Quelle: Politische Berichte Nr. 11, 2017 • Gesamtausgabe: PDF Inhaltsverzeichnis: TXT ⯈ H O M E

Schwerpunktthema Sicherheit

ARTIKEL:

01 Wiedereinführung der Videoüberwachung in der Mannheimer City

02 Kölner Silvester: Wir müssen Feierwilligen ein Angebot machen!

NACHRICHTEN (Zusammenstellung: Ulli Jäckel, Hamburg)

03 Bevölkerung in Bremerhaven-Lehe wirksam vor Brandstiftung schützen!

04 Koalition setzt Schwerpunkte für effektiven Rechtsstaat: Berlin.

05 Linke : Reform des Polizeigesetz zurücknehmen! Stuttgart.

06 Linke & Piraten gegen weitere Bewaffnung von Ordnungskräften: Dortmund.

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01 Wiedereinführung der Videoüberwachung in der Mannheimer City

Die Verwaltungsspitze „informiert“ den Ausschuss für Sicherheit und Ordnung – es darf diskutiert werden. In den Haushaltsberatungen wird nur über das Geld entschieden

Erneut aufgebracht hat die Beschäftigung der Stadt mit Videoüberwachung des öffentliches Raumes die damalige AfD-Fraktion im November 2014 mit einer Anfrage: „Mehr Prävention und verbesserte Aufklärungsmöglichkeiten durch Videoüberwachung“ (A279/2014). Das war noch vor der aufgeregten Sicherheitsdebatte im Anschluss auf die Aufnahme von bis zu 15 000 Geflüchteten 2015. Die Antwort der Verwaltung enthielt die Botschaft, es gebe keine Veranlassung und vor allem auch im Rahmen des Polizeigesetzes Baden-Württemberg keine Möglichkeit, die von 2001 bis 2007 praktizierte Videoüberwachung in der City wieder aufzunehmen. CDU, ML griffen das Thema dann 2016 erneut auf. Die Verwaltung antwortete mit einer „Informationsvorlage“ (V084/2016): „Die Verwaltung wird in Abstimmung mit dem Polizeipräsidium Mannheim, auf Basis der Lagebeurteilung hinsichtlich der Kriminalitätsbelastung, die Voraussetzungen für die (Wieder-) Einführung der punktuellen Videoüberwachung an einzelnen Kriminalitätsbrennpunkten im Stadtgebiet Mannheim schaffen.“ Bis heute hat der Gemeinderat bzw. der fachlich zuständige Ausschuss für Sicherheit und Ordnung (ASO) lediglich weitere Info-Vorlagen zur Kenntnisnahme bekommen, die die Wiederaufnahme der Videoüberwachung (teilweise „Videoschutz“ genannt) immer weiter präzisieren. Am 18.9. steht die neueste Ausgabe (V450/2017) „zur Kenntnisnahme“ auf der Tagesordnung.

Aber tatsächlich soll dann auch ein Beschluss gefällt werden: Im Ausschuss für Umwelt und Technik am 19.9. (V447/2017) und dann in den Etatberatungen: Da sollen 800 000 Euro locker gemacht werden für die Installation einer „intelligenten Videoüberwachung“, für den „Aufbau eines verlässlichen und rechtskonformen Systems zur algorithmusbasierten Bewegungsmustererkennung“.

Der Beschluss der Arbeitsgruppe aus Stadtverwaltung und Polizei:

Die „intelligente“ Videoüberwachung soll an folgenden Plätzen, alles „Kriminalitätsschwerpunkte“, installiert werden:

• Vorplatz am Hauptbahnhof (Beibehaltung und Modernisierung der Bestandsmaßnahmen)

• „Breite Straße“ (von Paradeplatz, inklusive Marktplatz bis Neckartor)

• Bereich „Alter Messplatz“ (Alter Messplatz, Am Alten Messplatz, Am Messplatz, Brückenstraße)

• Fußgängerzone O 7 / P 7 (sog. „Plankenkopf“)

An 28 Standorten sollen insgesamt 71 Videokameras (60 statische und 11 sog. PTZ-Kameras [schwenkbar, mit Zoom-Funktion]) montiert werden. Die Speicherfrist soll 72 Stunden betragen, die Löschung automatisch erfolgen.

„Bezugspunkt der Kriminalitätsbelastung ist vor allem der Bereich der Straßenkriminalität. Delikte der Straßenkriminalität sind Straftaten, die in ihrer Tatphase ausschließlich oder überwiegend auf öffentlichen Straßen, Wegen und Plätzen begangen werden und visuell wahrnehmbar sind, etwa Raub, Körperverletzung, Betäubungsmitteldelikte, Sachbeschädigung, Sexualdelikte, Diebstahl, insb. Taschendiebstahl, etc.“

Die „Intelligenz“ der Kameras soll darin bestehen, dass sie „nur auf das Erkennen solcher Verhaltensmuster ausgerichtet (ist), die auf die Begehung einer Straftat hindeuten. Dadurch ist klargestellt, dass insoweit keine Detektion von Szenarien zulässig ist, die als Ordnungswidrigkeit bloßes Verwaltungsunrecht darstellen.“

Eine Dauerbeobachtung durch einen Polizeibeamten am Monitor wie zu Beginn des Jahrhunderts („Mannheimer Weg“), soll dadurch erübrigt werden. Die Software soll alles Nicht-Relevante herausfiltern und damit nur auf Eingriffsnotwendigkeiten hinweisen. In einem solchen Fall soll sofort eine polizeiliche Interventionsgruppe losgeschickt werden.

Die Sache mit dem subjektiven Sicherheitsempfinden

Ausgangspunkt der Überlegungen der Verwaltung ist das „subjektive Sicherheitsempfinden“ auf dem Hintergrund einer Zunahme der Straßenkriminalität seit 2015. „Das Sicherheitsgefühl (auch) der Mannheimer Bürgerinnen und Bürger hat in jüngster Zeit erheblich abgenommen und die Kriminalitätsfurcht ist – wie in ganz Deutschland – gestiegen. Die Unsicherheit der Menschen stellt dabei eine soziale Realität dar: Gefühlte Unsicherheit ist reale Unsicherheit. Und vorliegend korrespondiert das Gefühl mit der Lage.“

Das subjektive Sicherheitsempfinden ist eine komplexe Angelegenheit. Richtig ist, dass man die Befindlichkeit der gefühlten Unsicherheit ernst nehmen muss. Sie schränkt die gesellschaftliche Teilhabe der betroffenen Menschen ein, indem sie sich nicht mehr wie zuvor „rausbewegen“. Die Einrichtung der Videoüberwachung soll demonstrativ das Sicherheitsgefühl stärken.

Wer das Sicherheitsgefühl stärken will, muss sich jedoch auch fragen: Welche Situationen genau machen den Menschen ein schlechtes Gefühl, so dass sie diese meiden? Ist es der Spaziergang auf der Breiten Straße? Der nächtliche Nachhauseweg? Die Präsenz von lärmenden Männergruppen? Die Nähe von Junkies oder Dealern?

Ist das Gefühl durch eigenes oder kolportiertes fremdes Erleben verursacht? Welche Rolle spielen Diskurse in den Social Media und Presseberichte oder gerade das angebliche Unterschlagen von kriminellen Aktionen? Lässt sich der Diskurs durch Aufklärung und durch verstärkte Kampagnen gegen das Wegschauen beeinflussen?

Die Einrichtung eines technischen Mittels springt hier zu kurz. Niemand bezweifelt, dass das Sicherheitsempfinden in „unsicheren Zeiten“ durch Polizeipräsenz auf der Straße am besten zu stärken ist. Nur sei dies eben nicht bezahlbar. Dies jedoch ist keine technische, sondern eine politische Frage.

Wer oder was beweist eigentlich die Wirksamkeit der Videoüberwachung hinsichtlich Kriminalitätsverhinderung?

Immer wird in den Verwaltungsvorlagen behauptet, die Straßenkriminalität sei in der Innenstadt während der Phase 2001 bis 2007 so eklatant zurückgegangen, dass sie dann mangels „Verhältnismäßigkeit der polizeilichen Mittel“ von Rechts wegen eingestellt werden musste. Tatsächlich stieg die Straßenkriminalität jedoch erst einmal an. Der Spitzenwert lag etwa auf dem Niveau, wie es für 2016 festgestellt wurde. Nach Einstellung der Überwachung verharrte die Straßenkriminalität weitere sieben Jahre in etwa auf dem 2007 erreichten Niveau. Warum? Hatten die potenziellen Täter immer noch Angst vor der Überwachung? Oder folgt die Kriminalitätskurve etwa ganz anderen Parametern?

Verdachtslose Überwachung ist ein Verfassungseingriff gegen die informationelle Selbstbestimmung

Videoüberwachung ist nach bestehendem Gesetz und herrschender Rechtsprechung nur in sehr engen Grenzen zulässig: Nur an definierten Kriminalitätsschwerpunkten, nur bezogen auf strafwürdiges Verhalten. Die Stadt bewertet die Verfassungsmäßigkeit in V142/2017 folgendermaßen: „Die Durchführung der Videoüberwachung in den überproportional belasteten Räumen stellt einen verhältnismäßigen Eingriff in das allgemeine Persönlichkeitsrecht in seiner Ausprägung als Recht der informationellen Selbstbestimmung dar.“ Und weiter: „Dem erheblichen Eingriff in das Recht auf informationelle Selbstbestimmung einer Vielzahl von Personen stehen die öffentlichen Interessen an der Verhütung und Abwehr von Straftaten der Straßenkriminalität sowie an deren wirksamer Verfolgung gegenüber. Diesen öffentlichen Interessen kommt eine hohe Bedeutung zu. Der Ausgleich zwischen diesen Polen und Bedürfnislagen ist eine Frage des Maßes“.

Ob dieses Maß gefunden ist, muss in Zweifel gezogen werden. Mit erheblichem Aufwand sollen „lediglich“ „Interaktionsmuster (‚schlagen/treten‘) und Sturzdetektion (‚hinfallen/stürzen‘)“ ins Visier genommen werden. Alles andere soll verpixelt werden. Allerdings solle „als Unterfall hierzu, die Personenverfolgung von mutmaßlichen Straftätern, das sogenannte ‚Tracking‘ zum Einsatz gelangen“. Das erfordert Scharfstellung. Ob auf diese Weise nennenswerte Teile der Straßenkriminalität erfasst werden können, darf bezweifelt werden. Stattdessen sind Fehlinterpretationen wahrscheinlich, wie z.B. bei schnellem Laufen zu Haltestellen oder sich freundschaftlich auf die Schulterklopfen. Das In-eine-fremde-Tasche-Greifen z.B. oder das Zücken eines Springmessers gehören (vorerst?!) nicht zum programmierten Algorithmus. Auch nicht das „Tütchen übergeben“.

Das wirft die Frage auf, wer – wenn erst mal alles installiert ist – mögliche Weiterentwicklungen des Algorithmus kontrolliert. Und auch die räumliche Ausdehnung ist schon angedacht: „Falls es in der Kombination dieser Maßnahmen, der Videoüberwachung in der Breiten Straße und flankierenden Einsätzen in den umliegenden Quadraten wider Erwarten nicht gelingen sollte, das vorhandene Störungspotenzial nachhaltig zu reduzieren und namentlich den Drogenhandel hinreichend einzudämmen, wird ein Ausbau der Videoüberwachung in der Zukunft auch in den S-, T- und U-Quadrate unter Auswertung des aktuellen Kriminalitätsaufkommens in Betracht gezogen.“

Weiterhin steht die Videoüberwachung, wenn sie denn tatsächlich als intensiv empfunden wird, im Verdacht, dass sich die Straßenkriminalität in nicht exponierte Teile der City, die trotzdem belebt und lukrativ sind, verlagert. Dies bestreitet die Verwaltung zwar vehement. Aber die Vertreibung der „Gambier“ von der Neckarwiese und ihr Auftauchen in den S- und T-Quadraten spricht eine gänzlich andere Sprache.

Das Polizeigesetz muss für die intelligente Videoüberwachung geändert werden

Das algorithmusbasierte Beobachten übersteigt die Möglichkeiten des bestehenden Polizeigesetzes Baden-Württemberg. Das hat die Stadtverwaltung auch frühzeitig erkannt und nach eigener Aussage das Innenministerium zu einer entsprechenden Änderungsvorlage aufgefordert. Die wurde zusammen mit einem wahren Gruselkatalog am Dienstag in Erster Lesung im Landtag diskutiert. Einige „Highlights“:

„präventiv-polizeilichen Telekommunikationsüberwachung“ inklusive Brechen von Verschlüsselung: Quellen-TKÜ, vulgo: Staatstrojaner

Fußfesseln gegen „mutmaßliche Gefährder“

Überwachung von Leuten, „bei denen bestimmte Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass sie innerhalb eines übersehbaren Zeitraums“ eine Straftat begehen, zum Beispiel „eine Behörde … mit Gewalt oder durch Drohung mit Gewalt zu nötigen“. Die Tat muss gar nicht geschehen, man muss nur die Annahme haben, sie tun es.

Man darf auch den überwachen, dessen Endgerät für eine Nachricht eines solchen mutmaßlichen Täters vermutlich verwendet wird.

Über Überwachungsmaßnahmen muss nicht unterrichtet werden, wenn „anzunehmen ist, dass sie kein Interesse an einer Unterrichtung hat“.

Der Landesbeauftragte für den Datenschutz und die Informationsfreiheit von Baden-Württemberg bewertet in seiner Stellungnahme den Grundrechtseingriff der „intelligenten Videoüberwachung“ als sehr hoch:

„Zutreffend weist die Begründung darauf hin, dass die automatische Auswertung einen zusätzlichen Eingriff in das Recht auf informationelle Selbstbestimmung der Betroffenen darstellt. Widersprüchlich ist es jedoch, wenn im Weiteren einerseits eine höhere Eingriffsintensität verneint, andererseits aber eine Eingriffserhöhung aufgrund der quantitativen Steigerung der Datenverarbeitungsmöglichkeiten ‚nicht verkannt‘ wird. Auch ist die Aussage, die automatisierte Auswertung von Verhaltensmustern, wie etwa Bewegungsabläufen oder Gruppenbildung, erfolge nicht anhand personen-bezogener Merkmale, schlichtweg nicht nachvollziehbar. Zu den ‚persönlichen und sachlichen Verhältnissen‘ einer Person (§ 3 Absatz 1 des Landesdatenschutzgesetzes – LDSG) gehören auch Verhaltensweisen der Person. Gerade das Erkennen solcher (‚auffälligen‘) Verhaltensmuster ist das Ziel der ‚intelligenten‘ Videoüberwachung.

Nach unserer Auffassung wirkt die Software gestützte Auswertung der Videoaufnahmen anhand zuvor festgelegter Algorithmen tatsächlich eingriffsintensivierend“. (https://cdn.netzpolitik.org/wp-upload/2017/10/H-1100-38r1.pdf)

Zusammenfassend lässt sich sagen: Die von Mannheim im Verbund mit der Landespolizei als bundesweites Pilotprojekt betriebene „intelligente Videoüberwachung“

– stellt einen schwer kontrollierbaren und zu Verschärfung tendierenden Grundrechtseingriff dar;

– bringt nichts; sie kann nur einige wenige Aspekte der Straßenkriminalität an einigen wenigen Stellen erfassen, ohne noch mehr in Grundrechte einzugreifen;

– führt abermals zu Verdrängungseffekten;

– ist rein symptomatisch ansetzend und lenkt von der sozialen Ursachenbekämpfung ab;

– stellt puren Aktionismus dar und nimmt das Sicherheitsbedürfnis der Bevölkerung nicht wirklich ernst.

Die vorerst 800 000 Euro sind dafür zu schade.

Thomas Trüper, Stadtrat Die Linke

Abb. (nur im PDF): Statistik Straßenkriminalität

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02 Kölner Silvester: Wir müssen Feierwilligen ein Angebot machen!

Silvester 2016/17 wurden in Köln hunderte Menschen allein aufgrund ihrer tatsächlichen oder vermuteten nordafrikanischen Herkunft von der Polizei Köln eingekesselt und kontrolliert. Die Kölner Polizei behauptete in Nachgang, sie habe die Menschen nicht nur aufgrund ihres Aussehens, sondern auch aufgrund ihres Verhaltens festgehalten, was rechtmäßig gewesen wäre. Die Betroffenen seien aggressiv, alkoholisiert und in Gruppen aufgetreten.

Aufgrund kritischer Nachfragen und Berichterstattung und des Vorwurfes des Racial Profiling hatte sich die Polizei dazu entschieden, eine Arbeitsgruppe Silvester zu bilden. Sie sollte der Frage nachzugehen, weshalb sich nach den sexualisierten Übergriffen Silvester 2015/16 erneut junge Männer nach Köln begeben haben. Die Arbeitsgruppe Silvester hat hierzu Experten und die kontrollierten Personen befragt. Ein mit den Experten vorbereiteter Fragebogen wurde erstellt und den kontrollierten Personen zugesandt. Die Rücklaufquote des Fragebogens lag bei 45 Prozent.

Die Expertenbefragung ergab im Vorfeld, dass Köln weltweit als Partystadt bekannt, eine gute Verkehrsanbindung habe und die einzige im Westen Deutschlands wahrgenommene Metropole mit einer „open society“ sei. Zudem habe Silvester im arabischen/muslimischen Raum keine besondere Bedeutung, wird aber in Europa als Partyanlass wahrgenommen. Die Teilhabe am „social life“ sei der Wunsch.

Die Kölner Polizei hat am 21.9.2017 im Rahmen eines Symposiums, der den Titel „Silvester 2017 – Zurück schauen. Nach vorne denken“ trug, die Ergebnisse der Arbeitsgruppe Silvester vorgestellt. Flankiert wurde die Veranstaltung durch Vorträge von Experten aus Wissenschaft und Sozialarbeit. Der neue Polizeipräsident Uwe Jacob sagte in seinen einleitenden Worten, dass die Silvesternacht 2016/17 eine Nagelprobe dafür gewesen sei, wie die Polizei sich auf gesellschaftliche Veränderungen einstellen könne

Zu 640 Männern, die in der Silvesternacht kontrolliert wurden, hat die Polizei die Datensätze ausgewertet. Die meisten von ihnen kommen aus dem Irak, Syrien und Deutschland. Nordafrikaner sind kaum unter ihnen zu finden, auch wenn die Polizei erklärte, dass es Hinweise gibt, dass Menschen aus den Maghreb-Staaten sich als Syrer und Iraker ausgeben. Durch Straftaten fielen 87 der Männer auf. 42 davon sind deutsche Staatsbürger. Keine der kontrollierten Personen gehörte zu den Verdächtigen von sexuellen Übergriffen und Taschendiebstählen aus der Silvesternacht 2015/2016.

Um den Einsatz zu rechtfertigen, wurde im Januar oft vermutet, es seien große Gruppen angereist, die über das Internet aufgerufen und organisiert wurden. Dieser Verdacht stellte sich jedoch als falsch heraus. Von den Ereignissen während des Jahreswechsels 2015/2016 haben viele, da sie keine deutschen Medien nutzen, überhaupt nichts mitbekommen.

Die meisten Männer, die in der Domstadt kontrolliert wurden, leben in Köln oder im direkten Umland. Viele andere waren junge Männer aus Flüchtlingsheimen aus anderen Gebieten NRWs. Sie leben noch nicht lange in Deutschland und reisten unkoordiniert und nicht in Absprache in kleinen Gruppen bis zu 5 Personen an. Es gab eine hohe Kontrolldichte schon auf der Anreise. Die Ereignisse Silvester 2015/16 spielten keine Rolle und daher gab es keine „Attraktivität“ der Silvesterfeier in Köln durch die Gewalt im Vorjahr. Der überwiegende Teil waren Menschen, die in Köln einfach nur feiern wollten.

Eine weitere Einschränkung erfolgte bei dem Vorwurf, dass die Gruppen von jungen Männern aggressiv waren. Vielmehr muss davon ausgegangen werden, dass die Atmosphäre aufgrund der Einkesselung und Kontrollen der jungen Männer durch die Kölner Polizei und der damit verbundenen Einschränkung der Handlungsfreiheit aufgeheizt war. Ein Grund ist auch die nicht besonders gute Kommunikation. Auch habe die Polizei möglicherweise die Menschen falsch eingeschätzt, da es im arabischen Raum üblicher sei, sich laut zu artikulieren.

Prof. Dr. Feltes von der Ruhr-Universität Bochum beleuchtete Grundprobleme. Die Polizei sei nicht für die Ursache von Kriminalität verantwortlich. Das bedeute jedoch, dass die sozialen Probleme hinter den Kriminalitäts-„Hot Spots“ thematisiert werden müssen. Die Polizei müsse gemeinsam mit denen kämpfen, die unter ihrer sozialen Lage leiden und keine Stimme haben. Das neue Image sollte sein: Statt „crime fighter“ – „Stimme der Zurückgelassenen“. Denn niemand sei näher dran an den tatsächlichen Kriminalitätsfaktoren. Es ist die Aufgabe der Polizei, diese Faktoren zu benennen – statt den Eindruck zu stärken, mit „mehr vom selben“ Probleme lösen zu können. Zusammenfassend stellte Prof. Dr. Feltes fest, dass Repression Probleme nicht lösen, sondern schaffen wird. Es brauche Präventionsarbeit, das heißt die Kenntnis von Motiven und Beweggründen, der Besinnung auf grundlegende Werte unserer Gesellschaft, der Bereitschaft zur Integration von „Externen“ und ein aktives und attraktives Angebot für diejenigen, die sich ausgegrenzt fühlen. Die Polizei muss allerdings ihre Rolle erst finden.

Aufgrund dieser Ergebnisse stelle sich für die Fraktion Die Linke die Frage, welche Angebote möglich sind, wenn zu erwarten ist, dass Silvester 2017/18 erneut junge Männer nach Köln zum Feiern kommen werden. Deshalb wurden von der Fraktion Die Linke und der SPD ein gemeinsamer Antrag für ein Silvesterprogramm unter Zugrundelegung der Ergebnisse der Kölner Polizei und der Vorträge der Experten aus der Wissenschaft gestellt. Danach legte die Stadtverwaltung ihr Konzept für die Silvesterveranstaltung 2017/2018 vor. Wieder soll mit einer Schutzzone repressiv agiert werden, statt weltoffen und tolerant. Es sollen „keine attraktiven Bands mit einer besonderen Sogwirkung auf dem Roncalliplatz auftreten“. Konsequenzen aus dem Polizeisymposium werden nicht gezogen.

Die Linke und die SPD fordern das kulturelle Programm deutlich attraktiver zu gestalten und für verschiedene Bevölkerungsgruppen zu öffnen. „Es soll ein Angebot geschaffen werden und sich an den Ideen von Birlikte orientiert werden: Zusammenstehen, Zusammenleben und Zusammen reden.“

Dass CDU und FDP repressiv agieren würden, war klar. Die Grünen erklärten, die Stadt Köln wäre doch keine Eventagentur. Was kann man daraus schlussfolgern? Die Grünen gehen lieber in die Oper … Güldane Tokyürek, Köln

https://polizei.nrw/artikel/zurueck-schauen-nach-vorne-denken-symposium-silvester-2017

Abb. (nur im PDF): Silvesterfeuerwerk

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Kommunale Politik – Nachrichten

Zusammenstellung: Ulli Jäckel, Hamburg

03 Bevölkerung in Bremerhaven-Lehe wirksam vor Brandstiftung schützen! Seit Ende letzten Jahres brennt es extrem häufig im Goethequartier in Bremerhaven-Lehe. In diesen Straßenzügen leben viele Menschen in Armut, häufig werden die Wohnungen von bulgarischen Arbeitsmigranten bewohnt. Viele Immobilien sind in einem sehr schlechten baulichen Zustand, etwa 30 sind als unbewohnbare Schrottimmobilien definiert. Offenbar gibt es in diesem Quartier eine Serie von Brandstiftungen, bei der regelmäßig Gegenstände in Treppenhäusern angezündet werden. Am 2. September starb bei einem Wohnungsbrand ein dreijähriges Kind, am 7. September brannten gleich zwei Immobilien in kurzer Zeit und am helllichten Tag. Eine dieser Immobilien in der Werkstraße wurde vom Magistrat vorher als „unbewohnbar“ und „Leerstand“ vermerkt. Allerdings war das Haus tatsächlich regulär bewohnt. Die Linksfraktion fragte den Senat in der heutigen Fragestunde der Bürgerschaft nach der mutmaßlichen Brandserie. „Die Menschen im Quartier haben berechtigte Angst vor weiteren Bränden. Deshalb müssen die Behörden alles daran setzen, die Bevölkerung zu schützen und die Brandserie endlich aufzuklären. Bisher erfolgt aber keine Unterstützung der Ortspolizeibehörde Bremerhaven durch Brandermittler der Bremer Kripo.“ „Allein angesichts der großen Zahl der Brände – mindestens 20 seit November – wäre eine personelle und materielle Unterstützung aus unserer Sicht sinnvoll“, sagt Nelson Janßen. Der Bürgerschaftsabgeordnete meint zudem: „Auch auf einer anderen Ebene muss gehandelt werden: Die fehlerhafte Liste des Magistrats über mögliche Problemimmobilien muss dringend auf eine korrekte Grundlage gestellt werden. Fehlinformationen wie bei dem Haus in der Werkstraße dürfen nicht wieder vorkommen.“ www.dielinke-bremerhaven.de

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04 Koalition setzt Schwerpunkte für effektiven Rechtsstaat: Berlin. Für die Koalitionsfraktionen erklären Florian Dörstelmann (SPD), Sebastian Schlüsselburg (Fraktion Die Linke) und Canan Bayram (Bündnis 90/Die Grünen): Die drei Koalitionsfraktionen setzen in der zweiten Lesung des Haushalts im Rechtsausschuss für die kommenden zwei Jahre weitere Schwerpunkte für einen effektiven Rechtsstaat. Der Doppelhaushalt enthält mit 243 neuen Stellen den größten Personalaufwuchs seit 25 Jahren. Um die Berliner Justiz als Stütze eines effektiven Rechtsstaats zu stärken, werden in den kommenden zwei Jahren bei den Strafverfolgungsbehörden (GenStA, StA, Amtsanwaltschaft) 43 neue Stellen geschaffen, in der ordentlichen Gerichtsbarkeit kommen circa 130 Beamt*innen und 41 Richter*innen hinzu. In der Verwaltungsgerichtsbarkeit, die besonders mit der großen Zahl von Asylverfahren befasst ist, werden 29 neue Richter*innenstellen und 20 Beamt*innenstellen geschaffen. Insgesamt handelt es sich dabei um den größten Stellenzuwachs, den es in der Berliner Justiz seit der Wende gegeben hat. Der Prozess der Digitalisierung im Bereich der Justiz wird verstetigt. Zusätzlich zu den aus SIWANA finanzierten Investitionen zur Einführung der elektronischen Akte sind im Haushalt die Mittel für Begleitmaßnahmen, von Geschäftsprozessoptimierung bis ergonomischen Schreibtischen, ausgewiesen. In den Amtsgerichten Mitte und Lichtenberg werden als Sofortmaßnahme zwei digitale Gerichtssäle entstehen. Die Arbeitsbedingungen aller Beschäftigten im Justizbereich sollen verbessert werden. Dazu wird die Gehaltsanpassung an den Bundesschnitt weiter vorangetrieben und die Qualität der Arbeitsplätze und Fürsorgeleistungen gesteigert. Einen verbraucherschutzpolitischen Schwerpunkt haben die Koalitionsfraktionen damit gesetzt, dass die Einführung einer unabhängigen Energieschuldenberatung finanziert wird. Damit reagiert die Koalition auf den besorgniserregenden Anstieg der Stromsperren. Erstmals erhält das Tierheim Berlin Zuschüsse aus der Senatsverwaltung. www.die-linke-berlin.de

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05 Linke : Reform des Polizeigesetz zurücknehmen! Stuttgart. Die Linke Baden-Württemberg fordert Ministerpräsidenten Kretschmann dazu auf, die geplante Reform des Polizeigesetzes für Baden-Württemberg zu stoppen und wieder auf den Boden des Grundgesetzes zurückzukehren. Der veröffentlichte Entwurf hat zu Recht Kritik vom Landesbeauftragten für Datenschutz und vom Richterverein Baden-Württemberg erhalten. Tobias Pflüger, stellvertretender Parteivorsitzender und Bundestagsabgeordneter für Freiburg erklärt dazu: „Das vom grünen Ministerpräsidenten Kretschmann vorgelegte Polizeigesetz, soll Baden-Württemberg in einen Polizeistaat verwandeln. Ein solches Gesetz wäre von einer AfD-geführten Landesregierung zu erwarten. Die vorgesehenen so genannten „präventiven“ Maßnahmen zur Überwachung von Bürger*innen in unserem Land sind grundgesetzwidrig und muten an wie anlasslose Vorverurteilungen. Kretschmann und seine grün-schwarze Regierung sollten diese ,Reform‘ einstampfen und stattdessen beispielsweise die Kennzeichnungspflicht für Polizist*inn*en einführen oder endlich wirksam gegen rechte Gewalt vorgehen. Statt weiter am Überwachungsstaat zu basteln, sollte sich Kretschmann lieber für eine sozial gerechte Politik einsetzen, in der Menschen nicht von Armut gefährdet sind. Das würde tatsächlich die Sicherheit für alle Menschen erhöhen. Tobias Pflüger, MdB abschließend: „Wir als Linke werden Protest gegen dieses baden-württembergische Polizeistaatsgesetz mit organisieren. Dieser Gesetzentwurf darf nicht Wirklichkeit werden. Für eine Landesregierung unter grüner Führung ist dieses Gesetz eine Schande.“ www.stuttgart.die-linke-bw.de

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06 Linke & Piraten gegen weitere Bewaffnung von Ordnungskräften: Dortmund. Das Ordnungsamt plant, testweise einen Teil ihrer Mitarbeiter mit Schlagstöcken – sogenannten Einsatzmehrzweckstöcken – auszustatten. Bewaffnet werden sollen die Kollegen, die zusammen mit Polizeibeamten im Rahmen einer Ordnungspartnerschaft auf Streife gehen und dafür bereits mit Pfefferspray und Handfesseln ausgerüstet sind. Die Fraktion Die Linke & Piraten kritisiert diese zusätzliche Bewaffnung nicht nur, sie lehnt diese auch ab. Die Fraktion Die Linke & Piraten hatte für den Bürgerdienste-Ausschuss mehrere Anfragen zu diesem Thema an die Verwaltung gestellt. „Die Antworten, die den Mitgliedern des Ausschusses heute vorgelegt werden, sind alles andere als befriedigend“, sagt Thomas Zweier, Ratsmitglied und Mitglied im Ausschuss für Bürgerdienste, öffentliche Ordnung, Anregungen und Beschwerden. „Wir verstehen, dass die Situation für die Ordnungskräfte nicht einfach ist, wenn sie bei ihrer Arbeit beleidigt und bedroht werden. Aber wir fragen uns, wie es sein kann, dass im Rahmen eines Ordnungspartnerschaftseinsatzes – also bei einem Einsatz mit einem bewaffneten Polizisten – die Angestellten des Ordnungsamts ebenfalls bewaffnet sein müssen“, sagt Thomas Zweier. Und: „Wir sehen, wenn überhaupt, einen Einsatz von Gewalt mit Waffen nur bei der Polizei angelernte Ordnungskräfte sollten und müssen sich aus bewaffneten Konflikten heraushalten.“ Thomas Zweier befürchtet, dass der vermeintliche Eigenschutz der städtischen Mitarbeiter gegen gewaltsame Übergriffe schnell nach hinten losgehen könnte, wenn sich die Eskalationsspirale erst einmal mal zu dr0ehen beginnt. Ratsmitglied Nadja Reigl, ebenfalls Mitglied im Ausschuss für Bürgerdienste, öffentliche Ordnung, Anregungen und Beschwerden: „Die Landesregierung ist gefordert, ausreichend Polizei auf die Straße zu bringen. Es ist nicht Aufgabe der Stadtverwaltung, ihren Ordnungsdienst aufzurüsten.“ https://www.dielinke-dortmund.de

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