Quelle: Politische Berichte Nr. 10, 2017 • Gesamtausgabe: PDF Inhaltsverzeichnis: TXT ⯈ H O M E

Aktionen - Initiativen

Auswahl: Thorsten Jannoff, Gelsenkirchen

01 DGB: Bundestagswahl 2017: Es gibt viel zu tun

02 Flüchtlingsschutz in den Koalitionsvertrag

03 AfD macht Jagd auf Demokraten zum politischen Programm

04 Die Petition: Solidarität statt Hetze – keine Zusammenarbeit mit der AfD im Bundestag

05 Jetzt erst recht! – Stellungnahme von Ulla Jelpke zum Ausgang der Bundestagswahl

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01 DGB: Bundestagswahl 2017: Es gibt viel zu tun

Das Ergebnis der Bundestagswahl markiert eine politische Zäsur. Es hat gezeigt: Viele Menschen in Deutschland sind verunsichert und enttäuscht. Für den DGB ist klar, dass es keine lange Hängepartie geben darf. Politische Reformen für eine soziale und gerechte Renten- und Bildungspolitik und Verbesserungen in der Arbeitswelt müssen jetzt dringend kommen. Die beiden Volksparteien CDU und SPD haben klar Stimmenanteile verloren. Die kleinen haben hinzugewonnen – erstmals werden sieben Parteien im Bundestag vertreten sein. Der DGB-Vorsitzende Reiner Hoffmann sagte in Berlin: „Die Abwahl der großen Koalition zeigt, dass soziale Konzepte nicht konsequent genug umgesetzt wurden“. Er forderte die Parteien auf, nun die Sorgen und Interessen der WählerInnen aufzunehmen. Das Wahlergebnis sei der Ruf nach mehr sozialem Zusammenhalt, mehr Ordnung auf dem Arbeitsmarkt und mehr Sicherheit für die Zukunft.

Mehr soziale Gerechtigkeit: „Soziale Gerechtigkeit“ laute die Antwort auf die aktuellen Entwicklungen in Wirtschaft, Gesellschaft und Arbeitswelt, stellte Hoffmann klar. Der DGB und die Gewerkschaften erwarten jetzt zügig Konzepte gegen Altersarmut, Perspektiven für prekär Beschäftigte in Minijobs, Teilzeit, Leiharbeit und befristeter Arbeit, mehr bezahlbaren Wohnraum sowie Investitionen in Bildung und Infrastruktur.

Das müsste sich – aus Sicht der Gewerkschaften – auch in den Koalitionsverhandlungen widerspiegeln. „Diese Themen sind im Wahlkampf viel zu schwach und mutlos kommuniziert worden“, so Hoffmann. In den nächsten vier Jahren müsse sich etwas tun, damit sich Leben und Arbeiten der Menschen spürbar verbessere.

Rente und Bildung wichtig: Insbesondere bei der Renten- und Bildungspolitik zeigt sich – diese sind den Menschen wichtig: 57 Prozent der WählerInnen sagen laut ARD, dass ihnen eine gute Absicherung im Alter sehr wichtig sei, für 64 Prozent ist die Bildungs- und Schulpolitik zentral. Dies müsse die künftige Bundesregierung in den nächsten vier Jahren berücksichtigen. „Wir werden alle Parteien weiterhin an ihren Inhalten messen“, so Hoffmann.

Ohne Zweifel steht fest: Es hat einen Rechtsruck im politischen System Deutschlands gegeben. Erstmals seit Jahrzehnten ist wieder eine rechte Partei mit völkischen und fremdenfeindlichen Ansichten im Bundestag vertreten. In den nächsten Jahren wird sich zeigen, dass sie keine wirksamen Konzepte für die ArbeitnehmerInnen in Deutschland hat. Im Gegenteil: Die Vorstellungen der AfD sind arbeitnehmer- und menschenfeindlich. Der DGB und die Gewerkschaften werden dies immer wieder deutlich machen.

http://www.dgb.de/themen?k:list=Politik%20%26%20Gesellschaft

Abb.: Wahlverhalten GewerkschafterInnen

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02 Flüchtlingsschutz in den Koalitionsvertrag

Amnesty International und Pro Asyl fordern die künftige Bundesregierung zum bundesweiten Flüchtlingstag am 29. September auf, menschenrechtliche Standards beim Flüchtlingsschutz einzuhalten.

Amnesty International und Pro Asyl dringen auf eine Stärkung des individuellen Asylrechts. Die beiden Organisationen kritisieren die Zusammenarbeit der EU mit Drittstaaten und die aktuellen Reformen des EU-Asylrechts. Die nächste Bundesregierung ist nun gefordert, einen Kurswechsel einzuleiten, damit schutzsuchende Menschen auch künftig noch Asyl in Europa beantragen können. Denn die Verhandlungsführung der nächsten deutschen Regierung wird maßgeblich dafür sein, ob es auf EU-Ebene einen notwendigen Wechsel gibt: Es gilt, den völkerrechtlich verbrieften Zugang für Schutzsuchende zum individuellen Asylrecht in Europa sicherzustellen und zu garantieren.

Auf nationaler Ebene sind alle demokratischen Parteien des deutschen Bundestages gefragt, sich rassistischen Parolen entschieden entgegen zu stellen. Amnesty und Pro Asyl appellieren an die Parlamentarier, ihrer menschenrechtlichen Verpflichtung nachzukommen und sich für den Schutz von Menschen auf der Flucht einzusetzen.

Amnesty International und Pro Asyl kritisieren scharf die EU-Zusammenarbeit mit Libyen sowie mit der Türkei zur Abriegelung der Fluchtwege. „Zufluchtsuchende Menschen werden im europäischen Auftrag nach Libyen zurückgebracht, in ein Land, in dem schwere Menschenrechtsverletzungen wie Misshandlungen, Folter und Vergewaltigungen an der Tagesordnung sind“, sagt Markus N. Beeko, Generalsekretär von Amnesty International in Deutschland. „In seinem aktuellen Zustand ist Libyen ein erschreckendes Beispiel für einen Staat, der keine menschenrechtlichen Standards erfüllt – die EU darf nicht darauf hinwirken, dass Menschen dorthin gebracht werden“, so Beeko. Er fordert: „Niemand darf ohne Prüfung seiner Verfolgungsgründe einfach in die Türkei oder ein anderes Nicht-EU-Land abgeschoben werden, solange ihm dort kein effektiver Schutz garantiert werden kann.“ www.amnesty.de

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03 AfD macht Jagd auf Demokraten zum politischen Programm – Rechtspopulisten werden im Bundestag weiter polarisieren und Ängste schüren

Der Wahlerfolg der AfD war absehbar. Ihre Strategie ist aufgegangen. Wie befürchtet, haben die ständigen Provokationen und Tabubrüche der AfD nicht abgeschreckt, sondern Wähler_innen mobilisiert. Das rechtspopulistische Wahlpotenzial ist in Deutschland unterschätzt worden.

Die AfD trägt Rassismus, Geschichtsrevisionismus und Nationalismus in den Bundestag. Die anderen Parteien haben an vielen Punkten in der Auseinandersetzung mit der AfD versagt. Viel zu häufig gelang es der AfD, Themen zu setzen und den Ton der Debatte zu bestimmen. Zu häufig arbeiteten sich die Parteien an den Provokationen der AfD ab, statt eigene Akzente zu setzen.

Im Bundestag ist von der AfD keine konstruktive inhaltliche Arbeit zu erwarten. Gerade als starke Oppositionspartei wird die AfD das Parlament als Instrument und Bühne nutzen, polarisieren und Ängste schüren. Das ist ihr Erfolgsrezept. Kurz nach Bekanntgabe der Ergebnisse hat AfD-Spitzenkandidat Alexander Gauland den Kampf gegen Demokrat_innen zum politischen Leitziel seiner Partei erklärt. Nichts anderes meint Gauland, wenn er mit Blick auf die kommende Bundesregierung droht: „Wir werden sie jagen!“

Mit dem Einzug in den Bundestag muss sich der Umgang mit der AfD ändern. Themen, welche die AfD bislang dominiert hat, müssen neu angepackt und besetzt werden. Dabei dürfen die Parteien nicht in die Falle tappen, aus kurzfristigen Motiven den gleichen Populismus zu bedienen. Wir wissen aus anderen europäischen Ländern, dass man im Umgang mit Rechtspopulist_innen vieles falsch machen kann und wenig richtig. Umso wichtiger ist eine klar erkennbare Strategie, die auf professionellen Umgang und klare Abgrenzung setzt. Immer noch unterschätzen die anderen Parteien die rechtspopulistische Herausforderung. Selbstzufriedenheit und Ignoranz sind angesichts dieses Wahlergebnisses fehl am Platz. Die Parteien müssen sich fragen, wie sie die Wähler_innen wieder für die Demokratie und ihre Werte begeistern können. www.amadeu-antonio-stiftung.de/start/

04 Jetzt erst recht: Bundestag Nazifrei! Petition unterschreiben

Die Kampagne „Aufstehen gegen Rassismus“ hat kurzfristig eine Petition gestartet, die sich an die Bundestagsfraktionen von CDU/CSU, SPD, Linke, B90/Grüne und FDP richtet und sie auffordert, sich klar von der AfD-Fraktion abzugrenzen und jegliche Zusammenarbeit mit ihr zu verweigern. Die Petition kann man online unterzeichnen, aber es können auch an Infoständen auf Papier Unterschriften gesammelt werden, man kann mit den Leuten ins Gespräch kommen, weiteres Infomaterial verteilen und Unterstützer gewinnen. Ziel ist es, binnen sechs Wochen 100 000 Unterschriften zu sammeln, die dann voraussichtlich in der ersten Sitzungswoche übergeben werden.

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Die Petition: Solidarität statt Hetze – keine Zusammenarbeit mit der AfD im Bundestag

Rassismus, Antisemitismus, Islamfeindlichkeit und die Verherrlichung von NS-Verbrechen dürfen in Deutschland nie wieder einen Platz haben – weder auf der Straße noch im Bundestag.

Die AfD ist eine rassistische Partei, mit der Nazis und Antisemiten in die Parlamente einziehen. In der Bundestagsfraktion stellt Höckes Nazi-Flügel die größte organisierte Strömung.

Die AfD ist undemokratisch. Demokratie bedeutet Mitsprache für alle Menschen, unabhängig ihres Aussehens, ihrer Religion, ihrer Kultur, ihres Geschlechtes, ihrer sexuellen Orientierung. Die AfD will Menschen aufgrund von solchen Kriterien entrechten und abschieben. Sie stachelt Gewalt an gegen Geflüchtete, Muslime, Antifaschist*innen und alle, die nicht in ihr Weltbild passen. Mit Demokratie hat das nichts zu tun.

Die AfD ist eine Gefahr für unsere Demokratie und die Menschen, die hier leben. Die einzige Möglichkeit diese Gefahr abzuwenden, ist die Verweigerung jeglicher Zusammenarbeit mit der AfD. Sonst werden Hass und Hetze zum Alltag im Bundestag und in der Gesellschaft.

Wir erwarten, dass die Fraktionen von CDU/CSU, SPD, Linke, Grünen und FDP sich klar von der AfD abgrenzen und nicht mit der AfD und ihren Abgeordneten zusammenarbeiten. Wir fordern Widerspruch gegen rassistische, gewaltverherrlichende und Hassparolen der AfD, wo auch immer sie auftauchen.

Zusammen können wir ein Zeichen setzen: Für Solidarität statt Hetze. Rassismus ist keine Alternative.

Wir ziehen die Rote Linie: Keine Zusammenarbeit mit der AfD!

Mehr Informationen: https://www.aufstehen-gegen-rassismus.de/

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05 Jetzt erst recht! – Stellungnahme von Ulla Jelpke zum Ausgang der Bundestagswahl

Die Linke konnte ihr letztes Wahlergebnis verbessern und zieht mit 9,2 Prozent leicht gestärkt in den Bundestag ein. Ihr selbst gestecktes Ziel, erneut stärkste Oppositionspartei zu werden, verfehlte Die Linke jedoch. Stattdessen zieht mit der AfD eine offen völkisch-rassistisch und geschichtsrevisionistisch auftretende Fraktion rechts der Union mit fast 13 Prozent der Stimmen in den Bundestag ein.

Der Erfolg der AfD straft all jene Strategen der Unionsparteien Lügen, die hofften, durch eine flüchtlingsfeindliche Politik Rechtsaußen wieder Stimmen gut zu machen. Wer rechts wählen wollte, wählte lieber das Original.

Das politische Klima wird sich durch den Einzug der AfD in den Bundestag zweifelsohne weiter verschlechtern, Flüchtlinge und Migranten, Frauen und Homosexuelle werden sich verstärkten verbalen Anfeindungen aber auch Angriffen auf ihre Rechte und Errungenschaften ausgesetzt sehen. Der extremen Rechten werden von jetzt an ganz andere Mittel der Öffentlichkeitsarbeit und staatliche Finanzen zum Aufbau ihrer Strukturen zur Verfügung stehen. Und außerhalb der Parlamente werden die rassistischen Schläger und Brandstifter sich in ihrem Tun ermutigt sehen.

Die Linke ist jetzt als konsequent antifaschistische Oppositionskraft gefordert. Insbesondere darf sie jetzt nicht unter dem Druck von Rechtsaußen von ihren menschenrechtlich basierten Positionen in der Flüchtlings- und Migrationspolitik abweichen. Doch sie muss diese Positionen in der Öffentlichkeit noch besser vermitteln und erklären.

Gegen die AfD nur die Nazi-Keule zu schwenken, wird nicht ausreichen, um diese Partei wieder aus dem Parlament zu treiben und auf den Müllhaufen der Geschichte zu werfen, wohin sie mit ihren ewig gestrigen Positionen zweifelsohne gehört. Vielmehr kommt es nun darauf an, die AfD auch in den Augen ihrer Anhänger zu demontieren. Es gilt aufzuzeigen, dass die AfD keineswegs die Partei der Armen und Ausgegrenzten ist, sondern die Umverteilung von unten nach oben als radikal neoliberale Kraft noch beschleunigen will.

Es gilt deutlich zu machen, dass die AfD, die sich als „Beschützerin unserer Frauen“ geriert, in Wahrheit das Rad der Geschichte auch in Sachen Frauenemanzipation und Abtreibungsfreiheit radikal zurückdrehen will … www.ulla-jelpke.de