Quelle: Politische Berichte Nr. 8, 2017 • Gesamtausgabe: PDF Inhaltsverzeichnis: TXT ⯈ H O M E

Neu bei Rosa Luxemburg Stiftung: Horst Kahrs, Die Landtagswahlen 2014-2017: Bewegung und Stabilität in den regionalen Parteisystemen und das Wahlverhalten von Arbeitern

In der Einführung schreibt der den Lesern der Politischen Berichte bekannte Autor von Wahlnachtberichten Horst Kahrs ihn hätten im Rückblick mehrere Fragen interessiert. Wir zitieren einige und fügen dazu zusammengefasst jeweils seine Antworten ein. Die mit ausführlichen Grafiken und Tabellen belegte Untersuchung kann bei www.rosalux.de oder bei www.horstkahrs.de als Pdf-Datei heruntergeladen werden:

Was sagen die Landtagswahlergebnisse hinsichtlich der Annahme, dass die Offenheit der Wahlberechtigten für andere Parteien zunimmt und auch der tatsächliche Wechsel (Volatilität)? Gibt es eine politische Richtung, in die Offenheit und Volatilität tendieren?

Antwort: „Bei allen zwölf Landtagswahlen seit der Bundestagswahl 2013 sinkt der Anteil der Stamm- bzw. Wiederwählerinnen und -wähler, hierunter auch der Anteil derjenigen, die immer die gleiche Partei wählen. Die Bereitschaft, die Parteipräferenz zu wechseln steigt, die Offenheit für andere Parteien wächst, die Parteibindung bzw. die Haltung, dass man nur auf eine bestimmte Partei vertrauen kann, nimmt ab.“

Trifft die Annahme zu, dass es der AfD gelungen ist, die „Abgehängten“ zu mobilisieren?

Antwort: „Nimmt man die Beteiligung an Bundestagswahlen als Maßstab für die Verbreitung des allgemeinen wahlpolitischen Interesses in der Bevölkerung, so kann, jenseits von Einzelfällen, nicht von einer generellen Mobilisierung von Dauernichtwählern durch die AfD, von einem Einbruch ins „Lager der Nichtwähler“ gesprochen werden. Die jüngsten Landtagswahlen waren, um mit dem Titel einer Studie der Bertelsmann-Stiftung zur NRW-Wahl zu sprechen, „populär“, blieben aber sozial „prekär“. Die Schere in der Wahlbeteiligung geht weiter auseinander und damit der Umschlag von sozialer Ungleichheit in politische Ungleichheit.“

Trifft es zu, dass vor allem die AfD Nichtwähler erreichte? Wer profitierte von der ab 2016 gestiegenen Wahlbeteiligung?

Antwort: „Die Parteien links der Mitte können seit Jahren (hier: ab 2013) nur unterdurchschnittlich vormalige Nichtwähler für sich begeistern.Für die Parteien „rechts der Mitte“ zeigt sich im gesamten Zeitraum seit der Bundestagswahl – mit Ausnahme der Bürgerschaftswahl in Hamburg – eine stärkere Mobilisierung von früheren Nichtwählern als bei Linke, SPD und Grünen zusammen – auch hier gibt es für einzelne Parteien bei einzelnen Wahlen Ausnahmen. Die Linke schnitt unter ehemaligen Nichtwählern – Ausnahme: Hamburg – regelmäßig schlechter ab als im Wahlergebnis insgesamt.“

Ist die AfD die neue Arbeiterpartei? Wie setzen sich die Stimmen für die AfD sozial und politisch zusammen?

Antwort: „Die diversen Untersuchungen zur sozialen Zusammensetzung der AfD-Wählerschaft vermitteln ein uneinheitliches Bild – je nach Zeitpunkt der Erhebung. Offensichtlich verändert sich die Anhängerschaft je nach politischer Konjunkturlage. Gleichwohl: die Unterschiede bilden ein Spektrum ab, welches für eine national-populistische Partei erreichbar ist, in der Sprache der Wahlforscher: ein „Potenzial“.“

Was wählen überhaupt „Arbeiter“? Um diese Frage beantworten zu können, ist eine längere Beschäftigung mit der Frage notwendig, wer das in den Statistiken überhaupt ist: „Arbeiter“. Untersucht wird dann das aktuelle Wahlverhalten von erwerbstätigen Arbeitern vor historischem Hintergrund.

Antwort: „Grundsätzlich gilt: Der Zusammenhang zwischen sozialer Lage, sozialem Status, ideologischer Orientierung („politischem Milieu“) einerseits und aktuellem Wahlverhalten andererseits wird lockerer. Konnte man bei Landtagswahlen vor 30 oder 40 Jahren mit einer Wahrscheinlichkeit von über 50% „vorhersagen“, dass ein „Arbeiter“ die SPD wählen würde, so trifft das in der Gegenwart für Parteipräferenzen nicht mehr zu.“

Zum Schluss wird gefragt, wie sich die Verankerung und Mobilisierungsfähigkeit der Linkspartei in den Ländern in den vergangenen zehn Jahren verändert hat.

Antwort: „In allen Bundesländern, in denen nach der letzten Bundestagswahl Länderparlamente gewählt wurden, hatte Die Linke gegenüber der Bundestagswahl zum Teil deutliche Wähleranteile verloren.“

Und als interessanter Hinweis: „Am Beispiel NRWs wird deutlich: die gestiegene Wahlbeteiligung geht an der Linken vorbei, die Stimmengewinne sind dort stärker, wo die Partei bei der Wahl 2012 auch stärker war.“ Die Linke profitiert nicht von starken Verlusten der SPD, im Gegenteil: je höher die SPD-Verluste, desto niedriger die Gewinne für Die Linke. Anders bei den Grünen: hier gibt es einen starken Zusammenhang – je höher die Verluste der Grünen, desto stärker die Gewinne für Die Linke.

Abb. (PDF):Titel der Broschüre