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Quelle: Politische Berichte Nr. 9, 2017 • Gesamtausgabe: PDF Inhaltsverzeichnis: TXT ⯈ H O M E

Frankreich: Regierung legt Text zum Arbeitsgesetz vor

Die Konsultationen der Regierung mit Gewerkschaften und Arbeitgeberverbänden über die Lockerung und Flexibilisierung des Arbeitsgesetzes sind abgeschlossen. Am 31. August stellt die Regierung dem Staatsrat, dann Gewerkschaften und Arbeitgeberverbänden und schließlich den Medien den kompletten Text vor. Ende September kann die Verordnung dann in Kraft treten.

Aspekte aus gewerkschaftlichen Stellungnahmen:

Das französische Arbeitsrecht kennt im wesentlichen drei Modelle von Arbeitsverträgen: den befristeten Vertrag CDD (contrat à durée déterminée), den unbefristeten CDI (durée indeterminée) und schließlich den Ersteinstellungsvertrag CPE (contrat première embauche), der Kündigungen nur geringe Hindernisse in den Weg legt. 85 % der Arbeitsverträge in Frankreich sind unbefristete CDI. Aber mehr als 85 % der Neueinstellungen erfolgen nur noch als befristete CDD. Lediglich 20 % der befristet Eingestellten werden innerhalb von drei Jahren in unbefristete Arbeitsverhältnisse übernommen. (vgl. PB 6-7/2017) Diese Situation ist besonders für die junge Generation schwierig. Die Arbeitslosenrate bei jungen Leute ist nach wie vor unerträglich hoch. Und CDD heisst für sie auch, dass eine eigenständige Existenz kaum möglich ist. Mietverträge – vor allem in den Ballungsräumen – können ohne unbefristeten Vertrag CDI nicht abgeschlossen werden, die Eltern müssen oftmals als Bürgen einspringen. Kreditaufnahme, Autokauf oder der Abschluss bestimmter Versicherungen sind nur mit CDI möglich. Und auch im gesellschaftlichen Ansehen macht erst der CDI den Bürger zum vollwertigen französischen Citoyen. Auch deswegen sind die Gewerkschaften an diesem Punkt besonders sensibel.

Véronique Descacq, stellvertretende Generalsekretärin der CFDT, äußerte sich nach der letzten Gesprächsrunde mit der CFDT am 21. August zur zukünftigen Behandlung der verschiedenen Sorten Arbeitsverträge: unbefristete Verträge sollen weiterhin durch gesetzliche Regelungen gesteuert werden. Beim Baugewerbe kann sich die CFDT branchenbezogene Regelungen der Befristungen vorstellen wie auch eine Flexibilisierung zwischen den unterschiedlichen Vertragsmodellen je nach Branche. Sie kritisiert, dass die bisher vorgestellten Modelle nicht für kleine Betriebe gelten sollen. Da zwei Drittel der Beschäftigten in kleinen Betrieben arbeiten, könne man sich keine „kleinen Rechte“ vorstellen!

Die CFDT verlangt von der Regierung, die Akteure im Wirtschaftsgeschehen und den sozialen Dialog zu stärken: einen tieferen Austausch über ökonomische Fragen, eine transparente Informationspolitik, das Nutzen von Fachwissen und die Fortbildung der gewählten Vertreter und Mandatsträger.

Force ouvriere (FO) teilte am 25. August mit, dass nach Abschluss der Gespräche am 24. August eine Vielzahl von Punkten durch die Regierung noch nicht geklärt seien. Jean-Claude Mailly (FO) begrüßte, dass die Bedeutung der Branche erhalten bleiben bzw. die Branchen gestärkt werden sollen. Sofern befristete Verträge zukünftig nicht mehr ausschließlich gesetzlichen Regelungen unterliegen, soll nach Ansicht von FO die Branche und nicht der Betrieb für die Regelung zuständig sein.

Cécile Rousseau (CGT) teilte nach Abschluss der Konsultationen am 24. August in der l‘Humanité mit, dass die CGT zu Streiks und Demonstrationen mobilisiert. Die CGT kritisiert u.a. das Ende des Günstigkeitsprinzips, das festlegt, dass die günstigste Regelung zwischen dem Unternehmen und dem Branchenvertrag angewandt wird. Bereits im Juli hatte die CGT ihr Resümee gezogen: Das neue Arbeitsrecht sei „Deregulierung, Flexibilität und Prekarität auf allen Etagen“. Die „geplanten Maßnahmen sind alle regressiv und maßgeschneidert, um den Anforderungen des Arbeitgebers gerecht zu werden: mehr Flexibilität, mehr Prekarität, weniger Löhne …“ Am 12. September soll der Widerstand auf die Straße. Wird es Macron gelingen, anders als seinem Vorgänger Hollande, Reformen am Arbeitsmarkt anzustoßen und die dafür nötige Unterstützung zu finden? Matthias Paykowski, Karlsruhe