Quelle: Politische Berichte Nr. 3, März 2017 • Gesamtausgabe: PDF Inhaltsverzeichnis: TXT

s06 Aktuelles zur Wahl in Frankreich

Für sieben Kandidaturen zur französischen Präsidentschaftswahl am 23. April liegen aktuell Mitteilungen vor, dass die nötigen 500 Unterstützer gefunden wurden (Stand 12.3.2017). Bis 17. März können Kandidaturen angemeldet werden. Dann wird geprüft, ob die Voraussetzungen der Kandidaturen erfüllt sind. Sicher ist wohl, dass es Philippe Poitou, der bereits 2012 als Kandidat für die antikapitalistische Linke (NPA) antrat, nicht erneut schafft, 500 Unterstützer zu finden. Die Grünen haben auf eine Kandidatur verzichtet und sich für die Unterstützung von Hamon (Sozialistische Partei) ausgesprochen.

Da sehr wahrscheinlich im ersten Wahlgang keiner der Kandidaten die nötige Mehrheit erlangen wird, dürfte es am 4. Mai zur Stichwahl kommen. Die Umfragen sehen dabei den Front National mit Le Pen sicher im zweiten Wahlgang. Trotz Aufhebung der Immunität durch das Europaparlament wegen der Veröffentlichung von IS-Gewaltvideos und Ermittlungen über die missbräuchliche Nutzung von Geldern liegt Le Pen stabil über 25 %.

Fillon, Kandidat der Konservativen (Les Républicains) und bereits als zweiter Teilnehmer der Stichwahl gehandelt – ist in den Umfragen hinter Macron, der ohne Parteiunterstützung seinen Wahlkampf führt, zurückgefallen. Macron liegt jetzt bei etwa 25 %.

Gegen Fillon wird ermittelt. Er hat für den 15. März eine Vorladung vor den Untersuchungsrichter wegen des Verdachts auf Hinterziehung öffentlicher Mittel. Er hatte angekündigt von der Kandidatur zurückzutreten, sollte es zu einem Ermittlungsverfahren der Justiz kommen. Einen Ersatz zu finden, war den Republikanern nicht gelungen. Zudem hätte Fillon seinen Verzicht erklären müssen. Stattdessen mobilisierte er seine Anhänger und sprach auf einer Großkundgebung in Paris von politisch motivierter Verfolgung.

Die bürgerliche Rechte droht auseinanderzufallen, die Zentrumspartei UDI hat Fillon bereits die Unterstützung entzogen, auch etliche namhafte Politiker des konservativen Lagers. Das strategische Kalkül Fillons ist, bei der Wahl vor allem auf die katholische Basis der konservativen Republikaner zu zielen – auf Wähler über 50, auf Wohlhabende und Gebildete. Unterstützt wird Fillon nun vor allem noch von rechten katholischen Kräften, z.B. rund um die Bewegung „Manif pour tous“ (übersetzt etwa: „Demo für alle“) und der erzkonservativen Organisation „Sens Commun“ mit 9000 Mitgliedern, Gegner der Homo-Ehe. Diese Bewegung hatte Fillons Kundgebung in Paris unterstützt und organisiert. Sie ist entstanden aus der Kritik rechter katholischer Kräfte am Gesetzentwurf zur gleichgeschlechtlichen Ehe 2013. Der Bewegung gelang es, einige große Demonstrationen und Kundgebungen gegen den Gesetzentwurf der Sozialisten zu mobilisieren, schlussendlich aber ohne Erfolg. Dies Gesetz (Loi Taubira) will Fillon wieder kassieren sowie das Adoptionsrecht für homosexuelle Paare. Er kämpft gegen künstliche Befruchtung bei lesbischen Paaren und die Legalisierung von Leihmutterschaft. Fillon stimmte schon als Abgeordneter 1981 gegen ein Gesetz zur Gleichstellung von Homosexuellen und ist noch heute gegen Abtreibung.

„Fillon setzt darauf, dass er durch dieses Bekenntnis mehr zu gewinnen als zu verlieren hat. Wir befinden uns aktuell in einem seit den Religionskriegen völlig unbekannten sozialen Zusammenhang. Denn seit dieser Zeit war der Katholizismus in Frankreich die unangefochten vorherrschende Religion. Das ist nun nicht mehr der Fall, denn die Muslime bilden gegenwärtig eine durchaus bedeutende religiöse Minderheit. Dies kann im Gegenzug dazu beitragen, bei einem Teil der französischen Bevölkerung eine katholische Herkunft wiederzubeleben oder ein familiäres katholisches Erbe, das man ein wenig verkümmern lassen hat. Und Fillons Wette besteht nun darin, dass es ihm nützen wird, sich auf diese katholische Herkunft zu berufen, und dass sich die vielen konfessionslosen konservativen Wähler nicht übermäßig daran stören werden.“ (1)

Macron, Kandidat der Bewegung En Marche (EM), hat am 2. März 2017 sein Programm vorgelegt. Er kandidiert ohne Unterstützung einer Partei und es gelingt ihm offensichtlich, moderne Milieus anzusprechen. Einige der vorgestellten Programmpunkte:

Einsparungen:

Das Haushaltsdefizit soll 3% nicht überschreiten dürfen. Ausgabenposten im Haushalt sollen um 60 Milliarden Euro gekürzt werden durch Reorganisationen im Gesundheitswesen, bei den Gebietskörperschaften, durch Reduzierung der Arbeitslosenquote und „nicht näher bezeichnete Maßnahmen bei den Staatsausgaben“.

Investitionen:

Ein Investitionsplan von 50 Milliarden Euro soll aufgelegt werden: 15 Milliarden Euro für Aus- und Weiterbildung vor allem von Jugendlichen und Arbeitslosen. 15 Milliarden Euro für den ökologischen und energetischen Wandel, u.a. auch für Strukturwandel in Regionen, in denen z.B. AKWs stillgelegt werden. 20 Milliarden Euro für die Modernisierung der öffentlichen Verwaltung, die Landwirtschaft, das Gesundheitswesen und das Verkehrswesen.

Steuern:

Unternehmenssteuern sollen von 33,3% auf 25%, den europäischen Mittelwert, gesenkt werden. Ca. 80% der französischen Haushalte soll die Wohnsteuer erlassen werden, die Kommunen für den Einnahmeausfall aus dem Staatshaushalt entschädigt werden. Die Vermögenssteuer soll vereinfacht werden.

Euro:

Macron fordert für die Euro-Zone private und öffentliche Investitionen. Um diese innerhalb der Euro-Zone anstoßen zu können, fordert er für sie ein Budget, das sich aus eigenen Quellen speisen und mehrere 100 Milliarden Euro betragen soll und von einem Parlament der Euro-Zone legitimiert, kontrolliert und von einem Minister für Wirtschaft und Finanzen der Euro-Zone gesteuert wird.

Rente:

Bis 2022 soll der Renteneintritt mit 62 Jahren oder nach 42 Jahren Beitragszahlungen möglich sein. Emmanuel Macron möchte gleich zu Beginn seiner Amtszeit mit den Sozialpartnern über die Einrichtung eines universellen Rentensystems verhandeln, das die 37 speziellen Rentensysteme ersetzt und das sowohl für Beamte als auch für Angestellte gelten soll.

Schule:

Maßnahmen im Schulsystem sollen sich auf die ersten drei Grundschuljahre konzentrieren, da die Grundkenntnisse, die an den weiterführenden Schulen vorausgesetzt werden, hier vermittelt werden und 20% der Schüler der fünften Klassen nicht ausreichend gut lesen, schreiben und rechnen können. In Problemvierteln sollen die Klassen in den ersten drei Grundschuljahren auf 12 Schüler verkleinert werden, ihre Lehrer sollen mindestens drei Jahre Berufserfahrung haben. Lehrkräfte die dort unterrichten, sollen ein deutlich höheres Gehalt bekommen.

Matthias Paykowski, Karlsruhe

Quellen: (1) Der französische Soziologen Claude Dargent in einem Interview der Deutschen Gesellschaft für Auswärtige Politik: https://frankreich.dgap.org/2017/03/07/sens-commun-und-francois-fillon/;

franz. Tagespresse div.; www.dfi.de.