Quelle: Politische Berichte Nr. 6-7, Juni/Juli 2017 • Gesamtausgabe: PDF Inhaltsverzeichnis: TXT ⯈ H O M E

RECHTS AUSSEN

01 Bundestagswahlprogramm der AfD – Restriktive nationalistische Familienpolitik – staatliche Verfolgung anderer Lebens-
konzepte

02 Nach dem Urteil zur NPD-Finanzierung neue Sanktionen gegen die VVN-BdA

nach oben

01 Bundestagswahlprogramm der AfD – Restriktive nationalistische Familienpolitik – staatliche Verfolgung anderer Lebenskonzepte

Die AfD betrachtet Kapitel 7 „Willkommenskultur für Kinder/Familien- und Bevölkerungsentwicklung“ im Bundestagswahlprogramm 2017 als „Maßstab für alle damit verbundenen Politikfelder …“ Es sei Ausdruck des nötigen Paradigmenwechsels in der Gesellschaft.

Verglichen mit dem Grundsatzprogramm von 2016 wird der Ton gegenüber Eingewanderten scharf. Angekündigt wird staatliche Überwachung und Verfolgung abweichender Lebensgestaltung – sollte die AfD Regierungsmacht bekommen.

„Die AfD stemmt sich gegen diesen Trend zur Selbstabschaffung und will Deutschlands Gesellschaft von Grund auf familien- und kinderfreundlicher gestalten. Wir wollen das Land unserer Väter und Mütter nicht irgendjemandem hinterlassen, der dieses Erbe verschleudert oder ausplündert, sondern unseren Nachkommen, denen wir unsere Werte vorgelebt und mitgegeben haben.“

Im Grundsatzprogramm will die AfD die gewünschte Geburtenentwicklung mit finanziellen Anreizen – quasi Prämien – in Gang bringen: z.B. zinslose Darlehen für Wohneigentum, deren Schuldsumme sich mit jedem Neugeborenen vermindert oder Erlass von Bafög-Schulden für Studenten, die im Studium Eltern werden. Im Wahlprogramm wird daraus ein Zwang. Der „Erhalt des Staatsvolks“ soll als Staatsziel ins Grundgesetz aufgenommen werden, was u.a. Maßnahmen zur Erhöhung der Geburtenrate Einheimischer erforderlich mache. (Pkt. 7.1)

Praktisch vorstellbar wird die Umsetzung dieser Staatsdoktrin beim Thema „Schutz des ungeborenen Lebens“. Der Arzt soll der staatlichen Meldepflicht von Abtreibungen unterliegen, und spürbare Sanktionen bei Unterlassung werden angedroht.

In den 70er Jahren gab es in der BRD eine starke Bewegung gegen den § 218, gegen staatliche Bevormundung und für Selbstbestimmung. Nach der Reform dieses Paragraphen werden Abtreibungen nicht mehr kriminalisiert. In der Möglichkeit, das Leben frei zu gestalten, gibt es gesellschaftliche Fortschritte, die aber für eine staatlich geforderte Vermehrung der Deutschen beseitigt werden müssten.

Ein anderes Beispiel, wie gesellschaftliche Emanzipation zurückgedreht werden soll, ist die geplante Wiedereinführung des Schuldprinzips bei der Ehescheidung. In Deutschland galt das Schuldprinzip bis zur Scheidungsreform 1977. Wer nach dem alten Scheidungsrecht schuldig geschieden wurde, bekam weder Unterhalt noch konnte er oder sie damit rechnen, die Kinder zu behalten. Jetzt kann eine Ehe wegen Zerrüttung beendet werden, ohne dass nach dem/der Schuldigen mit finanziell ruinösen Auswirkungen gefahndet wird. Dieses Prinzip hat positive Auswirkungen auf den – meist die – wirtschaftlich Schwächere. „Mehr Gerechtigkeit“ wird dagegen von der AfD eingefordert. Sie beklagt, dass derzeit „selbst Straftaten und schwerwiegendes Fehlverhalten gegen den Ehepartner bei der Bemessung finanzieller Ansprüche nach Trennung und Scheidung oft ohne Auswirkung bleiben.“ Eine solche Rechtsprechung fördere nicht die Stabilität von Ehen. Die stabile Ehe, Frau und Mann in ihren zugewiesenen Rollen auf Gedeih und Verderb zusammengeschweißt, um dem Zweck der Volksgemeinschaft zu dienen, das strebt die AfD an.

Eine rotes Tuch für die AfD ist auch das Gender-Prinzip: „Für ein klares Familienbild – Gender-Ideologie ist verfassungsfeindlich. Gender-Ideologie marginalisiert naturgegebene Unterschiede zwischen den Geschlechtern und stellt geschlechtliche Identität in Frage. Sie will die klassische Familie als Lebensmodell und Rollenbild abschaffen.“ (Kap. 7.5)

Franziska Schutzbach, feministische Soziologin aus der Schweiz, setzt sich mit dem Kampf der rechtskonservativen und christlich-fundamentalistischen Organisationen zum Thema Gender auseinander: „Was macht Gender derart kontrovers? Die Gender-Studies gehen davon aus, dass Geschlecht und Sexualität erst durch soziale, biologische, kulturelle und spezifisch historische Bedingtheit entstehen. Damit ist die Einsicht verbunden, dass Menschen zu bestimmten „Männern“ und „Frauen“ werden – in lebenslänglich andauernden komplexen Dynamiken, die weder auf Kultur noch auf Natur reduziert werden können. Das besagt aber auch, dass Hierarchien oder Lebensweisen nicht einfach feststehen, sondern veränderbar sind.“

Das erklärt, was die AfD nicht erträgt: Menschen ändern sich, überwinden Barrieren und das Modell der naturgegebenen Hierarchien kann sich nicht halten. Rosemarie Steffens, Langen (Hessen)

Quellen: AfD-Grundsatzprogramm, 30.4.-1.5.16; Wahlprogramm der AfD für den Bundestag 2017, vom 22./23.4.2017; Franziska Schutzbach, Gender, Feminismus und der rechtsnationale Ekel vor der „Gleichmacherei“ , 17.7.2016.

nach oben

02 Nach dem Urteil zur NPD-Finanzierung neue Sanktionen gegen die VVN-BdA

Aufgrund des Verfassungsgerichtsurteils zur NPD, in dem der Entzug staatlicher Parteienfinanzierung als Möglichkeit genannt wurde, verfassungsfeindliche Parteien zu sanktionieren, strich der Bürgermeister von Büdingen der NPD im März die Fraktionsgelder. Die NPD klagte sie wieder ein: „Der Entzug des Geldes verstoße gegen den „allgemeinen Gleichheitssatz des Grundgesetzes“, so das Gerichtsurteil.

Nun hat der Bundestag den GG-Artikel 21, Abs. 2, wie folgt ergänzt:

„Parteien, die nach ihren Zielen oder dem Verhalten ihrer Anhänger darauf ausgerichtet sind, die freiheitliche demokratische Grundordnung zu beeinträchtigen oder zu beseitigen oder den Bestand der Bundesrepublik Deutschland zu gefährden, sind von staatlicher Finanzierung ausgeschlossen. Wird der Ausschluss festgestellt, so entfällt auch eine steuerliche Begünstigung dieser Parteien und von Zuwendungen an diese Parteien.“

Ulrich Sander, Bundessprecher der VVN-BdA, verweist in einem Artikel vom 16.5.17 auf neue Kriminalisierungsversuche des Verfassungsschutzes gegenüber der antifaschistischen VVN-BdA. Der hessische Verfassungsschutz erwiderte auf die Klage von Silvia Gingold gegen ihre erneute Bespitzelung, nach einem Berufsverbot vor Jahren: Das Vermächtnis der befreiten Häftlinge, der Schwur von Buchenwald, sei Ausdruck eines „orthodox-kommunistischen“, verfassungsfeindlichen Faschismus-Verständnisses. Die Losung „Die Vernichtung des Nazismus mit seinen Wurzeln“ wird angeführt. Zu all diesen Wurzeln zähle der Kapitalismus, wie es die Dimitroff-Aussage von 1935 zeige und die VVN-BdA sei auch weiterhin „linksextremistisch beeinflusst“. Ein neuer Verfassungsschutzverbund, Zusammenschlusses von Geheimdiensten des Bundes und der Länder in Deutschland, überwache Antifaschisten überall.

Ein Beispiel von Sanktionierung der VVN-BdA mit finanziellen Auswirkungen ist folgendes: Die Vereinigung beantragte Stellen für „Bundesfreiwillige“ (Bufdi). Das Bundesfamilienministerium lehnte allerdings „aufgrund von Erkenntnissen der Sicherheitsbehörden“ ab. U. Sander sieht Parallelen dazu, dass das Bundesverfassungsgericht in seinem Freispruch für die als hundertprozentig nationalsozialistisch eingestufte NPD dazu riet, dieser verfassungsfeindlichen Partei durch die Mittelstreichung zu schaden.

Quellen: Spiegel-online 5.4.17, „Büdingen muss wieder an die NPD zahlen“, (http://www.nrw.vvn-bda.de/texte/1775_schwur.htm)

nach oben