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s04 Widerstand gegen Trumps Politik: Bundesstaaten, Städte, Kreise und Gemeinden nutzen ihre verfassungsmäßigen Rechte

Der jetzt in den USA wahrnehmbare vielfältige Widerstand auf der bundesstaatlichen sowie auf der städtischen und gemeindlichen föderativen Ebene gegen Trumps Deportationspolitik kann auf vereinzelt schon früher entwickelte Aktionsformen zurückgreifen. Diese haben sich bereits zu den Regierungszeiten der vorherigen Präsidenten Obama, Clinton und Bush jr. schrittweise herausgebildet. In einer aktuellen Resolution haben sich die verantwortlichen Gremien der Stadt Oakland (bei San Franzisco) mit der Aufforderung an die bundesstaatliche Ebene gewandt, Kalifornien insgesamt zu einer Schutzzone für Immigranten ohne Personalpapiere zu erklären.

„Oaklands Resolution untersagt seiner Polizeidirektion die Beteiligung an Razzien gegen Immigranten sowie die Auslieferung von Immigranten ohne Personalpapiere an Autoritäten [der Washingtoner Zentralregierung]. Das gilt nicht, sobald kriminelle Aktivitäten zugrunde liegen. Diese Zurückweisung jeglicher Kooperation ist allerdings nicht neu, insofern sich Oakland als erste Stadt bereits in 1986 zur Schutzzonen-Stadt erklärt hat. Was neu ist, ist der Aufruf an die bundesstaatliche Ebene, ganz Kalifornien zu einer Schutzzone … zu erklären. [Und neu ist auch die Aufforderung] …, die wirtschaftlichen Hebelwirkungen des Bundesstaats zu nutzen, um unsere Städte vor Sanktionen zu schützen.“ (Courthouse News Service, 30.11.2016 – eigene Übersetzung)

Die vor Kurzem erfolgte Erklärung greift nun durch diverse Sicherheitsvorkehrungen weit über die Installation einer landesweiten kalifornischen Schutzzone hinaus. So wurde unter andrem ein Rechtshilfefonds eingerichtet, der betroffenen Immigranten im Falle einer etwaigen Verhaftung sofort die Inanspruchnahme anwaltlicher Unterstützung ermöglichen soll. Parallel dazu wurden Mittel für die spezielle Schulung von Tausenden von Rechtsanwälten bereitgestellt, um auf diese Weise ein dichtes Rechtshilfe-Netzwerk innerhalb der Schutzzone zur Verfügung zu haben.

In einem verfassungskundlichen Leitartikel des wöchentlichen Nachrichtenmagazins Time (New York, 30.11.2016) wird ausdrücklich darauf abgestellt, dass die Offiziellen der Bundesstaaten eine konstitutionelle Pflicht zur Wahrung der Verfassung haben. Hierbei wird auf den 6. Artikel im 4. Zusatz zur Verfassung der USA (4. Amendment, Bestandteil der Bill of Rights) Bezug genommen und betont, dass diejenigen Rechte, die aus diesem Artikel fließen, unabhängig sind von jedweder Auslegung durch die Washingtoner Zentralregierung. Dieser 6. Artikel hat in seiner geltenden Abfassung von 1791 folgenden Wortlaut:

„Das Recht des Volkes auf Sicherheit der Person und der Wohnung, der Urkunden und des Eigentums vor willkürlicher Durchsuchung, Festnahme und Beschlagnahme darf nicht verletzt werden, und Haussuchungs- und Haftbefehle dürfen nur bei Vorliegen eines eidlich oder eidesstattlich erhärteten Rechtsgrundes ausgestellt werden und müssen die zu durchsuchende Örtlichkeit und die in Gewahrsam zu nehmenden Personen oder Gegenstände genau bezeichnen“ (aus Wikipedia).

Der Gesichtspunkt des weit zurückreichenden Widerstands gegen die Deportationspolitik der Washingtoner Zentralregierung wird von Latino-Seite aufgegriffen: (Alternet, Nachrichtenmagazin u. Internet Community, 1.9.2016 – eigene Übersetzung)

Juan Gonzalez (Kolumnist der Daily News/New York, 1987-2016): „Trump hat … angedroht, dass er das Secure Communities Program der [Washingtoner] Zentralregierung wieder in Ansatz bringen werde, das 287-(g)-Programm. Und er hat auch damit gedroht, dass er die Zuwendungen für jede Stadt einstellen werde, die sich selbst zur Schutzzone für Immigranten ohne Personalpapiere erklärt.“ Carlos Garcia (Geschäftsführer von Puente, einer Selbsthilfeorganisation der Immigranten in Phoenix/Arizona): „[Trump] … fand unglücklicherweise diese Programme vor – wie das 287 (g) Secure Communities Program –, die von den Einwanderungsgesetzen aus 1996 herstammen, welche von Bill Clinton angestoßen wurden. Ich denke, dass eine Handlungsanleitung in Kraft gesetzt wurde, wie man uns loswerden kann. Es begann mit diesen Gesetzen in 1996. Sie wurden von Präsident Bush ausgeweitet im Kontext des ‚Kriegs gegen den Terror‘. Sie wurden jetzt von der gegenwärtigen Administration erneut genutzt für die Schaffung der größten Deportationsmaschine. Die Werkzeuge sind somit vorhanden, um Donald Trumps Drohungen Wirklichkeit werden zu lassen. Ich denke, … dass die gegenwärtige Administration einiges an Verantwortung hat, auf sich selbst zu schauen … Wie fühlt es sich an, wenn man diese Werkzeuge der Deportation an Präsident Trump weiterreicht?“

Zu dem von Gonzalez und Garcia angesprochenen 287 (g) Secure Communities Program teilt die offizielle Website des Departments of Homeland Security mit, dass es sich hierbei um eine der Partnerschaftsinitiativen der U.S. Immigration and Customs Enforcement (ICE) handelt. ICE selbst ist die größte Ermittlungsbehörde innerhalb jenes Departments of Homeland Security. Sie kümmert sich um die Durchsetzung und Einhaltung der Bundesgesetzgebung betreffend Einwanderung – als einen Teil der übergreifenden Mission Heimatschutz. Die Partnerschaftsinitiative kann als faktische Eingliederungsinitiative auf Basis einer besonderen Vereinbarung (Memorandum of Agreement) zwischen ICE und der jeweiligen Instanz der föderativen Ebenen gewertet werden.

Diese Ebenen haben sich im Wege ihrer Kooperationsbereitschaft in Wahrheit überwiegend aus der Nutzung ihrer Verfassungsrechte verabschiedet. Traurigster Beleg hierfür ist die Deportation von rund drei Millionen Immigranten durch die Obama-Administration – eine Zahl, an der Trump sofort als Mindesteinstieg in die von ihm beabsichtigte Fortsetzung der bisherigen Deportationspolitik anknüpfen konnte. Hier wird somit deutlich, dass das auf Bill Clinton zurückgehende 287-(g)-Programm faktisch sämtliche Immigranten zunächst einmal unter den Generalverdacht der Straffälligkeit stellt. Die zentralstaatliche Behörde ICE versteht sich absolut konsequent als Strafverfolgungsbehörde und will diese Zwecksetzung unbedingt auf die föderative Ebene der Bundesstaaten, der Städte sowie der Gemeinden ausgeweitet und abgestützt wissen.

Es ist nicht verwunderlich, dass sich innerhalb dieses erweiterten Strafverfolgungsorganismus auch das entsprechende kollektive Selbstverständnis herausbilden konnte. Das betrifft den Polizistenverband Fraternal Order of Police (FOP), der ungefähr 330 000 Mitglieder haben soll – bei rund 765 000 US-Polizisten insgesamt. Die Verbandsleitung des FOP hat sich im Wahlkampf für eine Präsidentschaft von Donald Trump ausgesprochen: „Er versteht und unterstützt unsere Prioritäten; unsere Mitglieder haben das Vertrauen, dass er Amerika wieder sicher machen wird (make America safe again).“ Diese FOP-Prioritäten gehen in Richtung einer Militarisierung der Polizei und sind insofern ganz besonders bei jenen Polizisten auf Kritik gestoßen, die vor allem in den afroamerikanischen Communities um wechselseitige Vertrauensbildung bemüht sind. Hunno Hochberger, Bohmte

Abb.(pdf) Mexikanische Amerikaner werden mit der Eisenbahn deportiert, Bild links, ca. 1931. Aktivisten blockierten 2015 den Verkehr vor einem Abschiebegefängnis in Illinois (Quelle: https://www.solidarity-us.org)

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