Nur-Text, aus:  Politische Berichte Nr. 11/2016 – KLICK zur PDF-Ansicht

 

s10 AKTONEN INITIATIVEN

Keine Bauer-Tax in Baden-Württemberg

Stuttgart. Am Dienstag, den 25. Oktober hat das grün-schwarze Kabinett in Baden-Württemberg die Einführung von Studiengebühren für ausländische Studierende (aus Nicht-EU-Ländern, d. Red.) in Höhe von bis zu 1.500 Euro pro Semester beschlossen. „Das heißt: Es können nur Menschen einen Abschluss machen, wenn sie über ausreichend Geld verfügen. Baden-Württemberg wird nicht mehr die bestqualifizierten Menschen anziehen, sondern vor allem Reiche, die sich Bildung kaufen können“, so Maimouna Ouattara, Sprecherin des Bundesverbands ausländischer Studierender (BAS).“ Dies steht im Widerspruch zu den Zielen der Hochschulen, besonders qualifizierte Personen für die Wissenschaft zu gewinnen. Es steht auch im Widerspruch zum Ziel, durch mehr personellen Austausch mehr Sensibilität für globale Probleme zu entwicklen, die Internationalität zu fördern und den Kontakt zwischen Deutschen und der Welt zu intensivieren. Und es steht im Widerspruch zu einer Politik, mehr und besser ausgebildete Fachkräfte für den Arbeitsmarkt anzulocken“. Diese Entscheidung stellt einen wissenschaftspolitischen und ökonomischen Unsinn dar, mit dem kurzfristig Haushaltslücken zulasten der Zukunft sowie der sozialen Gerechtigkeit geschlossen und-Stammtischparolen-Wähler bedient werden sollen.“ Das Versprechen aus dem Wahlprogramm, mit dem Durchregieren von oben nach unten zu brechen und künftig die Menschen in die Politik einzubeziehen, wurde hiermit gebrochen. Ein Dialog mit den Betroffenen und ihren Vertretungsorganen wurde in keinster Weise gesucht. Darunter befinden sich der Bundesverband ausländischer Studierender (BAS) und das Aktionsbündnis gegen Studiengebühren (ABS), die sich vehement gegen dieses Vorgehen der Ministerin und auch allgemein gegen jede Form von Studiengebühren aussprechen. Denn die Studiengebühren schaden der Internationalität der Hochschulen in Baden-Württemberg, darüber hinaus diskriminieren sie ausländische Studierende und ruinieren alle bisherigen Erfolge bei der Gewinnung und Integration ausländischer Studierender im Handumdrehen. Ministerin Bauer möchte, dass Studierende kommen sollen, weil sie Geld haben, nicht weil sie klug sind. Dabei ist das ohnehin schon der Fall: Ausländische Studierende zahlen bereits jetzt eine Vielzahl an Gebühren, die für einheimische Studierende nicht anfallen. Nach einer vom BMBF und DAAD vorgestellten Studie ergeben sich positive volkswirtschaftliche Effekte während und noch deutlich höher nach dem Studium. Diese Effekte sind deutlich höher anzusetzen, als die während des Studiums ausgelösten staatlichen Aufwendungen. Laut dieser Studie tätigten im Jahr 2011 die rund 161000 bundesweit aus dem Ausland kommenden Studierenden Konsumausgaben in Höhe von mehr als 1,5 Mrd. Euro, was zu Steuereinnahmen in Höhe von 400 Mill. Euro in den öffentlichen Haushalten führte. Die Mär von nur billig studieren wollenden ausländischen Studierenden, die von Ministerin Bauer vertreten wird, ist eine völlige Verdrehung der Tatsachen wider besseren Wissens. (https/www.bmbf.de/de/auslaendische-studierende-ein-gewinn-fuer-deutschland-438.html) Aber die eingeführten Gebühren sind nicht nur wirtschaftlicher Unsinn, sondern befeuern vor allem eine nationalistische und ausländerfeindliche Debatte, die Bildung eben doch nicht allen Menschen zugestehen will. So betreiben die Grünen eine Politik, die im baden-württembergischen Landtag von der AfD bejubelt werden wird. ABS und BAS verurteilen dies und fordern frei zugängliche Bildung ohne Gebühren, unabhängig vom sozialen oder ausländerrechtlichen Status. www.abs-bund.de/

Klimapolitik: Blamage für die Bundesregierung

Berlin. Anlässlich der UN-Klimakonferenz in Marrakesch vom 7. bis 14. November fordern Venro und die Klima-Allianz Deutschland die Bundesregierung auf, den Weltklimavertrag von Paris auf nationaler Ebene umzusetzen. Aktuell biete die Bundesregierung in der Klimapolitik ein Trauerspiel. „Es ist ein Armutszeugnis für die Bundesregierung, dass sie sich nicht einmal auf einen unambitionierten Klimaschutzplan vor der UN-Klimakonferenz in Marrakesch einigen konnte“, sagt Christiane Averbeck, Geschäftsführerin der Klima-Allianz Deutschland. „Deutschland galt einmal als Vorreiter im Klimaschutz. Ohne deutliche Maßnahmen für die Energie-, Verkehrs- und Landwirtschaftssektoren wird Deutschland nicht mehr länger zur Vorreitergruppe gehören.“ Am 4. November tritt offiziell der Weltklimavertrag von Paris in Kraft, die Verpflichtungen sind damit ab jetzt völkerrechtlich verbindlich – auch für Deutschland. Im Dezember 2015 hatten 196 Vertragsstaaten vereinbart, die weltweite Erderwärmung auf deutlich unter zwei Grad und möglichst sogar auf maximal 1,5 Grad zu begrenzen. Venro und die Klima-Allianz Deutschland fordern die Bundesregierung in dem Positionspapier „Paris umsetzen!“ dazu auf, ihre Klima-, Energie- und Entwicklungspolitik entsprechend auszurichten und ihren Worten jetzt Taten folgen zu lassen.

„Es ist skandalös wenn die Bundesregierung der Ratifizierung des Klimaabkommens nun nicht deutliche Taten folgen lässt“, so Bernd Bornhorst, Vorstandsvorsitzender von Venro. „Wenn Deutschland seine Reduktionsziele nicht erreicht, ist dies auch ein Schlag ins Gesicht der Menschen, die heute schon vom Klimawandel betroffen sind.“ Nur mit einem möglichst frühen Ausstieg aus der Kohleverstromung, der deutlichen Verringerung der Treibhausgas-Emissionen in der Landwirtschaft und der Abkehr von fossilen Brennstoffen im Verkehrssektor und Gebäudesektor könnten die Klimaschutzziele von Paris erreicht und der deutsche Beitrag geleistet werden, um eine große Klimakrise zu vermeiden.  Venro.org/presse/

Trump muss die Menschenrechte wahren!

Berlin. Amnesty fordert nach der Wahl von Donald Trump zum nächsten Präsidenten der USA die Einhaltung der Menschenrechte. Die Rhetorik während seines Wahlkampfes darf nicht in Regierungspolitik umgesetzt werden. Nach der Wahl von Donald Trump zum nächsten Präsidenten der Vereinigten Staaten von Amerika erklärte Salil Shetty, Internationaler Generalsekretär von Amnesty International: „Trump hat während seines Wahlkampfes mehrfach Fassungslosigkeit und tiefgreifende Sorgen hinsichtlich der menschenrechtlichen Verpflichtungen der USA aufkommen lassen. Er muss all das nun hinter sich lassen und sowohl die nationalen als auch die internationalen Menschenrechtsverpflichtungen der USA einhalten.“ Margaret Huang, Geschäftsführerin von Amnesty International in den USA, erklärte: „Im Vorfeld dieser Wahl nutzten Donald Trump und andere Personen eine beunruhigende und zum Teil giftige Rhetorik. Diese kann und darf nun nicht in Regierungspolitik umgesetzt werden. Die rassistischen, sexistischen und anderen hasserfüllten Aussagen von Trump haben in einer Regierung nichts zu suchen.“ „Trump muss sich öffentlich verpflichten, die Menschenrechte aller Personen diskriminierungsfrei zu wahren. Von Internierungslagern bis hin zu Folterungen – wir haben in der Vergangenheit erleben müssen, was für verheerende Folgen es hat, wenn unsere Repräsentanten die menschenrechtlichen Verpflichtungen der USA missachten. Alle Personen, die heute in das Präsidentenamt, die Verwaltung einer Stadt oder irgendein anderes Amt gewählt worden sind, sollten dies im Gedächtnis behalten,“ forderte Huang. www.amnesty.de/

Bundesteilhabegesetz: Verbändebündnis fordert dringend Nachbesserungen

Berlin. In einem aktuellen Aufruf warnt ein breites Verbändebündnis aus Deutschem Behindertenrat, Paritätischem Gesamtverband, Deutschem Gewerkschaftsbund und anderen vor drohenden Leistungseinschränkungen und Verschlechterungen für Menschen mit Behinderung, sollten die aktuellen Gesetzesentwürfe für Bundesteilhabegesetz (BTHG) und Pflegestärkungsgesetz III (PSG III) unverändert in Kraft treten. Die Verbände fordern deutliche Nachbesserungen im Laufe des parlamentarischen Verfahrens und haben einen Forderungskatalog vorgelegt. „Mit den aktuellen Plänen drohen Verschlechterungen und Leistungseinschränkungen für viele statt Teilhabe für alle. Bund und Länder müssen hier dringend nachbessern, damit wir ein Bundesteilhabegesetz bekommen, das Teilhabe statt Ausgrenzung schafft und seinen Namen auch wirklich verdient“, so Prof. Dr. Rolf Rosenbrock, Vorsitzender des Paritätischen Gesamtverbandes, der u.a. über 80 bundesweite Organisationen der Behindertenhilfe und der Gesundheitsselbsthilfe vertritt. Der Paritätische hatte in den vergangenen Wochen immer wieder in verschiedenen Städten gemeinsam mit anderen Organisationen und Betroffeneninitiativen im Rahmen von Protestaktionen auf die Gefahren der vorliegenden Gesetzesentwürfe und den Nachbesserungsbedarf beim BTHG aufmerksam gemacht. Für Mittwochabend lädt der Verband gemeinsam mit der Initiative Selbstbestimmt Leben zu einem Parlamentarischen Abend zum Thema ein. www.der-paritaetische.de

Flüchtlingsrat NRW fordert: Keine Abschiebungen von unbegleiteten minderjährigen Flüchtlingen!

Bochum. Im Zuge des steigenden Abschiebungsdrucks, insbesondere gegenüber Menschen aus den sogenannten „sicheren Herkunftsstaaten“, geraten in NRW nun selbst unbegleitete minderjährige Flüchtlinge ins Visier der Ausländerbehörden. Unbegleitete minderjährige Flüchtlinge kommen allein, ohne Elternteil, nach Deutschland und zählen zum Kreis der besonders schutzbedürftigen Personen. Um ihrem Schutzbedarf ausreichend Rechnung zu tragen, waren Abschiebungen von unbegleiteten minderjährigen Flüchtlingen in NRW in der Vergangenheit eine absolute Ausnahme. Aktuelle Fälle lassen nun einen gegenläufigen Trend befürchten. Im Aufenthaltsgesetz ist geregelt, dass ein unbegleiteter minderjähriger Flüchtling nur abgeschoben werden kann, wenn sichergestellt ist, dass dieser nach der Abschiebung in die Obhut seiner Familie oder einer Fürsorgeeinrichtung übergeben wird. In den uns vorliegenden Fällen sind diese Voraussetzungen nicht erfüllt. Es fehlt seitens der Ausländerbehörde an einer Mitteilung über die Aufnahme- und Versorgungssituation für die Jugendlichen, die nach Albanien abgeschoben werden sollen. Deshalb ist völlig unklar, wer im Zielstaat die Fürsorge für diese Jugendlichen übernehmen wird. Der politische Wille, Menschen aus den sogenannten „sicheren Herkunftsstaaten“ des Westbalkan so schnell wie möglich abzuschieben, macht kaum noch vor humanitären Hürden halt. Birgit Naujoks, Geschäftsführerin des Flüchtlingsrats NRW kommentiert: „Menschen aus den Westbalkanstaaten sind schon rechtlich schlechter gestellt als andere Flüchtlinge. Dass bei den beiden anstehenden Abschiebungen offenbar auch das geltende Recht nicht angewandt wird, zeigt einmal mehr, dass der politisch gewollte Abschiebungsdruck seine Wirkung entfaltet. Dabei wird das Kindeswohl, welches bei allen unbegleiteten minderjährigen Flüchtlingen betreffende Maßnahmen beachtet werden muss, durch eine Abschiebung massiv verletzt“. Der Flüchtlingsrat NRW fordert die Landesregierung Nordrhein-Westfalen auf, in einem Erlass klarzustellen, dass aus NRW keine unbegleiteten minderjährigen Flüchtlinge abgeschoben werden. Der Schutz von Kindern und Jugendlichen muss immer Priorität vor ordnungsrechtlichen Maßnahmen haben!  www.frnrw.de/

UN-Mehrheit setzt Verhandlungen zum Atomwaffenverbot durch

Donnerstagnacht stimmte in New York die überwältigende Mehrheit der Staatengemeinschaft im Ersten Ausschuss der UN-Generalversammlung für die Aufnahme von Verhandlungen über ein Atomwaffenverbot noch im Jahr 2017. 123 Staaten votierten für Resolutionsentwurf L.41 und somit für das Mandat, bereits im März, Juni und Juli eine entsprechende UN-Konferenz einzuberufen. 38 Staaten, angeführt von Russland, den USA und den meisten Nato-Staaten stimmten dagegen, 16 Staaten enthielten sich der Stimme. Das Abstimmungsergebnis kommt einer abrüstungspolitischen Revolution gleich.

Noch nie haben es die atomwaffenfreien Staaten gewagt, die Atomwaffenstaaten und ihre Alliierten in einer solchen Frage zu überstimmen. Dies ist auch der breiten und beharrlichen zivilgesellschaftlichen Unterstützung durch die Internationale Kampagne zur Abschaffung von Atomwaffen (ICAN) zu verdanken. Die Entscheidung stellt auch eine neue weltpolitische Weichenstellung dar. Angesichts der Spannungen zwischen Nato und Russland, die zunehmend auch zu einer Verschärfung der nuklearen Rhetorik und Aufrüstung geführt haben, ist das Votum in New York von herausragender geopolitischer und diplomatischer Bedeutung.

Entsprechend stark war zuvor der Druck seitens der ständigen Mitglieder des UN-Sicherheitsrates, die, mit Ausnahme von China, ihren privilegierten Status auch mit Blick auf Atomwaffen verteidigen wollen. Dass ihnen dies so offenkundig misslang, ist auch eine Blamage für Deutschland, das ebenso gegen ein Verbot der letzten noch nicht geächteten Massenvernichtungswaffen gestimmt hat. „Es ist eine Schande für Deutschland, dass sich die Bundesregierung der Gruppe der Hardliner angeschlossen hat“, kommentiert Sascha Hach von ICAN Deutschland die deutsche Haltung. „Neben Rüstungsexporten an autoritäre Regimes gehören die Stationierung und Unterstützung von Atomwaffen zu den Abgründen der deutschen Außenpolitik.“ Am Donnerstagnachmittag noch hatte das Europäische Parlament mit den Stimmen von CDU und SPD alle EU-Mitgliedsstaaten dazu aufgefordert, für die Verhandlungen zum Atomwaffenverbot zu stimmen. Hierzu Leo Hoffmann-Axthelm, für ICAN in Brüssel: „Es ist ermutigend, dass neben Österreich, Schweden, Irland, Malta und Zypern auch das EU-Parlament mit breiter Mehrheit auf der richtigen Seite der Geschichte stand.“ Die Schweiz, Niederlande und Finnland enthielten sich der Stimme. Neben China stimmten auch die Atomwaffenstaaten Indien und Pakistan mit Enthaltung. „Die deutsche Position ist vor diesem Hintergrund in keiner Weise nachvollziehbar,“ meint Xanthe Hall von der IPPNW: „Indem die Bundesregierung gegen ein Atomwaffenverbot stimmt, stellt sie sich gegen das Primat des Rechts vor der Gewalt. In diesen Zeiten setzt sie damit auf Eskalation und Aufrüstung statt auf Diplomatie.“  www.atomwaffenfrei.de

 (Zusammenstellung: Thorsten Jannoff)

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