Quelle: Politische Berichte Nr. 2/2017 - Zur Gesamtausgabe als:PDFNur-TXT

s06 EU-Krebsrichtlinie: Grenzwert-Konflikte

Der Anteil der Krebserkrankungen, die berufsbedingt sind, ist in keiner anderen Region der Welt so hoch wie in Europa. Von den jährlich zuletzt etwa 1,4 Millionen Krebstoten sind geschätzte 7,5% berufsbedingt, etwa 102 000 vermutet die ILO. Zum Vergleich: die Zahl der tödlichen Arbeitsunfälle lag zuletzt bei etwa 3.500. Entsprechend gibt es seit Jahren die Forderung, die EU-Richtlinie zum Schutz der Arbeitnehmer vor krebserzeugenden und mutagenen Arbeitsstoffen zu revidieren. Die zuletzt 2004 geänderte Richtlinie (2004/37/EG) enthält bisher lediglich drei Arbeitsplatzgrenzwerte. Die Gewerkschaften fordern, sie müsse mindestens fünfzig besonders relevante Stoffe enthalten, ebenso eine Erweiterung des Geltungsbereiches auf reproduktionstoxische Stoffe. In diesem Zusammenhang hat der Europäische Gewerkschaftsbund (EGB) im letzten Jahr mit einer Kampagne gegen berufsbedingte Krebse begonnen. Eine Reihe von Mitgliedsstaaten hat die Kommission in 2015 aufgefordert, die seit 2006 auf Eis liegende Revision nun endlich vorzunehmen. Am 13.Mai des letzten Jahres legte die Kommission dann einen Revisionsentwurf vor, in dessen Anhang 13 Stoffe/Grenzwerte gelistet sind (elf neue und zwei abgesenkte Grenzwerte für schon gelistete Stoffe) und kündigte gleichzeitig an, bis Ende 2016 eine zweite Liste mit zwölf weiteren Stoffen vorzulegen, sowie eine dritte Liste in 2017. Am 10. Januar 2017 wurde diese zweite Liste nun vorgelegt, allerdings lediglich mit sieben weiteren Stoffen.

Die erste Liste vom 13. Mai 2016 wird derzeit im europäischen Parlament beraten, und die Berichterstatterin (Marita Ulfskog, Schweden – sozialdemokratische S&D-Gruppe) hat weitgehend gewerkschaftliche Positionen übernommen. Die Zahl der im Arbeitsprozess den einzelnen Stoffen ausgesetzten Beschäftigten variiert sehr, es sind aber so relevante Stoffe dabei wie Quarzstaub, geschätzte 5,3 Millionen Betroffene, oder Holzstaub, geschätzte 3,3 Millionen Betroffene. Gerade für diese Stoffe hat die Kommission nun Grenzwerte vorgeschlagen, die nicht gesundheitsbasiert sind, sondern auf politischen Kompromissen basieren. Für Holzstaub sind dies drei Milligramm pro Kubikmeter Raumluft (mg/cbm), wohingegen die Berichterstatterin 2 mg/cbm für fünf Jahre und dann eine weitere Absenkung auf 1 mg/cbm vorschlägt. Für Quarzstaub: Kommission 0,1 mg/cbm, Berichterstatterin 0,05 mg/cbm.

Nun laufen die Arbeitgeberverbände Sturm und behaupten die technische Nichtumsetzbarkeit der vorgeschlagenen Grenzwerte beziehungsweise die Nichtfinanzierbarkeit der nötigen Investitionen für moderne Absaugtechnik und so fort. Die Gewerkschaften fahren die Strategie, an den gesundheitsbasierten Grenzwerten festzuhalten und besondere Maßnahmen für die Tätigkeiten und Verfahren, in denen nachweislich die vorgeschlagenen Grenzwerte nicht eingehalten werden können, vorzuschlagen: Forschungsprogramme zur technischen Innovation, Verbreitung bewährter Verfahren, Kommissionsprogramme zur Umsetzung der neuen Grenzwerte, Übergangsfristen für spezifische Tätigkeiten. Die Abstimmung im Beschäftigungsausschuss des Parlaments ist für den 27./28. Februar terminiert, dann kommt die Abstimmung im Plenum und folgend die Aushandlung zwischen Rat, Parlament und Kommission. Der Rat hat dem Kommissionsentwurf bereits ohne Änderungsvorschläge zugestimmt. Rolf Gehring – Brüssel

Pressemitteilung der Kommission vom 10. Januar und weitere Materialien zum Thema sowie die Richtlinie finden sich auf der Kommissionswebpage: http://europa.eu/rapid/press-release_IP-17-2_de.htm

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