Nur-Text, aus:  Politische Berichte Nr. 11/2016 – KLICK zur PDF-Ansicht

 

S20 Schleswig-Holstein - Landesverfassung bleibt ohne Gottesbezug

Im Grundgesetz der Bundesrepublik Deutschland ist er verankert, ebenso in neun Landesverfassungen: der Gottesbezug. So steht in der Präambel des Grundgesetzes: „Im Bewußtsein seiner Verantwortung vor Gott …“ In sieben Bundesländern kommt die Verfassung ohne Gott aus.

Kiel. Im Oktober 2014 fand im Rahmen der Verfassungsänderung der Gottesbezug nicht die notwendige Zwei-Drittel-Mehrheit im Schleswig-Holsteinischen Landtag. Daraufhin bildete sich eine Volksinitiative „Für Gott in Schleswig-Holstein“, die eine erneute Befassung des Landtages mit dem Thema des Gottesbezugs auf den Weg bringen wollte. Dafür sammelte sie im vergangenen Jahr mehr als 42000 Unterschriften.

Zu den Initiatoren gehörten neben den beiden ehemaligen Ministerpräsidenten Peter Harry Carstensen und Björn Engholm auch Leute aus Wirtschaft, Sport, Kultur und Wissenschaft. Außerdem natürlich die beiden christlichen Kirchen und sogar die islamische Religionsgemeinschaft Schura und die Jüdischen Gemeinden in Schleswig-Holstein. Die CDU war erstaunlicherweise nicht besonders aktiv, hingegen stellten sich an die Spitze der Befürworter der Ministerpräsident Albig und der Fraktionsvorsitzende Stegner von der SPD, sowie die Grünen. Insgesamt gingen die Positionen für oder gegen den Gottesbezug quer durch alle Fraktionen.

Parallel dazu gab es übrigens auch eine Unterschriftenaktion „Keinen Gottesbezug!“ Damit sollte gezeigt werden, wie viele Menschen in Schleswig-Holstein sich gegen einen Gottesbezug aussprächen. Am Ende waren es aber nur 1.366, die sich für dieses Thema interessierten.

Im Juli dieses Jahres fiel nun auch der neue Antrag für einen Gottesbezug in der Landesverfassung Schleswig-Holsteins durch.

Daraufhin erklärte die Volksinitiative, daß sie nach dieser erneuten Ablehnung im Landtag die juristische Möglichkeit eines Volksentscheides nicht anstreben würde, um erneut zu versuchen, den Landtagsbeschluß zu kippen. „Wir akzeptieren diese Entscheidung der Abgeordneten und wollen jetzt keine weiteren Schritte einleiten“, sagte Peter Harry Carstensen Ende September. Dies gelte „nicht zuletzt, weil die Gefahr besteht, daß dieses wichtige Thema in einem der bevorstehenden Wahlkämpfe zerrieben wird“.

Das Für und Wider in Parlamentsdebatte und Presse

Dr. Andreas Tietze begründete für die Grünen im Landtag und zugleich als Präses der Landessynode der Nordkirche den Antrag für einen Gottesbezug in der Landesverfassung wie folgt: Der „Gottesbezug … ist … eine … Demutsformel. Ohne die verfassunggebende Gewalt des Volkes in Frage zu stellen, offenbart sie die Erkenntnis von der Endlichkeit und der Fehlbarkeit des Staates …“

Von dem Grünen Burkhard Peters kam die deutlichste Gegenmeinung, die wir hier etwas ausführlicher zitieren: „Von Befürwortern des Gottesbezugs wurde verschiedentlich vorgetragen, wir brauchten eine Demutsformel oder Verantwortungsformel gegen menschliche Hybris und wertvergessenen Nihilismus. Die Gottesformel soll wie ein Schutzschild wirken gegen totalitäre Ideologien. Gleichsam wie ein in die Verfassung gestelltes Amulett zur Abwehr böser Geister. Zum Beispiel die des Faschismus oder des Kommunismus.“

Zu oft sei der Name Gottes von den schlimmsten Bösewichtern der Geschichte mißbraucht worden. Das zeige das Verhalten vieler lutherischer Protestanten im Vorfeld der nationalsozialistischen Macht­eroberung 1933. So hätte sich beispielsweise 1932 die lutherische Kirchenpartei „Deutsche Christen“ (DC) gegründet und einen Riesenzulauf bekommen. Etwa ein Drittel aller lutherischen Pastoren seien Mitglied geworden. „Fußend auf den antisemitischen Schriften Luthers propagierte die DC einen christlichen Glauben, der sich von seinen alttestamentarischen ‚jüdischen‘ Wurzeln lösen sollte. Hitler wurde zu einem neuen ‚nordischen Heiland‘ verklärt“, so Peters weiter. „Diese Strömung war innerhalb der norddeutschen Lutherkirche keine versprengte Sekte. Sie dominierte in der Phase der Machteroberung der NSDAP 1932 bis 1933 die innerkirchliche Positionierung zum deutschen Faschismus … Dominierend waren die Gläubigen und Pfarrer, die Hitler schafsfromm bis in den Untergang folgten.“

Aiman Mazyek vom Zentralrat der Muslime in Deutschland (ZMD) begrüßte hingegen die vorgesehene Änderung der Präambel der Landesverfassung: „Als Muslime ist für uns ebenso wie für andere religiöse Menschen der Bezug auf Gott als handlungsleitend für die Verantwortungsübernahme in Staat und Gesellschaft zentral. Da wir an Gott glauben, glauben wir auch, für unsere Handlungen in Politik und Gesetzgebung ebenso wie im privaten Alltag uns stets vor Gott verantworten zu müssen.“

Kritisch äußerte sich der Landesrabbiner a.D., Dr. Walter Rothschild: „Für mich als liberaler Rabbiner in Europa ist eine Trennung von Staat und Religion, Kirche, Glauben sehr wichtig. Zu oft haben wir in der Geschichte gesehen, wie Religion mißbraucht werden kann, um alles zu rechtfertigen – sei es pro oder contra Todesstrafe oder Krieg oder Abtreibung oder Ausgrenzung von Minderheiten. Man kann Religion benutzen für Toleranz oder für Intoleranz.(…) Ich glaube an Gott, nicht aber an den Menschen – ich bin dafür, daß Menschen an Gott denken, aber nicht, daß sie versuchen, für Gott zu sprechen.“

Nach wie vor bleibt nun die Landesverfassung im nördlichsten Bundesland bei der säkularen Präambel: „Der Landtag hat in Vertretung der schleswig-holsteinischen Bürgerinnen und Bürger auf der Grundlage der unverletzlichen und unveräußerlichen Menschenrechte als Fundament jeder menschlichen Gemeinschaft …“ Karl-Helmut Lechner, Norderstedt

BILD. Diese Karikatur über Ministerpräsident Albig (SPD) und den ehemaligem Ministerpräsidenten Carstensen (CDU) lieferte die Initiative „Keinen Gottesbezug in Schleswig-Holstein!“

 

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