Quelle: Politische Berichte Nr. 8, 2017 • Gesamtausgabe: PDF Inhaltsverzeichnis: TXT ⯈ H O M E

Auslandsnachrichten

01 UN-NGOs gegen Privatisierung

02 Österreich: Einigung bei Mindestlohnverhandlungen

03 Schweiz: Elektriker streiken für ihren Lohn

04 Serbien: Streik gegen Niedriglöhne

05 Südafrika: Gericht bestätigt Verbot von Leiharbeit

06 Bangladesch: Explosion in einer Textilfabrik

07 Südkorea: Verurteilung von Gewerkschaftsführern

08 Malaysia: Hotelarbeiter verteidigen Lohnrechte

09 Peru: Bergleute rufen zum nationalen Streik auf

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01 UN-NGOs gegen Privatisierung

Eine globale Koalition zivilgesellschaftlicher Organisationen und Gewerkschaften präsentiert am 10. Juli 2017 den Bericht Spotlight on Sustainable Development (Schlaglicht auf nachhaltige Entwicklung). Er erschien am Eröffnungstag des politischen Forums bei den Vereinten Nationen in New York. Das Fazit des Redaktionsteam des Spotlight-Berichts lautet: „In der 2030-Agenda verpflichten sich Regierungen zu einer revitalisierten globalen Partnerschaft zwischen den Staaten und erklärten, dass die öffentliche Finanzierung eine entscheidende Rolle bei der Erreichung der Ziele spielen muss, aber in den letzten Jahrzehnten hat die Kombination von neoliberaler Ideologie, Lobbying, regressiver Fiskalpolitik, Steuervermeidung und Steuerhinterziehung zu einer massiven Schwächung des öffentlichen Sektors und seiner Fähigkeit geführt, wesentliche Güter und Dienstleistungen zur Verfügung zu stellen. Die gleichen korporativen Strategien und Steuer- und Regulierungspolitik, die zu dieser Schwächung geführt haben, haben eine beispiellose Anhäufung von individuellem Vermögen und eine zunehmende Marktkonzentration ermöglicht. Daher ist es höchste Zeit, diesen Trends entgegenzuwirken, den öffentlichen Raum zu bekräftigen und mutige Maßnahmen zu ergreifen, um die öffentlichen Finanzen zu stärken, die ÖPP zu regulieren oder abzulehnen und den Griff der Unternehmensmacht auf das Leben der Menschen zu schwächen. Kurz gesagt, um Menschen vor Profit zu setzen.“ Der 160-seitige Bericht wird von einem breiten Spektrum zivilgesellschaftlicher Organisationen und Gewerkschaften unterstützt und basiert auf Erfahrungen und Berichten nationaler und regionaler Gruppen und Koalitionen aus allen Teilen der Welt. Der Spotlight Report wird vom Arab NGO Network for Development, dem Zentrum für wirtschaftliche und soziale Rechte, Entwicklungsalternativen mit Frauen für eine neue Ära, Global Policy Forum, Public Services International, Social Watch, Gesellschaft für Internationale Entwicklung und Third World Network und von der Friedrich-Ebert-Stiftung unterstützt. www.world-psi.org 21.7.2017

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02 Österreich: Einigung bei Mindestlohnverhandlungen

Gute Nachrichten für die rund 15 000 Assistentinnen und Assistenten von Rechtsanwälten in Wien: Ihr kollektivvertragliches Mindestgrundgehalt wird ab 1. Oktober 2017 auf 1500 Euro erhöht, darauf haben sich die Rechtsanwaltskammer Wien und die Gewerkschaft der Privatangestellten, Druck, Journalismus, Papier (GPA-djp) geeinigt. „Wir haben heuer schon in einigen Branchen ein Mindestgrundgehalt von 1500 Euro erreicht, aber dieser aktuelle Abschluss ist ein Meilenstein, der mich im Sinne der Betroffenen besonders freut: diese Einigung bedeutet eine Valorisierung des Mindestlohns nach fast zehn Jahren“, kommentiert Karl Dürtscher, stv. Bundesgeschäftsführer der GPA-djp. „Unser Ziel bleibt ein bundesweiter Kollektivvertag, um dieses Mindestgrundgehalt flächendeckend zu erreichen – die Wiener haben hier absolute Vorbildwirkung.“ Auch Rechtsanwaltskammer Wien Präsident Michael Enzinger zeigt sich über die Einigung und die ausverhandelten Verbesserungen sowohl für Dienstgeber als auch Dienstnehmer erfreut: „Es ist ein wichtiger Schritt, dass der bestehende Kollektivvertrag auf den von der Regierung geforderten Mindestlohn erhöht wurde.“ http://www.oegb.at 25.7.2017

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03 Schweiz: Elektriker streiken für ihren Lohn

Seit dem 26.7.2017 streiken die Elektriker der Firma Lassueur in Yverdon (Kantons Waadt). Sie haben die Räumlichkeiten des Unternehmens besetzt und fordern ausstehende Lohnzahlungen von 70 000 Franken (63 000 Euro) ein. Die acht betroffenen Elektriker werden von der Gewerkschaft Unia unterstützt. Sie sind bereit, den Streik weiterzuführen, um zu ihrem Recht zu kommen. Unterdessen fanden Gespräche mit der Firmenleitung statt. Diese wurden aber unterbrochen, weil die Firma keine glaubwürdigen Vorschläge machte. Seit letztem März verzögert sich die Auszahlung der Löhne, Überstunden und Sozialversicherungsbeiträge. Mehrere Beschäftigte haben die Firma bereits verlassen, ohne ihr Geld erhalten zu haben. Die Unia und die Lassueur-Angestellten verlangen, dass die ausstehenden Verpflichtungen bis Ende der Woche beglichen werden. www.unia.ch, 26.7.2017

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04 Serbien: Streik gegen Niedriglöhne

Rund 2 000 ArbeiterInnen an Fiat-Chryslers (FCA) serbischen Standort in Kragujevac sind seit 27. Juni 2017 im Streik. Sie fordern eine Anhebung der monatlichen Durchschnittslöhne auf 50 000 Dinar (knapp 400 Euro), die Anhebung der Mindestlöhne von derzeit 240 Dinar (= 2 Euro) auf 290 Dinar (= 2,40 Euro) pro Stunde, Überstundenzuschläge sowie die Übernahme der Fahrtkosten durch den Arbeitgeber. Die internationale und europäische Gewerkschaftsbewegung unterstützt den Streik bei FCA Serbien, der als Test für die Durchsetzung von fairen Löhnen und besseren Arbeitsbedingungen an den Standorten von Automobilherstellern in Ost- und Südosteuropa gilt. Die Ursache des Arbeitskampfs liegt vor allem an der miserablen Entlohnung von derzeit 300 Euro, die aufgrund steigender Lebensmittelpreise und Steuern in Serbien nicht zum Leben reichen, sowie der Verdichtung der Arbeit durch Personalabbau. Letztes Jahr wurden 700 Arbeiter, eine ganze Schicht, entlassen. Die nunmehr auf 2.500 reduzierte Belegschaft sieht sich dadurch mit steigender Arbeitsbelastung durch immer mehr Aufträge konfrontiert, was nur mit 60 Stunden Arbeitszeit pro Woche zu bewältigen ist. Fiat produziert in Kragujevac über 400 Fahrzeuge täglich. Die Auswirkungen des Streiks sind bereits spürbar, nach Medienberichten wurden rund 4 000 Fiat 500L-Modelle weniger produziert. Dennoch weigert sich das Management auf die Forderungen einzugehen und verlangt als Bedingung für Verhandlungen die Beendigung des Streiks. Bereits kurz nach Beginn des Streiks drohte das FCA-Management, dass Fiat sich aus Serbien zurückziehen werde und das Werk in Kragujevac schließen wolle. Die serbische Premierministerin Ana Brnabic soll nach Angaben der Presseagentur Tanjug daraufhin selbst nach Kragujevac gefahren sein, um Druck auf die Arbeiter auszuüben und sie zur Beendigung des Streiks zu bewegen. Ziel der Regierung ist, Schaden durch Arbeitskämpfe für den Investitionsstandort Serbien abzuwenden, der bisher durch Billiglöhne gepunktet hat. Die Arbeiter werden von zwei Gewerkschaften im Werk vertreten, der Gewerkschaft der Autonomen Metallarbeitergewerkschaft Serbiens (SSMS) und der Industrie-, Bergarbeiter- und Energiegewerkschaft (GS IER), die auch gemeinsam das Streikkomitee koordinieren. Das FCA-Werk ist ein wichtiger Wirtschaftsfaktor in Serbien und Kragujevac seit Jahrzehnten das Zentrum der serbischen Automobilindustrie. Seit den 1950er Jahren wurden hier, zuerst mit Lizenz von Fiat und später als unabhängige Marke, die bekannten Zastava-Modelle hergestellt. Während des Krieges Ende der 90er Jahre wurden die Produktionsanlagen vollständig zerstört. 2008 schloss Fiat einen Zehn-Jahres-Vertrag mit der serbischen Regierung und investierte rund eine Milliarde in den Wiederaufbau der Produktion. Heute gehörten 67 Prozent von FCA Fiat-Chrysler und 33 Prozent dem serbischen Staat. www.proge.at18.7.2017

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05 Südafrika: Gericht bestätigt Verbot von Leiharbeit

Nach einer längeren Kampagne hat die südafrikanische Metallgewerkschaft NUMSA vor Gericht einen Erfolg erzielt: Der Labour Appeals Court (LAC) – eine Art höchstinstanzliche Berufungskommission der Arbeitsgerichtsbarkeit, deren Mitglieder unter anderem vom Staatspräsidenten ernannt werden – behandelte den Fall des Zeitarbeit-Unternehmens Assign Services, das einen eigenen Weg zur Umgehung der gesetzlichen Bestimmungen gefunden hatte. Da das Gesetz in Südafrika eine dreimonatige Obergrenze für Leiharbeit vorsieht, hatte das Unternehmen das Konstrukt „doppelte Beschäftigung“ entwickelt, demzufolge die Leiharbeiter sowohl bei ihm, als auch beim ausleihenden Unternehmen gleichzeitig beschäftigt seien – was der LAC nunmehr als ungesetzlich beurteilt hat und entsprechende Konsequenzen angeordnet. Der Generalsekretär der NUMSA, Irving Jim, sagte auf der anschließenden Pressekonferenz, dieses Urteil sei ein Sieg der Arbeiter. Die NUMSA hatte den Gang zur Justiz mit einer massiven Kampagne begleitet, in der deutlich gemacht wurde, dass solche Konstruktionen das Gesetz umgehen – ein Gesetz, das die NUMSA bekämpft, weil sie grundsätzlich für das Verbot der Leiharbeit eintritt. http://www.industriall-union.org 24.7.2017

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06 Bangladesch: Explosion in einer Textilfabrik

In der Multifabs Ltd. Fabrik in Bangladesch explodierte am Dienstag, 4. Juli, ein Heizungskessel. Dabei wurden mindestens zehn Menschen getötet und viele weitere verletzt. Die Explosion war so heftig, dass Teile der Fabrik einstürzten. Die Fabrik ist Teil des Abkommens für Brandschutz und Gebäudesicherheit (Accord). Die Kampagne für Saubere Kleidung (CCC) ruft daher die am Accord beteiligten Unternehmen dazu auf, die Sicherheitsprüfung von Heizungskesseln sofort in die Sicherheitsinspektionen der Fabriken mitaufzunehmen. Erste Nachforschungen ergaben, dass folgende Unternehmen Einkäufer bei Multifabs Ltd. sind: Aldi Nord, Aldi Süd, Metro AG, Takko, Dansk Supermarked, Lindex, Stockmann. Weitere Unternehmen, die die Fabrikwebseite als Kunden aufführt, sind: Gorfactory, HFG, Hubermasche, Littlewoods, Mitsubishi Corporation Fashion, Newbody, Rex Holm, ScanWear, Seppälä und Zolla. Der tragische Vorfall verdeutlicht, welche Gefahr durch die mangelhafte Wartung und Überprüfung von Heizungskesseln ausgeht. Die Prüfung von Heizungskesseln ist bisher nicht Teil des Accord on Fire and Building Safety. Dieser sieht bisher nur vor, dass der Heizungskesselraum feuersicher und vom Rest der Fabrik getrennt sein muss. Feuersichere Heizungsräume allein reichen nicht aus, denn die Explosion eines defekten Heizungskessels, wie bei Multifabs am Dienstag kann so heftig sein, dass Wände einbrechen und sich so das Feuer ungehindert ausbreiten kann. Die NGOs, darunter die CCC, die als Zeuginnen die Umsetzung des Accord begleiten, sprechen sich seit 2014 für eine Erweiterung der Inspektionen aus, um auch Heizungskessel mit abzudecken. Es sollte nicht immer erst zu tragischen Unfällen wie Rana Plaza und Tazreen in der Textilindustrie kommen, bevor Unternehmen Maßnahmen für mehr Sicherheit in den Fabriken einleiten. www.saubere-kleidung.de 5.7.2017

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07 Südkorea: Verurteilung von Gewerkschaftsführern

In Südkorea sind drei inhaftierter Gewerkschaftsführer am Standort Pohang der südkoreanischen Bauarbeitergewerkschaft KPCWU in erster Instanz verurteilt worden. Die drei Gewerkschaftsführer wurden im Januar 2017 vorläufig festgenommen. Sie waren der Verkehrs- sowie der Geschäftsbehinderung angeklagt. Darüber hinaus wurde ihnen vorgeworfen, gegen das Versammlungs- und Demonstrationsgesetz verstoßen zu haben. Der Sektor-Präsident der KPCWU, Jwa Cheol-seok, wurde zu einer einjährigen Haftstrafe und der stellvertretende Sektor-Präsident, Yu Yeong-guk, zu einer Gefängnisstrafe von zehn Monaten verurteilt. Der Generalsekretär Hwang Bong-u, wurde zu einer zehnmonatigen Gefängnisstrafe verurteilt. Der Vollzug dieses Urteils wurde für zwei Jahre ausgesetzt. „Die BHI war schon immer der Ansicht, dass es sich hierbei um politisch motivierte Angriffe auf die südkoreanische Gewerkschaftsbewegung handelt“, so BHI-Generalsekretär Ambet Yuson. „Wir fordern Südkoreas neuen Präsidenten Moon Jae-in dazu auf, unmittelbar die Aufhebung dieser ungerechten Urteile gegen die Funktionäre der KPCWU anzuordnen. Es ist Zeit, mit der Ära der früheren Präsidentin Park Geun-Hye zu brechen und die Gewerkschaftsrechte nun endlich anzuerkennen.“ www.bwint.org/de 18.7.2017

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08 Malaysia: Hotelarbeiter verteidigen Lohnrechte

Als die Regierung im Jahr 2012 ein neues Mindestlohngesetz einführte, reagierte der Arbeitgeberverband des Hotels mit dem Versuch, die Verteilung der Servicegebühren an die Arbeitnehmer zurückzuziehen und stattdessen die Servicegebühren dazu zu verwenden, um die neuen Mindestlohnanforderungen zu erfüllen. Mehrere Hotelketten – angeführt von Shangri-La Hotels & Resorts – haben versucht, Änderungen der Tarifverträge zu erzwingen, um die Dienstleistungsverteilung als Teil der Entschädigung der Hotelarbeiter zu beseitigen und sie als Einnahmen zu behalten. Dieses sogenannte „Saubere-Lohn“-System war in der Tat eine schmutzige Taktik, um Geld von den Arbeitern zu nehmen, und damit den Unterschied zu zahlen, der benötigt wird, um den neuen Mindestlohn zu erfüllen. Die Gewerkschaften starteten eine gemeinsame Kampagne gegen diesen Lohndiebstahl. In einem landesweiten Urteil hat das Bundesgericht nun eine Entscheidung des Industriegerichtshofs bestätigt, dass den Hotelarbeitern die Mindestlöhne entsprechend der Mindestlohnordnung 2012 über die erbrachte Dienstleistungsgebühr hinaus bezahlen werden müssen und dass 90 Prozent des Dienstleistungsaufwands an die Beschäftigten zu entrichten sind. Diese Entscheidung ist rückwirkend bis Oktober 2013. www.iuf.org 25.0.2017

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09 Peru: Bergleute rufen zum nationalen Streik auf

Mehr als 50 Bergarbeiter-Gewerkschaften haben am 20. Juli, wie vom Nationalen Verband der Bergarbeiter, Metallarbeiter und Stahlarbeiter vorgeschlagen, Streikmaßnahmen angekündigt. Die Gewerkschaft widersetzt sich der Gesetzgebung der Regierung von Pedro Pablo Kuczynski, die beispielsweise kollektive Entlassungen erleichtert und Abfindungen um 50 Prozent verringert. Die Bergleute sagen, dass die Reform auch ihre Kontrolle über die Gesundheits- und Sicherheitsbedingungen einschränken wird, die Tarifverhandlungsrechte angreift und das Recht auf Streik. Die Bergleute fordern die Aufhebung von Vorschriften, die die Verfolgung von Gewerkschaftsführern und Outsourcing ermöglichen. Sie sagen, dass die Regierung prekäre Arbeit durch die Einführung dieser Maßnahmen fördert. Neben dem Streik veranstalteten die FNTMMSP und ihre Tochtergesellschaften am 21. Juli einen Marsch durch das Zentrum von Lima. Peru ist der weltweit zweitgrößte Silberhersteller, der drittgrößte Produzent von Kupfer und der fünftgrößte Goldproduzent. Bergbau ist der Schlüssel für die Wirtschaft und macht 60 Prozent der Exporte aus. http://www.industriall-union.org 24.7.2017

Zusammegestellt von Edith Bergmann