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s12 Wohnungspolitische Strategie der Stadt Mannheim vor einer Neuausrichtung?

Teil 2 Die Wohnungspolitik-Rallye in Mannheim geht weiter – Ausgang ungewiss

Wir dokumentieren im Folgenden zwei (aus Platzgründen leicht gekürzte) Artikel aus dem Kommunalinfo Mannheim Nr. 2/17 und Nr. 3/17. Der erste Artikel beleuchtet die Hintergründe der aktuellen wohnungspolitischen Debatte in Mannheim und die Initiativen der Partei Die Linke. Der zweite Artikel geht auf die aktuellen Entwicklungen dieser Diskussion im Gemeinderat ein.

Durch zahlreiche wohnungspolitische Anträge veranlasst, die zunächst fast ausschließlich von der Linken kamen, dann aber vermehrt auch von SPD und den Grünen, hat die Verwaltungsspitze im Januar dieses Jahres eine lang angekündigte Vorlage in den Gemeinderat eingebracht mit dem Titel: „Wohnungspolitische Strategie und 12-Punkte-Programm zum Wohnen für Mannheim (unter besonderer Berücksichtigung der Schaffung zusätzlichen preisgünstigen Mietwohnraums)“. Sie soll am 31. Januar öffentlich im Ausschuss für Umwelt und Technik ausführlich vorberaten werden, als einziges Thema. Am 14.2. soll dann der Gemeinderat entscheiden.

Die Vorlage ist insofern bemerkenswert, als sie bisherige Positionen der Verwaltung ausdrücklich korrigiert und neue Instrumente zur Erhaltung von preisgünstigem Wohnraum „für breite Schichten der Bevölkerung“ und zur Schaffung neuer Wohnungen für diesen Bereich vorschlägt. Jahrelang hatte die Verwaltung die Position vertreten, es komme hauptsächlich auf die Bereitstellung hochwertiger Wohnungen an, damit Mannheim mehr Haushalte anzieht mit hohem Einkommen, hoher Steuerkraft und guter Nutzung der von der Stadt bereitgestellten kulturellen Infrastruktur. Für die weniger betuchten Menschen habe man ja schließlich die GBG, die das mit ihren 19 000 Wohnungen schon richte. Die das aber bisher auch vor allem nur in einigen wenigen Stadtteilen richtet, sodass die Segregation der Stadtgesellschaft in Mannheim weit fortgeschritten ist. Und seit es keine nennenswerte öffentliche Subvention für den „sozialen Wohnungsbau“ mehr gibt, wurde die Bautätigkeit im bezahlbaren Segment vollkommen eingestellt, und die einst über 20 000 mietpreisgebundenen Sozialwohnungen schmolzen dahin auf 5.600 Wohneinheiten.

Inzwischen ist klar: Wenn sich der Immobiliensektor „naturwüchsig“ weiter so entwickelt, wie in den vergangenen Jahren, bekommen die „breiten Schichten“ bald kein Bein mehr auf den Boden. Interventionen in dieses Geschehen sind gefordert.

Gravierende Fehlentscheidungen in der Vergangenheit auf allen Ebenen

Auf Bundesebene gehören zu diesen Fehlentscheidungen (aus Mietersicht, nicht aus Sicht der Anlagefonds) die 1990 in Kraft getretene Abschaffung der Gemeinnützigkeit im Wohnungsbau und die fast vollkommene Einstellung der öffentlichen Förderung des sozialen Wohnungsbaus. Nach der 2007 in Kraft getretenen Föderalismusreform ging die Zuständigkeit für die verbliebene Wohnraumförderung vom Bund auf die Länder über. Der Bund zahlt dafür den Ländern immer noch Kompensationsmittel. Baden-Württemberg nutzte diese Mittel, um fast ausschließlich den Eigenheimbau zu subventionieren bzw. die Mittel schlicht in andere Kanäle zu leiten. Zwar stellte die Landesregierung zweistellige Millionenbeträge für Landeswohnraumförderung in den Haushalt – die wurden jedoch kaum abgerufen, weil es sich fast ausschließlich um Zinssubventionen handelte, für die kein Wohnungsbauunternehmen eine 30%ige Senkung der Mieten in Kauf nehmen wollte. Auf Mannheimer Ebene schließlich wurde zwar sehr viel Geld mit Hilfe von Bundes-Städtebaufördermitteln in die Sanierung von Stadtteilen wie Schönau und Neckarstadt West gesteckt, aber was Neubau betraf verwies man auf die untaugliche Landesförderung. Auch der andere Weg, Neubauten für bezahlbare Wohnungen über kommunale Grundstückswirtschaft zu subventionieren, wurde nicht beschritten. Grundstücksan- und -verkäufe wurden unter Einhaltung städtebaulicher Gesichtspunkte als „heimliche“ Finanzierungsquelle für den Stadthaushalt genutzt, „Hebung stiller Reserven“.

Was soll jetzt anders werden?

„Ziel ist es,“ so schreibt die Verwaltung zusammenfassend, „langfristig in allen Quartieren, sowohl auf der Konversion als auch in der gesamten Stadt, ein möglichst breit gefächertes Angebot unterschiedlicher Wohnungen anzubieten, was sowohl das Preissegment als auch die Wohn- und Eigentumsform angeht. (…) Dazu gehört ein Loslösen des Handelns von den konjunkturellen Zyklen des Immobilienmarktes.“

Dazu gehört zunächst eine Bestandsaufnahme über den mutmaßlichen Neubaubedarf. Denn ein unleugbarer Preistreiber bei den Mieten (und Kaufpreisen) ist das zu geringe Wohnungsangebot. Dabei legt die Verwaltung die Bevölkerungsprognose zugrunde (die durch Migrationsbewegungen allerdings sehr unkalkulierbar ist) und ermittelt eine Nachfrage von 10.436 Wohneinheiten bis 2025. Davon sollen 1.720 Wohnungen im unteren und mittleren Preissegment bis 7,40 Euro/m² liegen. Das sind gerade mal 17%.

Dreh- und Angelpunkt für das nun immerhin mal aufgeschriebene Ziel 10 000 Wohnungen bis 2015 wird eine Änderung in der Struktur der Landeswohnraumförderung sein. Tatsächlich hat die baden-württembergische Wirtschaftsministerin Dr. Hoffmeister-Krauth (CDU) angekündigt, ab 1. April 2017 endlich auch eine Landeswohnraumförderung auf Basis von Tilgungszuschüssen auf den Weg zu bringen. Damit werden öffentlich geförderte Neubauwohnungen wirklich so gefördert, dass sich daraus auch deutlich niedrigere Mieten ableiten.

Davon wird die GBG (wie auch andere Bauträger) dann reichlich Gebrauch machen. Damit wird der Anteil bezahlbarer Wohnungen auf Franklin z.B. noch einmal steigen können.

Die Stadt folgt in einigen Punkten linken Forderungen

Aber auch im Gestaltungsbereich der Stadt Mannheim soll sich – so die Vorlage – einiges ändern:

Das bisher abgelehnte, von der Linken schon 2013 in die Diskussion gebrachte Quotenmodell soll nun mit städtebaulichen Verträgen bei Investoren durchgesetzt werden, sobald mehr als zehn Wohneinheiten geplant sind. Die Stadt strebt 25% bezahlbare Wohnungen je Projekt an. Das ist weniger als in München oder Freiburg. Dafür soll es nicht nur bei Bauten auf der grünen Wiese angewandt werden, sondern auch bei Baulückenprogrammen und Nachverdichtungen. Damit kämen erschwingliche neue Wohnungen auch in Stadtteile, die davon bisher nicht gesegnet sind.

Die Verwaltung empfiehlt dem Gemeinderat ferner, städtische Grundstücke nun bewusst auch im Sinne der Förderung bezahlbaren Wohnraums einzusetzen durch verbilligte Abgabe an spezielle Bauträger (hier können nur solche in Frage kommen, die auch über eine Bindungsfrist hinaus die Mieten stabil halten).

Auch der Vorschlag der Linken wird aufgegriffen: Baugruppen und Kleingenossenschaften sollen Grundstücke im Erbbaurecht zugewiesen bekommen, für die erst einmal 15 bis 25 Jahre lang zinsfrei gestellt werden. Das erleichtert den Start, weil nicht auch noch für das Grundstück Eigenkapital aufgebracht werden muss. Für die GBG ist Erbbaurecht vorerst nicht vorgesehen. Auch ihr würde es die Bereitstellung neuer erschwinglicher Wohnungen guttun. Denn mit einer Investitions- und Sanierungssumme von zurzeit ca. hundert Millionen jährlich muss sie inzwischen auch auf ihre Eigenkapitalquote schauen, sonst wird es teuer bei Bankkrediten. Erbbaurechte gelten dem Eigenkapital gleichgestellt.

Der Kataster über Baulücken, Brachen und Nachverdichtungsmöglichkeiten soll intensiv mit Architekten und Investoren besprochen werden.

Zum Erhalt preisgünstigen Wohnraums soll nun auch die GBG so eingreifen, indem sie in Stadtteilen mit überdurchschnittlichem Mietpreisanstieg versucht Bestandshäuser aufzukaufen, bevor sie in Spekulantenhände geraten. Auch dies eine Forderung der Linken, z.B. aktuell für den Jungbusch …

Dass die Verwaltung jetzt deutlich formuliert, der bezahlbare Mietwohnungsmarkt müsse von den Zyklen, und das heißt v.a. auch von den Spekulationszyklen abgekoppelt werden, ist löblich. Das setzt allerdings voraus, Wohnungsbaugrundstücke nicht mehr beliebig zu verkaufen, sondern vorzugsweise an Bauträger, die nicht profitorientiert sind. Nur solche Unternehmen wie z.B. die GBG selbst oder auch die meisten Genossenschaften versuchen nicht den jeweils höchsten Marktpreis zu erzielen, sondern die Wohnungen möglichst preisgünstig anzubieten – über den gesamten Lebenszyklus hinweg.

Es ist also in der Diskussion um die Vorlage zur Wohnungspolitik und um die Ausgestaltung der einzelnen Instrumente noch Einiges zu klären! Thomas Trüper

(aus Kommunalinfo Mannheim, Nr. 2/2017)

Teil-2 Die Wohnungspolitik-Rallye in Mannheim geht weiter – Ausgang ungewiss

Wer will überhaupt etwas verändern und ggf. was?

Die Verwaltung hat mit ihrer Vorlage 009/2017 (siehe vorigen Artikel aus dem Kommunalinfo Mannheim) dem Gemeinderat die Hebel auf den Tisch gelegt, mit denen 10 000 Wohnungen, und davon (nur!!) 17% preisgünstige gebaut werden können und ansonsten der zunehmenden Segregation der Stadtgesellschaft entgegengewirkt werden kann.

Am 31. Januar fand nun die seit Monaten angekündigte große wohnungspolitische Diskussion im zuständigen Ausschuss AUT statt, die der Baubürgermeister Quast leitete. Der OB, der an solchen Fachausschusssitzungen üblicherweise nicht teilnimmt, gewährte bei der zweiten wohnungspolitischen Veranstaltung dieser Woche, nämlich bei der SPD-Veranstaltung „Mieten muss bezahlbar sein“ Einblick in seine Auffassung zu der Thematik.

Um von hinten anzufangen: Da wird die SPD auf ihrer neuen Suche nach Gerechtigkeit noch viel mit ihrem OB zu diskutieren haben. Zwar hat sie ihn zu der Verwaltungsvorlage drängen können. Aber er erweist sich bisher doch sehr resistent gegen das Ansinnen, nun endlich das Ruder herumzuwerfen. Nachdem Lukas Siebenkotten, Bundesdirektor des Deutschen Mieterbundes, von der Dringlichkeit des Baus bezahlbarer Wohnungen gesprochen hatte, und zwar über die ganze Stadt verteilt, sinnierte OB Peter Kurz, man müsse aber auch bedenken, dass man damit einen Anreiz für nicht so gut betuchte Menschen aus dem Umland schaffe, sich in Mannheim niederzulassen. Es bräuchte eine regionale Sozialwohnungsquote. Dieser Gedanke ist zwar sicherlich nicht falsch, aber auf freiwilliger Basis in den nächsten zehn Jahren wohl kaum durchsetzbar. Auf die Frage, ob denn nicht eine Voraussetzung für preisgünstiges Bauen die sozialgerechte Bodennutzung sei, mit entweder Gewährung von Erbbaurechten zu niedrigsten Zinsen oder mit der Abgabe von verbilligtem kommunalem Bauland, machte Peter Kurz deutlich, dass er eigentlich auf die Gewinne aus Bodenverkäufen zu marktüblichen oder Höchstpreisen nicht verzichten könne. Ohne diese würde das Ziel, 42 Mio. Euro jährlich bei den laufenden Ausgaben der Stadt zugunsten von Investitionen zu sparen („Strategische Haushaltskonsolidierung Mannheim“), noch schwieriger zu erreichen sein. „Wir brauchen das Geld für Schulen, Infrastruktur etc.“ Obwohl die gesamte Geschichte des Wohnungsbaus „für breite Schichten der Bevölkerung“ von öffentlichen Subventionen auch der Kommune Mannheim geprägt ist, scheint Kurz nach wie vor überzeugt, dass der Wohnungsbau nicht in den Strauß notwendiger kommunaler Investitionen gehört und dass man dann eventuell innerhalb der zahlreichen notwendigen Investitionen umschichten muss.

Noch ein weiterer gravierender Diskussionspunkt mit dem OB wurde deutlich: Für den Oberbürgermeister scheint es nur „Investoren“ als solche zu geben. Eine Unterscheidung nach Geschäftskonzepten kommt in seinen Überlegungen nicht vor. So entgegnet er auf die Fragen von Leuten aus dem Jungbusch, was man dem stark renditegetriebenen Immobilien-Kaufverhalten des Investmentfonds der BNP-Bank in diesem Stadtteil entgegensetzen könne: Man dürfe nicht gleich über „Gentrifizierung“ jammern, wenn mal endlich ein Investor komme und sich einiger sanierungsbedürftiger Häuser annehme. Dass es eine wichtige Aufgabe der Stadt Mannheim ist, nachhaltig preisgünstige Wohnungen bauende Wohngruppen des Mietshäusersyndikats substanziell zu unterstützen, die Bildung von kleinen Bau- und Mietergenossenschaften anzuregen und tatkräftig zu unterstützen, oder auch die GBG durch verbilligtes Bauland oder durch eine Kapitalerhöhung zu stärken – all dies scheint bei ihm noch nicht angekommen zu sein. Für aufmerksame Zuhörer auf der SPD-Veranstaltung, auf der diese Partei nun endlich einmal viele richtige Aspekte von den geladenen Referenten darlegen ließ, waren die Beiträge des OB eher alarmierend – denn bei den fatalen Mehrheitsverhältnissen im Mannheimer Gemeinderat kommt es sehr auf seine Position und seine Stimme an … Thomas Trüper, Mannheim

(aus Kommunalinfo Mannheim Nr. 3/2017)

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