Entnommen aus Politische Berichte Nr. 10/2016

 

Maschinenbaukonferenz der
IG Metall – Gabriel 4.0?

Mit ca. 220 Teilnehmer, überwiegend Betriebsrätinnen und Betriebsräte, fand am 29. und 30. September die zweite Maschinenbaukonferenz der IG Metall in Berlin statt. Sie begann nicht mit langen Vorträgen der „Großkopferten“, sondern nach der Begrüßung mit einem kurzen Input von drei Betriebsräten aus den Teilbranchen Antriebstechnik, Landtechnik und Fahrtreppen. Die Inputs richteten sich auch an den anwesenden Wirtschaftsminister Gabriel.

 

Für die Antriebstechnik sprach Ute Schurr, Betriebsratsvorsitzende von Voith Turbo. Sie sprach über den Schwerpunkt der Expansion nach China. Im Schienengeschäft ist Voith sehr stark in Europa und Russland. Sie forderte mit Blick auf Gabriel mehr Verlagerung auf die Schiene.

Für die Landtechnik sprach Gabriele Formann, stellvertretende Betriebsratsvorsitzende bei Fendt/Agco in Marktoberdorf. Sie sprach vom Wandel von Familienbetriebe hin zu internationalen Konzernen, die oft über Kostenreduzierung und Personalanpassung konkurrieren, statt über Innovationskraft. Mit Blick auf den steuerlichen Firmensitz in der Schweiz forderte sie, unter dem Applaus vieler Teilnehmer, eine gerechtere Besteuerung dort, wo die Wertschöpfung auch tatsächlich stattfindet. Zur aktuell sinkenden Auftragslage sprach sie auch den Wirtschaftsboykott gegen Russland an und dass die daraus entstehende Unsicherheit und Risiken, die vor allem die prekär Beschäftigten in der Branche zu tragen hätten. Sie forderte dazu auf, den Wettbewerb nicht über steigende Arbeitsbelastungen mit ihren psychischen Belastungen zu Lasten der Gesundheit auszutragen, sondern stattdessen Tariftreue einzuhalten. „Politik muß sich lösen von wirtschaftlichen Interessen und den Menschen in den Mittelpunkt stellen“, gab sie dem Wirtschaftsminister mit auf den Weg.

Für Aufzüge und Fahrtreppen sprach ein Betriebsrat von Kone über Leistungsverdichtung, über ältere Kollegen und neue Techniken. Kone ist vor allem stark in Service und Wartung, Neugeschäfte werde zu 100% von Subunternehmen abgewickelt.

Bundeswirtschaftsminister Gabriel sprach zum Thema: Branchendialog und Bündnis „Zukunft der Industrie“ – industriepolitische Instrumente zur Entwicklung des deutschen Maschinen- und Anlagenbaus. Angesichts der drei vorangegangenen Kurzinterviews aus betrieblicher Sicht, ließ er allerdings seine vorbereitete Rede eher links (oder rechts) liegen und ging direkt auf die Forderungen und Anregungen der Betriebsräte ein.

 Dabei versuchte er zunächst Stallgeruch mit den Metallerinnen und Metallern herzustellen, indem er mit seiner langjährigen Mitgliedschaft bei der IGM kokettierte und von seinen gewerkschaftlichen Grundseminaren BR I und Mitbestimmung I berichtete. Zur gerechteren Besteuerung gab er zwar zu, dass ca. 150 Mrd. Euro an Steuerverlusten (die Hälfte des Bundeshaushalts) in Europa durch Steuervermeidung wegfallen, – „So bekloppt ist die Welt“ – aber Vorschläge zur Verbesserung der Besteuerung wollte er keine gelten lassen, da deutsche Unternehmen dann ja auch im Ausland mehr Steuern zahlen müssten.

Zur Geschichte der Wirtschaftspolitik schilderte er Etappen, von „Wirtschaft macht die Wirtschaft“ über Rot-Grün unter Schröder „Vergesst die Industrie – andere machen das billiger“ bis hin zu der unsinnigen Trennung zwischen new and old Ökonomie. Erst die Verknüpfung von alter und neuer Ökonomie (Finanzen, Internet, Forschung und Produktion) habe die Stärke der deutschen Industrie gezeigt. Deshalb sei sie auch besser aus der Krise herausgekommen, auch wegen der Sozialpartnerschaft, die schnelle (z.Bsp. Kurzarbeiter- ) Regelungen ermöglicht habe. Seine Aufzählung von konkretem Regierungshandeln (Mindestlohn, Tariftreuegesetz, Rente mit 45, Leiharbeit, sachgrundlose Befristung u.a.) konnte die betrieblichen Experten meiner Meinung nach nicht überzeugen. Zu deutlich hatten einige Betriebsräte da wohl ihre betrieblichen immer noch unzureichenden Gestaltungs- und Schutzmöglichkeiten im Kopf. Für eine Diskussion oder für Rückfragen blieb denn auch leider keine Zeit mehr, die Ministerkarawane zog weiter.

Für den nächsten Block lieferten Jörg Hoffmann aus Sicht der IG Metall und Thilo Brodtmann, Hauptgeschäftsführer VDMA, die Inputs für eine lebhafte Diskussionsrunde mit dem Publikum. Dort wurde zum Beispiel auch hinterfragt, warum ausgerechnet der VDMA für das Konzernfördernde CETA und TTIP sei.

In weiteren Dialog- und Flüsterrunden war ausreichend Raum für den betrieblichen Erfahrungsaustausch und für die Formulierung von Anforderungen an IG Metall und an die Politik. Zum Abschluss des ersten Tages gab es noch einen rasanten Vortrag über die Zukunft des deutschen Maschinen- und Anlagenbaus und über die anstehenden technologischen Entwicklungen von Prof Dr. Thomas Bauernhansl vom Frauenhofer IPA.

Am zweiten Tag, nach spannenden fünf Forumsdiskussionen, forderte Wolfgang Lemb, Vorstandmitglied der IG Metall, dazu auf, die Zukunft des Maschinenbaus zu gestalten. Er sprach davon, dass das Wirtschaftsministerium früher sehr abgeschirmt war. Immer wenn ein Gewerkschafter kam, „wurde eine Zugbrücke hochgezogen“. Dies sei jetzt mit Gabriel und dem begonnen Branchendialog sowie mit dem Bündnis Zukunft der Industrie anders. Lemb stellte eine Zusammenfassung der Konferenz und die Erklärung „Maschinenbau 2030 – Herausforderungen und Perspektiven aus Sicht der IG Metall“ vor. Nach einer Ergänzung auf Anregung von Johannes Müllerschön, Betriebsratsvorsitzender von CNHi in Heilbronn zur prekären Arbeit und zur Sicherung von Arbeitsplätzen wurde diese einstimmig verabschiedet.

BILD:

Die Landtechnik ist eine von 16 Teilbranchen des Maschinenbaus. Außer den drei auf dem Bild: Gabriele Formann (Fendt/Agco, Marktoberdorf); Kai Blaisus (John Deere, Zweibrücken); Johannes Müllerschön (CNHi, Heilbronn) waren noch Betriebsräte von Claas in Harsewinkel und von Deutz-Same in Lauingen mit dabei.
Weitere Infos bei der IG Metall:
https://www.igmetall.de/29-september-2016-maschinenbaukonferenz-berlin-23784.htm

Johannes Müllerschön, Offenau, Landmaschinenmechaniker und linker Kreis- und Regionalrat.

 

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