in die Südstaaten gedacht. inthesetimes.com

 

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