Quelle: Politische Berichte Nr. 11, 2017 • Gesamtausgabe: PDF Inhaltsverzeichnis: TXT ⯈ H O M E

Österreich hat gewählt

Die Prognosen waren richtig. Türkis statt Schwarz, das hat gezogen. Sebastian Kurz, Außen- und Integrationsminister, hat die Wahlen mit 31,5% der Stimmen gewonnen. Die SPÖ erreichte 26,9 % knapp vor der FPÖ mit 26%. Die Wahlbeteiligung war mit 80% sehr hoch.

Die gültigen Stimmen entfielen auf die einzelnen wahlwerbenden Parteien wie folgt: (Abb. nur im PDF).

Die Nationalratswahl 2017 ist geschlagen, das Ergebnis ist eine rechte Übermacht im Parlament. Die SPÖ konnte zwar ihr Ergebnis halten, Schwarz-Blau aber nicht verhindern. Die Grünen, bemüht gegen Rassismus und Ausländerfeindlichkeit aufzutreten, sind aus dem Parlament geflogen. Die KPÖ Plus hat Stimmen verloren und ist sogar unter die Ein-Prozent-Marke gefallen. In der Steiermark und in Wien erreichte die KPÖ über ein Prozent.

Armin Thurnherr Herausgeber des „Falter“, einer Wiener Wochenzeitung, schreibt verärgert über das Wahlergebnis: „Das tiefe Bedürfnis nach Veränderung der österreichischen Bevölkerung wird nun befriedigt. Selten habe ich etwas Dümmeres gehört. Die Österreicher wollen keine Veränderung. Sie wollen, dass alles so bleibt, wie es immer war, halt ohne Flüchtlinge und andere lästige Begleiterscheinungen der Moderne. Veltliner – Alpen-Donau-Suprematismus! Nur die roten Gfrieser gehören durch blaue Gfrieser ersetzt.“ (Falter 42/17; für den „Kronen“-Zeitung Kolumnisten Jeannee ist der „Falter“ ein Bolschewisten-Blatt.)

Im „Mosaik, Politik neu zusammensetzen“ finde ich richtig zusammengefasst:

„Der Rechtsrutsch ist umfassend – und das Ergebnis einer Entwicklung von Jahrzehnten. ‚Fast 60 Prozent haben heute das freiheitliche Programm gewählt.‘ So fasste Heinz-Christian Strache am Wahlabend das Ergebnis treffend zusammen. FPÖ und ÖVP sind mit fast austauschbaren Programmen angetreten. In der Migrations-, Asyl- und Integrationspolitik hat die ÖVP langjährige FPÖ-Positionen übernommen. Umgekehrt hat sich die FPÖ mit ihrem neuen Wirtschaftsprogramm die Forderungen der Industriellenvereinigung zu eigen gemacht und ist damit voll auf ÖVP-Linie. Beide Parteien stehen heute für einen nur graduell unterschiedlichen autoritären Rechtspopulismus. Das verstehen auch ihre AnhängerInnen: Auf der ÖVP-Wahlparty wurde bei der ersten Hochrechnung zweimal gejubelt. Einmal über das eigene Ergebnis, einmal über jenes der Blauen. Die Bildung einer schwarz-blauen Regierung ist sehr wahrscheinlich.

Hunderttausende WählerInnen gingen im Vergleich zur letzten Wahl jeweils einen Schritt nach rechts. Die Grünen verloren 75 000 Stimmen an die Liste Pilz und 190 000 an die SPÖ, die SPÖ 107 000 an die FPÖ. Innerhalb des rechten Spektrums wechselten doppelt so viele WählerInnen von der ÖVP zur FPÖ als umgekehrt. Noch nie seit 1945 haben rechte Parteien mehr Stimmen erhalten als bei dieser Wahl. Das ist Folge und Ausdruck einer langfristigen Entwicklung, kein abrupter ‚Rechtsruck‘. Sie kann bis 1986 zurückverfolgt werden, als Jörg Haider die FPÖ übernommen und in eine Partei des modernen, populistischen Rechtsextremismus umgebaut hat. Die FPÖ hat den Boden über Jahrzehnte aufbereitet. Kurz fährt nun die Ernte ein.“ http://mosaik-blog.at/nationalratswahl-2017-thesen-mosaik-linker-neustart/

Der Bundespräsident hat Kurz mit der Regierungsbildung beauftragt, Kurz/Türkis (vormals Schwarz) und Strache/Blau haben sich rasch gefunden. Die Verhandlungsteams beraten schon. Wohin es geht? Das werden die Verhandlungen zeigen. Sicher ist jedoch, dass Fremdenfeindlichkeit und Sozialabbau einen Fixplatz auf der Regierungsbank haben werden von schwarzer und blauer Seite.

Ob es Widerstand geben wird wie im Jahr 2000? Gegen die Angelobung der ersten schwarz-blauen Regierung protestierten im Februar 2000 Zehntausende Menschen. Bundeskanzler Schüssel und die Regierung mussten durch die Hintertür zur Angelobung gehen. Zwei Wochen später beteiligten sich 300 000 an der größten Donnerstags-Demonstration. Widerstand wie im Jahr 2000 hat die zukünftige Regierung noch nicht zu befürchten.

Es ist vieles offen!

Augustin Kargl, Steiermark

Abb. (nur im PDF): Tabelle der Wahlergebnisse, Quelle Bundesministerium für Inneres