Quelle: Politische Berichte Nr. 3, März 2017 • Gesamtausgabe: PDF Inhaltsverzeichnis: TXT

s08 Auslandnachrichten.

01 USA: Internationales Treffen der Gewerkschaftsjugend

02 Schweden: Druck auf Ikea-Transportkette

03 Schweiz: Frontalangriff aufs Arbeitsgesetz

04 Tschechien: Lohnerhöhung bei Lidl

05 Madagaskar: Hafenarbeiter kämpfen für ihre Rechte

06 Türkei: Unterstützung für entlassene LehrerInnen

07 Australien: Molkereigigant sperrt Belegschaft aus

08 Chile: Streik in größter Kupfermine der Welt

01 USA: Internationales Treffen der Gewerkschaftsjugend

„Die Uhr steht kurz vor zwölf. Es ist allen bewusst: Wir müssen handeln.“ So umschreibt Ronja Endres die Stimmung Ende Dezember auf dem Jugendtreffen des Internationalen Gewerkschaftsbundes in Washington. Auf der ganzen Welt seien antiliberale Strömungen auf dem Vormarsch, bei den jungen Gewerkschafterinnen und Gewerkschaften dominierte jedoch der Tatendrang, nicht die Resignation. Die gelernte Chemielaborantin Ronja Endres sitzt als Delegierte der DGB-Jugend im Jugendkomitee des Internationalen Gewerkschaftsbundes (IGB). Junge Vertreterinnen und Vertreter der Gewerkschaften aus Kenia, Kanada, USA, Indonesien, Pakistan, Ukraine, Moldawien, Brasilien, Costa Rica, den Philippinen, Gambia, Tunesien, Kolumbien kamen in Washington zusammen, um drängende aktuelle gewerkschaftliche und politische Fragen zu diskutieren. Neben den gewerkschaftlichen Kernthemen, wie der Mitgliedergewinnung und der Verbesserung der Ausbildungs- und Arbeitssituation in den Ländern, stand daher vor allem der globale Rechtsruck im Fokus. Dieser Trend sei nicht nur in den USA und in Europa zu beobachten, auch in Ländern wie den Philippinen oder Indonesien gebe es autoritäre und rassistische Tendenzen. Von der globalen Gewerkschaftsjugend ging daher ein wichtiges Zeichen des Zusammenhalts aus: „Jeder in der IGB-Jugend, egal ob aus Pakistan oder Costa Rica, ist sich im Klaren darüber, dass wir weiterhin unsere offenen Werte von Demokratie und Gleichheit beibehalten und noch stärker dafür eintreten wollen.“

Quelle: www.gelbehand.de, 16.2.2017

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02 Schweden: Druck auf Ikea-Transportkette

ITF-Gewerkschaften (Internationaler Transportarbeiterverband) aus Schweden und Deutschland haben sich zusammengeschlossen, um Ikea unter Druck zu setzen, die Verantwortung für die Ausbeutung in der europäischen Transportkette zu übernehmen. Die Fahrer in der Ikea-Vertragskette arbeiten seit Wochen und Monaten auf der Straße und verdienen niedrigere Löhne, leben auf ihrem Lkw und unterliegen dem Missbrauch von Sozial-, Arbeits- und Sicherheitsregeln. Die Aktion von Mitgliedern von Verdi und der schwedischen Transportarbeiter-Gewerkschaft kam, als eine weitere ITF-Gewerkschaft einen Sieg vor den Gerichten gegen eine von Ikea eingesetzte Transportfirma erzielte. In dem Fall, der von der FNV (Niederländischer Gewerkschaftsbund) unterstützt wurde, hat das Bezirksgericht der Nordniederlande einen Ikea-Auftragnehmer ausgesetzt, der ausländische Lkw-Fahrer aus verbundenen Unternehmen verwendet, um die Kosten zu senken. Der Gerichtshof stellte fest, dass die Vereinbarung eingerichtet wurde, um dem niederländischen Tarifvertrag (CLA) zu entgehen – und den Fahrern einen Lohn zahlte, der achtmal niedriger war als der in der CLA. Das Gericht ordnete ein Ende dieser Praxis an und ebenfalls ein Ende der Praxis, dass Fahrer in ihren Lastwagen während der wöchentlichen Ruhepausen wohnten. An drei niederländische Fahrer mussten Rückzahlungen geleistet werden. Der neue ITF-Chef des Binnenverkehrs, Noel Coard, sagte: „Arbeitgeber wie Ikea kontrollieren die Wirtschaft auf unseren Straßen. Transportunternehmen sind unter ständiger Bedrohung der Lieferkette: entweder das Gesetz zu brechen oder den Vertrag zu verlieren. Ikea hat die Macht, das Elend zu beenden, unter dem Lkw-Fahrer leben. Unsere Tür bleibt offen und wir glauben fest daran, dass Ikea eher ein Teil der Lösung als das Problem sein kann.“

Quelle: www.itfglobal.org, 27.2.2017

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03 Schweiz: Frontalangriff aufs Arbeitsgesetz

Die Wirtschaftskommission des Nationalrates hat gestern einen Angriff auf den Arbeitnehmerschutz gestartet, den Travail.Suisse, der Dachverband von elf Gewerkschaften, nicht hinnehmen kann. Mit der Überweisung der beiden parlamentarischen Initiativen Graber (16.414) und Keller-Sutter (16.423) soll die Arbeitszeiterfassung ausgehebelt, die Begrenzung der wöchentlichen Höchstarbeitszeit aufgehoben und die Ruhezeiten verkürzt werden. Für die Gesundheit der Beschäftigten ist dies ein ungenießbarer Cocktail. Die beiden überwiesenen Vorstöße sehen vor, dass bestimmte Wirtschaftszweige sowie Gruppen von Betrieben oder Beschäftigten von der Einhaltung der wöchentlichen Höchstarbeitszeit von 45 Stunden befreit werden sollen und weiter die minimale Ruhezeit auf acht Stunden herabgesetzt werden kann. Grundsätzlich sollen „leitende Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer und Fachspezialisten“ von der Pflicht zur Erfassung der Arbeitszeit ausgenommen werden. Mit diesem Angriff werden nicht nur zentrale Schutzbestimmungen des Arbeitsgesetzes tangiert, sondern durch den schwammig formulierten Geltungsbereich ist auch ein Großteil der Beschäftigten in der Schweiz betroffen. Bereits in den letzten Jahren haben Stress, Arbeitsbelastung und Burnout stark zugenommen. Der Verlust von Zeitautonomie in der Arbeitswelt wird als größte Verschlechterung der Arbeitsbedingungen beklagt. Die Vorstöße werden die Belastungssituation für die Beschäftigten noch einmal deutlich verschlechtern sowie die Vereinbarkeit von Beruf, Familie, Privatleben und Weiterbildung massiv erschweren.

Quelle: http://www.travailsuisse.ch, 22.2.2017

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04 Tschechien: Lohnerhöhung bei Lidl

Der Einzelhändler Lidl hat angekündigt, die Gehälter der Mitarbeiter deutlich zu erhöhen. Ab März wird der durchschnittliche monatliche Lohn der Kassierer 24.897 Kronen (696 Euro) erreichen, dies ist eine Steigerung um 18%. Das Einstiegsgehalt wird um fast ein Viertel ansteigen, auf 23.333 Kronen (662 Euro). Lidl, der in der Tschechischen Republik der Supermarkt ist, der die höchsten Löhne zahlt, ist die einzige Kette, die ihre Löhne öffentlich macht. Andere Supermarktketten, darunter Globus, Kaufland und Albert, weigern sich, die Gehälter ihrer Mitarbeiter zu veröffentlichen. Kaufland, die größte Kette des Landes, hat im vergangenen Jahr seinen Lohn um rund fünf Prozent erhöht und laut seiner Sprecherin hat es seinen Mitarbeitern auch eine Reihe weiterer Vorteile geboten. Nach dem aktuellen Jobangebot kann ein Kassierer für ein Kaufland-Geschäft außerhalb von Prag zwischen 16 000 und 18 000 Kronen bekommen, während ein Beschäftigter im Regallager für einen Tesco-Supermarkt in Prag über 20 000 Kronen (540 Euro) bekommen könnte. Shop-Assistenten in Albert, im Besitz des niederländischen Einzelhändlers Ahold, erhalten derzeit Gehälter, die durchschnittlich etwa 15.500 Kronen (455 Euro) betragen. Die Gewerkschaften haben im vergangenen Jahr Auseinandersetzungen mit Ahold über die Löhne für tschechische Mitarbeiter geführt. Ministerpräsident Bohuslav Sobotka trat im Auftrag der Mitarbeiter in die Auseinandersetzungen ein und kritisierte die Tatsache, dass internationale Unternehmen nicht genug an ihre tschechischen Angestellten zahlen. Der Durchschnittslohn in der Tschechischen Republik liegt derzeit bei 27.220 Kronen (705 Euro).

Quelle: https://crm.etui.org, 22.2.2017; Collective Bargaining Issue 2/2017

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05 Madagaskar: Hafenarbeiter kämpfen für ihre Rechte

Madagaskars Hafenarbeiter gehören zu den am niedrigsten bezahlten Arbeitern der Welt. Manche verdienen weniger als 40 US-Dollar (38 Euro) pro Monat. Sie kämpfen, um sich und ihre Familien trotz langer Stunden und schwieriger, gefährlicher Arbeit zu unterstützen. 43 Dockarbeiter wurden nun entlassen. Nach ihrem Beitritt zu ihrer Gewerkschaft sahen sie sich Einschüchterung und Vergeltung aus dem Management ausgesetzt, das ihnen zwei Möglichkeiten gab, die Gewerkschaft zu verlassen oder ihre Arbeit zu verlieren. Die Arbeiter weigerten sich und wurden entlassen. Keiner von ihnen wurde wiedereingestellt. Die Regierung von Madagaskar muss ihre lokalen Arbeitsgesetze durchsetzen.

Quelle: http://www.itfglobal.org, 28.2.2017

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06 Türkei: Unterstützung für entlassene LehrerInnen

Tausende Lehrerinnen und Lehrer wurden bislang in der Türkei ohne Gründe entlassen. Sie stehen praktisch vor dem Nichts. Eine Delegation aus Gewerkschaften aus sieben europäischen Ländern hat in Ankara ihre Solidarität gezeigt. Nach Informationen der türkischen Bildungsgewerkschaft Eğitim Sen wurden seit dem Putschversuch im Sommer 2016 rund 105000 Staatsbedienstete entlassen oder von der Arbeit suspendiert. Etwa ein Drittel davon sind Lehrerinnen und Lehrer. Die Entlassungen erfolgen ohne Vorankündigung und ohne Nennung von Gründen durch Veröffentlichung von Namenslisten auf der Internetseite der türkischen Regierung. Die betroffenen Lehrkräfte stehen plötzlich vor dem Nichts. Ihre Entlassungen kommen faktisch einem Berufsverbot gleich. Als Lehrer können sie nicht mehr arbeiten, da keine Chance besteht, eine neue Stelle im Staatsdienst zu finden. Auch Privatschulen werden vor der Einstellung entlassener Lehrkräfte gewarnt. Die Lehrerinnen und Lehrer verlieren nicht nur ihre Arbeit, sondern auch ihre Krankenversicherung und Pensionsansprüche und dürfen die Türkei nicht verlassen. Widerspruch oder Klage gegen die Entlassungen unter den Bedingungen des Ausnahmezustands, der nach dem Putschversuch verhängt wurde und weiterhin in Kraft ist, sind nicht möglich. Von den Entlassungen sind auch rund 1500 Mitglieder und Funktionäre der Eğitim Sen betroffen, darunter 16 Vorsitzende und 103 Vorstandsmitglieder der Gewerkschaft auf nationaler und regionaler Ebene. Statt die Gewerkschaft zu verbieten, setzt der türkische Staat offensichtlich darauf, ihre Führung und die Mitglieder einzuschüchtern und zu demoralisieren. Zwanzig Frauen und Männer von elf Lehrer- und Bildungsgewerkschaften aus Frankreich, Großbritannien, den Niederlanden, Dänemark, Griechenland, Zypern und Deutschland waren auf Einladung der Bildungsgewerkschaft Eğitim Sen am 27./28. Februar 2017 in die türkische Hauptstadt gereist, um gegen politische Verfolgung zu protestieren und Unterstützung für die unrechtmäßig aus dem Staatsdienst entlassenen Beamtinnen und Beamten zu bekunden.

Quelle: https://www.gew.de, 7.3.2017

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07 Australien: Molkereigigant sperrt Belegschaft aus

Beschäftigte der Lactalis/Parmalat-Milchfabrik, mehrheitlich im Besitz von Lactalis, in Echuca im australischen Bundesstaat Victoria sind aufgrund eines Konflikts mit dem Konzern seit dem 18. Januar ausgesperrt. Parmalat, das mehrheitlich im Besitz des Konzerns Lactalis, dem weltweit größten Produzenten von Molkereiprodukten mit Sitz in Frankreich ist, erwarb die Fabrik im Februar 2016, und Verhandlungen zur Erneuerung der Betriebsvereinbarung liefen im Juli 2016 an. Der Konzern schlug eine Lohnerhöhung von 9 Prozent für die Beschäftigten der Fabrik im Lauf der nächsten drei Jahre vor unter der Voraussetzung, dass allen neueingestellten Mitarbeitern und Mitarbeiterinnen 20 Prozent weniger gezahlt wird als den vorhandenen Beschäftigten. Weiterhin bestand Parmalat auf größerer Flexibilität im Hinblick auf die Auslagerung von Arbeit und den Einsatz von Zeitarbeitskräften und forderte die Gewerkschaftsmitglieder am 3. März auf, über seinen Vorschlag abzustimmen. Die Gewerkschaftsmitglieder in der Fabrik, Mitglieder der IUL angeschlossenen AMWU und der Elektrikergewerkschaft ETU, lehnten den Vorschlag einstimmig ab und kündigten einen vierstündigen Streik an. Gleichzeitig signalisierten sie ihre Bereitschaft für eine Vereinbarung, die in gutem Glauben ausgehandelt wird und ihre Rechte schützt. Der Konzern stellte daraufhin den Betrieb ein, sperrte die Beschäftigten aus und erklärte, die Fabrik werde bis zur Beilegung des Konflikts geschlossen bleiben. Statt zu verhandeln, hält Parmalat an der Aussperrung fest. Die Beschäftigten unterhalten vor der Fabrik rund um die Uhr ein Protestlager.

Quelle: http://www.iuf.org, 8.3.2017

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08 Chile: Streik in größter Kupfermine der Welt

Die Mine La Escondida liegt in der Wüste – und ist zugleich wesentlicher Wirtschaftsfaktor nicht nur der Region, sondern des ganzen Landes. 2300 direkt Beschäftigte und 1900 Beschäftigte von Subunternehmen arbeiten dort, Tausende weiterer Menschen bei diversen Zulieferbetrieben und sorgen dafür, dass diese Mine fünf Prozent der weltweiten Kupferproduktion fördert. Zur Freude des Konzerns BHP Biliton, der Mehrheitseigner ist – mit einer Minderheitsbeteiligung von Rio Tinto. Die beiden globalen Bergbaugiganten geben nach Einschätzung vieler GewerkschafterInnen aktuell den Kurs der chilenischen Unternehmen vor: Konfrontation gegen die Gewerkschaftsbewegung, was sich bereits in verschiedenen kleineren Streiks in diesem Jahr gezeigt hatte, wird nun rigoros durchexerziert. Schlichtungsgespräche, die von Regierungsseite organisiert und angemahnt wurden, wollte das Unternehmen nur unter von ihm diktierten Bedingungen wahrnehmen: Etwa, dass der Schichtwechsel nicht behindert werde (also faktisch nicht gestreikt werde). Die streikenden Arbeiter der BHP Biliton (und Rio Tinto)-Mine La Escondida haben am 3. März 2017 in der Bezirkshauptstadt Antofagasta demonstriert: Mit ihnen zahlreiche KollegInnen von Zulieferbetrieben und auch Bergarbeiter anderer Werke. Für Antofagasta war es eine der größten Demonstrationen seit längeren Jahren – der Kampf der Bergarbeiter kann zu einem Pol des Widerstandes gegen die Unternehmeroffensive in Chile werden, die auf die sozialdemokratisch geführte Koalitionsregierung (mit Konservativer und Kommunistischer Partei) zielt. Beinahe einen Monat dauert der Streik in der größten Kupfermine der Welt inzwischen. Und die „Versteckte“ (Escondida) ist inzwischen in hellem Scheinwerferlicht. Ein Unternehmen, das um jeden Preis sein Diktat gegenüber der Belegschaft durchsetzen will – und eine Belegschaft, die sich rundweg weigert, sich zu unterwerfen. BHP Biliton zieht alle Register – aber der entschlossene Kampf der über 2000 Streikenden führt auch immer mehr dazu, dass sich um diesen Kern herum Kräfte gruppieren, die vorher nicht unbedingt ganz eng zusammengearbeitet hatten. So hat jetzt die Föderation der Gewerkschaften im Bergbau, die im Bergbau Chiles Arbeiter organisieren, beschlossen, eine Konferenz abzuhalten, um eine Koordination des Vorgehens aller irgendwie am Bergbau beteiligten Gewerkschaften zu erreichen. Das Unternehmen setzt derweil die juristische Hilfsmaschine des Kapitals in Bewegung: Sprecher regionaler Behörden zweifeln an der Rechtmäßigkeit des Streiks und in den Medien wird eine Debatte initiiert, um die Anwendungen von Gesetzen, die es dem Unternehmen erlauben würden, einseitig die Bedingungen der Weiterarbeit zu diktieren.

Quelle: www.laizquierdadiario.cl, 8.3.2017; www.sindicatoescondida.cl, 9.3.2017

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