Quelle: Politische Berichte Nr. 9, 2017 • Gesamtausgabe: PDF Inhaltsverzeichnis: TXT ⯈ H O M E

Auslandsnachrichten

01 Großbritannien: Erster Streik bei McDonalds

02 Großbritannien: Streik der Krankenhaus-Reinigungskräften

03 Frankreich: Deliveroo-Widerstand gegen „neues Vertragsmodell“

04 Österreich: Air-Berlin-Betriebsrat verlangt Mitgestaltung

05 Weißrussland: Regierung gegen unabhängige Gewerkschaften

06 Kenia : Streik der Krankenschwestern

07 Israel: Streikverbot in staatseigene Unternehmen

08 Indonesien: 4200 streikende Bergarbeiter entlassen

09 Malaysia: 13-jährigen Kampf für Tarifrechte gewonnen

10 Kambodscha: Kampf für verlorene Löhne

11 Kanada: Unterstützung für streikende Bodenabfertiger

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01 Großbritannien: Erster Streik bei McDonalds

In zwei McDonalds-Lokalen hatten die Belegschaften dem Aufruf der Gewerkschaft BFAWU (Bakers, Food and Allied Workers Union) Folge geleistet und mit erstaunlichen 95,7% für den Streik gestimmt, der nun in den Filialen in London und Cambridge am 4. September 2017 stattfinden wird – der erste Streik in britischen McDonalds-Unternehmen überhaupt. Am 4. September findet außerdem ein nationaler Aktionstag Tag der Gewerkschaft für eine Fast Food Rights Kampagne statt. Zu den Rednern gehören Jeremy Corbyn und John McDonnell. Die Forderungen in der Streikabstimmung waren vor allem ein betrieblicher Mindestlohn von 10 Pfund Sterling (10,85 Euro) und die endgültige Abschaffung der sogenannten Nullstundenverträge (bei denen man zwar beschäftigt ist, aber niemals weiß, ob und wie viele Stunden in der nächsten Woche gearbeitet werden sollen), sowie die Anerkennung der Gewerkschaft. Die erste Reaktion des Unternehmens auf die Streikabstimmung: Die Zusicherung, die Nullstundenverträge würden noch in diesem Jahr landesweit abgeschafft. fastfoodrights.wordpress.com, 21.8.2017

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02 Großbritannien: Streik der Krankenhaus-Reinigungskräften

Am 17. Juli traten die rund 750 Reinigungskräfte von vier Londoner Krankenhäusern erstmals in den Streik – eine Woche lang, bis die Unternehmensleitung von Serco zu Verhandlungen mit der Gewerkschaft Unite bereit war. Serco ist das Unternehmen, das von dem entsprechenden Bezirk des Nationalen Gesundheitsdienstes NHS beauftragt wurde, die Reinigung der vier Hospitäler zu übernehmen – ein Vertrag für den Serco 600 Millionen Pfund Sterling erhält. Die Verhandlungen blieben ohne Ergebnis, weswegen der Streik wiederaufgenommen wurde. Die Streikenden, in ihrer Mehrheit Frauen, die aus Westafrika stammen, wehren sich vor allem gegen ständig wachsende Arbeitsintensität. Die Forderungen sammeln sich in einer Lohnerhöhung um 30 Pence (auch, um nicht mehr so viele Überstunden machen zu müssen – um „etwas Leben zu haben“, wie es eine Streikende ausdrückt). www.theguardian.com, 1.8.2017

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03 Frankreich: Deliveroo-Widerstand gegen „neues Vertragsmodell“

Seit März hatte es bereits in verschiedenen französischen Städten Proteste und Aktionen der FahrerInnen von Deliveroo gegeben, einschließlich etwa der Gründung einer Gewerkschaftssektion der CGT in Bordeaux. Mit der Offensive der Unternehmensleitung für eine grundlegende Veränderung des Vertragssystems, hin zu einer Bezahlung nach einzelnen Fahrten, ist diese Unzufriedenheit massiv geworden. Wobei der Kampf zunächst einmal gar nicht darum geht, überhaupt das Vertragssystem in Frage zu stellen, sondern Widerstand gegen einseitige Diktate zu leisten. Denn viele der rund 7.500 Fahrrad-Kuriere sehen dies als zeitweisen oder Zusatzverdienst an, und eine Festanstellung eher als eine Einschränkung der eigenen Entscheidung über Arbeitszeiten. Die Protestbewegung der französischen Deliveroo-Beschäftigten, bei der die Aktiven schlicht 7,50 Euro/Fahrt fordern, hat mit der Protestkundgebung in Paris vom 11. August 2017 einen ersten Höhepunkt erlebt. CGT, SUD Commerce 14.8.2017

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04 Österreich: Air-Berlin-Betriebsrat verlangt Mitgestaltung

„Nach der Insolvenz von Air Berlin gibt es viel Frust und Wut. Die Air Berlin muss handeln, aber es geht um viel mehr als darum, Gläubiger zu befriedigen – es geht um unsere Arbeitsplätze. Egal, wie das weitere Szenario ausschauen wird, wir sind auf alle Eventualitäten vorbereitet“, informierte Stefan Tankovits, Betriebsratsvorsitzender der NIKI Luftfahrt GmbH, rund 200 Beschäftigte bei der Betriebsversammlung am Flughafen Schwechat. „Wir haben unsere Lektion mit TUI im Vorjahr gelernt, wir wissen jetzt, dass die Arbeitsplatzgarantie nichts anderes als eine Beruhigungstablette war. Wir gehen alles andere als naiv in die jetzt notwendigen Gespräche, unsere Forderungen liegen auf der Hand: oberstes Ziel ist der Erhalt aller Arbeitsplätze in der Quantität und Qualität.“ Die Mehrheit der NIKI-Maschinen ist in Deutschland stationiert, am Flughafen Düsseldorf fanden zwei weitere Betriebsversammlungen statt, bei denen Mitglieder des Betriebsrats ihre KollegInnen über die aktuelle Situation informierten und mit vielen Fragen zu Übernahmeszenarien konfrontiert waren. www.oegb.at 18.8.2017

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05 Weißrussland: Regierung gegen unabhängige Gewerkschaften

Am 2. August wurden Gennady Fedynch, Vorsitzender der Radio- und Elektrogewerkschaft REP und Ihar Komlik, REP Chefbuchhalter und Vorsitzender der REP in der Stadt Minsk sowie einige weitere Beschäftigte von weißrussischen Behörden festgehalten und verhört. Gegen beide Gewerkschaftsführer wird nun wegen angeblichen Steuerhinterziehung in größerem Umfang ermittelt. Sie riskieren drei bis fünf Jahre Gefängnis. Ihar Komlik ist seit dem 2. August weiterhin im Gefängnis. Die Anschuldigungen der Steuerhinterziehung beziehen sich auf solidarische Unterstützungsbeiträge, die die Gewerkschaft 2011 erhalten hat. Diese Beträge können nicht als Privatkapital betrachtet werden. IndustriALL und der Internationale Gewerkschaftsbund fordern die sofortige Freilassung von Ihar Komlik sowie die Beendigung seiner und Gennady Fedynchs strafrechtlicher Verfolgung. www.labourstartcampaigns.net, 21.8.2017

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06 Kenia: Streik der Krankenschwestern

Seit rund zwei Monaten dauert nun der Streik von knapp 26 000 Krankenschwestern Kenias an – wie schon beim ebenfalls monatelangen Streik der Ärzte ab Dezember 2016 geht es schlicht darum, dass ein von der Regierung – beziehungsweise deren Vertretern – unterzeichnetes Tarifabkommen endlich umgesetzt wird. Dieser Tarifabschluss aber, und das wird nun immer deutlicher, wurde Ende 2016 auch deswegen getätigt, weil die Zentral- und Provinzregierungen einen weiterhin gemeinsamen Streik von Ärzten und Krankenschwestern verhindern wollten. Nach dem Ausgang des Ärztestreiks, der mit einem bedeutenden Teilerfolg der Streikenden endete, mehrten sich die Stimmen von offizieller Seite – vor allem eben der Provinzregierungen – die den Abschluss mit der Krankenschwestergewerkschaft „zu hoch“ fanden. Der „Streik für die Verwirklichung des Abkommens von 2016“ an den Provinzkrankenhäusern werde fortgesetzt, bis dieses geschehe, so die Gewerkschaft KNUN. In der KNUN haben jene Kräfte, die Ende letzten Jahres für den Abschluss eintraten – damals sehr umstritten – an Einfluss verloren. http://allafrica.com, 7.8.2017

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07 Israel: Streikverbot in staatseigene Unternehmen

Der Hohe Gerichtshof in Israel hat eine Vorabentscheidung erlassen, dass Arbeitnehmer in staatseigenen Unternehmen nicht mehr gegen Marktreformen, die von der Regierung durchgeführt werden, streiken dürfen. Die Vorabentscheidung kippt ein früheres Urteil zum Streikrecht und kommt als Reaktion auf Arbeitskämpfe des Histadrut-Gewerkschaftsverbandes gegen die Privatisierung des öffentlich-rechtlichen Monopols, der Israel Electric Corporation (IEC), zustande. Die IEC beschäftigt 12500 Arbeiter. In den vergangenen drei Jahren hat die Regierung ein so genanntes Marktreformprogramm eingeleitet, um das staatliche Monopol auf die Stromerzeugung zu beenden. Der Privatisierungsplan bedeutet, dass das Unternehmen aufhört, Strom zu erzeugen, und seine Kraftwerke an den privaten Sektor verkauft. Die sogenannten Reformen haben bereits 800 Arbeitsplätze gekostet. Die Histadrut erwartet, dass die Privatisierung zwischen 5 000 und 6 000 Arbeitsplatzverluste bedeutet. Die Arbeiter der IEC nahmen im Juni und Juli an Arbeitskämpfen teil, einschließlich der Weigerung, Stromrechnungen auszustellen. Noch im Mai 2017 bestätigte das High Court frühere Urteile durch regionale und nationale Arbeitsgerichte zur Unterstützung des Streikrechts. Doch die Regierung legte Einspruch ein und behauptete, dass dies Streiks gegen die Regierungspolitik sind, der Streik sei politisch und daher illegal nach israelischem Arbeitsrecht. Die Regierung wurde von privaten Elektrokonzernen unterstützt.

Die Histadrut argumentierte vor Gericht, dass der Streik wirtschaftlich und daher legal und nicht politisch sei. Es sei eine legitime Verteidigung der Arbeitsbedingungen der Arbeitnehmer und das Recht der Gewerkschaft, konsultiert zu werden, bevor die sogenannten Reformen umgesetzt werden. Das Urteil wird als ein Versuch angesehen, die Position der Arbeit in der israelischen Gesellschaft grundlegend herauszufordern. Das Gericht signalisierte, dass das Recht auf Streik das Kartell- und Wettbewerbsrecht untergraben habe, was die Regierung daran hinderte, Reformen auf dem Markt zu machen. Das Ergebnis dieses Falles wird Auswirkungen auf andere öffentliche Dienste und auf das Streikrecht haben. In früheren Fällen wurde das Streikrecht vom israelischen Obersten Gerichtshof als Grund- und Verfassungsrecht aus dem Recht auf Vereinigungsfreiheit anerkannt, auch in Fällen, in denen der Streik gegen die Entscheidungen der Regierung war. Historisch gesehen gab es eine sehr enge Beziehung zwischen der Histadrut-Föderation der Arbeit und dem öffentlichen Sektor, wobei die Föderation auch eine Reihe von Unternehmen besaß. Diese Beziehung wurde sukzessive durch wirtschaftliche Liberalisierung und Änderungen des Gesetzes seit den 1980er Jahren untergraben. www.industriall-union.org, 16.8.2017

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08 Indonesien: 4200 streikende Bergarbeiter entlassen

Die Firma Freeport-McRoRan aus den USA hat innerhalb des letzten Monates 3 000 Menschen an der riesigen Grasberg Kupfer- und Goldmine in Westpapua gekündigt. Dieser Rausschmiss verstößt gegen die grundlegenden Rechte der Arbeiter, gegen die geltenden Kollektivvereinbarungen und gegen das indonesische Recht. Die Beschäftigten haben gegen die einseitige Entscheidung der Firma, sie aufgrund einer Auseinandersetzung zwischen Freeport und der Regierung Indonesiens längerfristig freizustellen, gestreikt. Der Konflikt hat sich nun nach Java ausgeweitet, wo über 300 Arbeiter eines Joint-Ventures Freeports und Mitsubishis namens PT Smelting, das Kupfer aus Grasberg verarbeitet, entlassen wurden. Bergarbeiter- und Metallgewerkschaften international verlangen von Indonesien, dass der Staat seine eigenen Gesetze vollstreckt und das Streikrecht verteidigt. www.labourstartcampaigns.net, 6.8.2017

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09 Malaysia: 13-jährigen Kampf für Tarifrechte gewonnen

Die Mitglieder der IUF-angeschlossenen National Union of Hotel, Bar und Restaurant Workers Peninsular Malaysia (NUHBRW) im Shangri-Las Rasa Sayang Resort und Spa haben ihre Tarifvereinbarung zurückgewonnen und kollektive Tarifrechte nach einem 13-jährigen Kampf wiederhergestellt. Im Dezember 2004 schlossen die Shangri-La Hotels ihr Rasa Sayang Resort in Penang für die Renovierung und eröffnete im September 2006 als Rasa Sayang Resort und Spa. Allerdings behauptete Shangri-La, dass alle Arbeiterinnen in ein „neues“ Hotel zurückkehrten. Die Löhne und Leistungen im Rahmen des bestehenden Tarifvertrags wurden nicht mehr angewandt. NUHBRW-Mitglieder starteten Protestaktionen gegen die einseitige Kündigung des Tarifvertrages und brachten den Fall an das Industriegericht. Die Gewerkschaft erzielte eine günstige Entscheidung, die die Tarifverhandlungsrechte der Gewerkschaft bekräftigte, doch Shangri-La startete einen kostspieligen Rechtsstreit, um ihre Macht zur einseitigen Auferlegung neuer Beschäftigungs-bedingungen zu behaupten. Schließlich bestätigte das Bundesgericht im April 2017 die Entscheidung des Industriegerichtshofs und befahl dem Shangri-La, die Vertragsbedingungen des Tarifvertrags rückwirkend bis 2006 wiederherzustellen. www.iuf.org, 4.8.2017

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10 Kambodscha: Kampf für verlorene Löhne

Die plötzliche Schließung einer Bekleidungsfabrik hat 208 Arbeiter in Kambodscha ohne Arbeitsplätze, Gehälter oder ihre gesetzlich geschuldeten Entschädigung gelassen. Ein Jahr später kämpfen diese Arbeiter, vor allem Frauen, immer noch um Gerechtigkeit. Die Fabrik – Chung Fai Strickwaren – machte Kleidung für Marks & Spencer (UK), Nygård (Kanada) und Bonmarché (UK). Die Arbeiter stehen vor einem langen Kampf. Sie standen für ihre Rechte auf, indem sie die Besitzer daran hinderten, die verbleibenden Vermögenswerte aus der Fabrik zu verkaufen, durch die physische Besetzung der Fabrik sowie die rechtlichen Maßnahmen. Sie haben außerhalb des Mark & Spencer-Büros in Phnom Penh vor dem Ministerium für Arbeit sowie vor dem Gericht protestiert. Sie schrieben Briefe an die Marken, mit der Bitte um Hilfe und Treffen. Nichts davon hat geholfen. Jetzt fordern die Arbeiter, unterstützt von Gewerkschaften und Arbeitsrechtsorganisationen, dass die Marken Verantwortung übernehmen und sicherstellen, dass sie ihre gesetzliche Zahlung erhalten. www.iuf.org, 4.8.2017

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11 Kanada: Unterstützung für streikende Bodenabfertiger

Arbeiter und Gewerkschaften vom internationalen Flughafen von Toronto Pearson zeigten ihre Unterstützung für die streikenden Swissport-Bodenabfertiger, indem sie am 2. August an einer Solidaritätskundgebung teilnahmen, veranstaltet vom Toronto Airport Workers Council (TAWC). Dieser Rat besteht aus Flughafenarbeitern der kanadischen Union der öffentlichen Angestellten, der Internationalen Vereinigung der Machinisten und Luft- und Raumfahrt-Arbeitnehmer, der Teamsters und Unifor und anderen. Die Swissport-Arbeiter sind seit dem 27. Juli im Streik, nachdem die Tarifverhandlungen scheiterten. Harjinder S Badial sagte: „In diesem Streik geht es um Respekt und die Solidarität von den Mitarbeitern von TAWC ist uns sehr wichtig. Es gibt eine klare Botschaft, dass wir nicht alleine in unserem Kampf sind.“ Michael Corrado, der regionale Assistent, der den Generalvorsitzenden des IAM-Transportbezirks-Hütte 140 leitet, kommentierte, dass die gezeigte Solidarität ein wichtiger Schritt zur Schaffung zivilisierter Arbeitsplätze und einer stärkeren Flughafengemeinschaft war. www.itfglobal.org, 3.8.2017

Zusammenstellung: Edith Bergmann, Hannover