Quelle: Politische Berichte Nr. 3, April 2017 • Gesamtausgabe: PDF Inhaltsverzeichnis: TXT

01-Verbot der Demonstration „Weg mit dem Verbot der PKK“ in Mannheim

02-Türkei: Über 50 Tage Hungerstreik für menschenwürdige Haftbedingungen

01-Verbot der Demonstration „Weg mit dem Verbot der PKK“ in Mannheim

Aus der Stellungnahme von Stadträtin Gökay Akbulut (Die Linke)

Am 2. März hat das Bundesinnenministerium eine Verschärfung des Verbots von Öcalan-Porträts, PKK-Fahnen und YPG-Symbolen verfügt. Das Verbot umfasst nun insgesamt 33 Symbole, die entweder direkt im Zusammenhang mit der PKK oder einer ihrer Unterorganisationen stehen. In den letzten Jahren verliefen die meisten Demonstrationen kurdischer Menschen in der Bundesrepublik friedlich, weil die Polizei den inneren Frieden gegenüber einem Fahnenverbot als wichtiger einstufte.

Trotz oder gerade wegen der angespannten Situation in der Türkei und in Kurdistan ist es untragbar, dass die Bundesregierung nun offensichtlich auf Eskalation setzt und das Fahnenverbot erneut versucht durchzusetzen. Während sich die türkisch-deutschen Beziehungen im Vorfeld des Referendums auf einem Tiefpunkt befinden, scheint sich die Bundesregierung mit Erdogan über die Kurdenpolitik geeinigt zu haben. Obwohl Erdogans Unterstützung für dschihadistischen Terror im Mittleren Osten seit Jahren besteht, werden die kurdischen Kräfte, die sich gegen die Barbarei des IS in Rojava/Syrien wehren, in Deutschland als terroristisch eingestuft und kriminalisiert.

Nach neuesten Informationen hat die Ordnungsbehörde eine für Samstag, 8. April, von politischen Jugendorganisationen angemeldete Demonstration gegen das PKK-Verbot verboten. Sie beruft sich dabei u.a. auf das verschärfte Fahnen- und Symbole-Verbot. Dieses Problem ist in Mannheim nicht zu lösen. Fahnen- und dann auch noch Veranstaltungsverbote sind für die durch die kriegsartigen Maßnahmen der Erdogan-Regierung in den kurdischen Gebieten aufgewühlten Menschen nicht nachvollziehbar. Heftige Auseinandersetzungen zwischen Polizei und DemonstrantInnen sind absehbar. Ich rufe alle Seiten auf, trotz der äußerst angespannten Lage das Recht auf eine friedliche Demonstration sicherzustellen und dieses Demonstrationsrecht dann auch friedlich und verantwortungsbewusst auszuüben.

Straßenauseinandersetzungen in Mannheim oder anderen Städten nutzen dem gerechten Protest nicht. Der friedliche und kreative Protest gegen Erdogan und die heuchlerische Kurdenpolitik der Bundesregierung sind wichtige Zeichen in diesen schwierigen Zeiten – sowohl für die KurdInnen als auch für die Stadtgesellschaft in Mannheim. Die Linke Mannheim distanziert sich von jeglicher Gewalt und ruft Polizei wie auch die Veranstalter der Demonstration zur Deeskalation auf. 7. April 2017

Anmerkung: Die Antifaschistische Initiative Heidelberg und der Verein Kurdischer Jugend Mannheim haben darauf verzichtet, im Eilverfahren gegen das Demonstrationsverbot zu klagen. Eine ausführliche juristische Auseinandersetzung und Zurückweisung des Verbotes soll in den nächsten Tagen erfolgen. Am Samstag, 8.4.2017, fand eine angemeldete Kundgebung in Heidelberg statt.

Am 24.3.2017 hatte die Bundestagsfraktion der Linken eine kleine Anfrage an die Bundesregierung zum Erlass des Bundesinnenministeriums vom 2.3.2017 zur Ausweitung des PKK-Verbotes gestellt.

https://www.linksfraktion.de/parlament/parlamentarische-initiativen/detail/ausweitung-des-betaetigungsverbots-der-arbeiterpartei-kurdistans/

Foto: Newroz war in diesem Jahr eine millionenfache Demonstration gegen das Verfassungsreferendum: Hayir = Nein! In vielen Städten konnten die Großveranstaltungen trotz schwerer Polizeischikanen abgehalten werden. In Diyarbakir wurde ein Jugendlicher von der Polizei erschossen. Wenige Tage später wurden zahlreiche Oppositionspolitiker zu langen Haftstrafen verurteilt, darunter der DTK-Vorsitzende Hatip Dicle, der abgesetzte Bürgermeister von Mardin Ahmet Türk und der abgesetzte Bürgermeister von Agri Sirri Sakik. Sie waren schon 1994 als HEP-Abgeordnete im türkischen Parlament verhaftet und verurteilt worden und saßen gemeinsam mit Leyla Zana zehn Jahre im Gefängnis. Rudolf Bürgel

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02-Türkei: Über 50 Tage Hungerstreik für menschenwürdige Haftbedingungen

Seit dem 15. Februar befinden sich in mindestens zwölf türkischen Gefängnissen mehr als hundert politische Gefangene der PKK im Hungerstreik und setzen ihr Leben gegen unmenschliche Haftbedingungen, die anhaltenden Militäraktionen und Verhaftungen sowie für den Erhalt demokratischer Strukturen in der Türkei ein. Darunter sind auch 17 Frauen. Sie fordern die Verbesserung der Haftbedingungen, die Beendigung der anhaltenden Festnahmen und Verhaftungen aufgrund von Meinungsäußerungen und politischer Arbeit, die Beendigung der militärischen und politischen Repression gegen die Bevölkerung sowie die Beendigung der Isolationshaft von Abdullah Öcalan. Der Hungerstreik begann im Gefängnis von Sakran (bei Izmir).

Angehörige und der Menschenrechtsverein IHD beschreiben die Zustände in der Haftanstalt:

Überfüllte Zellen ohne ausreichend Betten. In einer Zehn-Personen Zelle befinden sich 15 bis 20 Gefangene. Bei den Appellen muss strammgestanden werden und die Gefangenen müssen ein Schild mit „Terrorist“ tragen. Aus nichtigen Anlässen werden die Gefangenen gezwungen, sich zu entkleiden und werden geschlagen. In der Kinderzelle wurden im Januar sechs Kinder gefoltert. Medizinische Hilfe wird – wenn überhaupt – zu spät gewährt. Während des Arztbesuches werden die Gefangenen gefesselt. Das Recht, dass Familien, die weit entfernt wohnen, eine Besuchszeit von zwei bis drei Stunden haben, ist gestrichen worden.

Nachdem keine Reaktion von den Behörden auf die Forderungen der Gefangenen kam, beteiligen sich die inhaftierten HDP-Abgeordneten Ayhan Bilgen, Meral Danış Beştaş und Nihat Akdoğan am Hungerstreik. Ebenso traten der HDP-Vorsitzende und Abgeordneten Selahattin Dermitas und der Abgeordnete Abdullah Zedan im Gefängnis Edirne in den Hungerstreik. Dort reagierte dann die Gefängnisleitung und mit gegenseitigen Übereinkünften wurde in Edirne der Hungerstreik nach 38 Tagen beendet. Die Angehörigen, IHD, TIHV, Humans Rights Watch, Anwaltsvereinigungen, HDP und der Kurdische Nationalkongress rufen auf, sich dem Widerstand der politischen Gefangenen zuzuwenden – bevor es zu spät ist. Die Gefangenen setzen ihr Leben für die Demokratie und Menschenrechte in der Türkei ein, sie haben nur dieses eine! Rudolf Bürgel, Karlsruhe

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