Quelle: Politische Berichte Nr. 11, 2017 • Gesamtausgabe: PDF Inhaltsverzeichnis: TXT ⯈ H O M E

Arbeitsgesetzgebung - Tarifgeschehen

ARTIKEL

01 Vorbemerkung: Entsenderichtlinien im Vorfeld des EU-Gipfels auf den Weg gebracht

02 Europäische Entsenderichtlinie: IG BAU: EU kommt auf dem Weg zu fairer Arbeit einen Schritt weiter

03 Dokumentiert: IG Metall fordert 6 Prozent mehr Entgelt und eine Wahloption für kürzere Arbeitszeit

BLICK IN DIE PRESSE (Rosemarie Steffens)

04 Bayerische Wirtschaft kritisiert neue Entsenderichtlinie der EU.

05 Hessenmetall: „Mehr Geld für weniger Arbeit geht gar nicht!“

06 IGM befragt Beschäftigte zum Thema Vereinbarkeit von Familie und Beruf.

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01 Entsenderichtlinien im Vorfeld des EU-Gipfels auf den Weg gebracht

Für die Errichtung einer europäischen Säule sozialer Rechte findet am 17. November in Göteborg ein EU-Gipfel statt.

„Zu den Kernthemen des Gipfeltreffens gehören gut funktionierende und faire europäische Arbeitsmärkte, wirksame und nachhaltige Systeme der sozialen Absicherung sowie die Förderung des sozialen Dialogs auf allen Ebenen“, heißt es in der Pressemitteilung der Europäischen Kommission dazu. Die Säule enthält 20 soziale und beschäftigungspolitische Prinzipien, die in drei Kapitel gegliedert sind: 1. Chancengleichheit und Arbeitsmarktzugang, 2. faire Arbeitsbedingungen und 3. Sozialschutz und soziale Inklusion. „Die ESSR bringt keinen Paradigmenwechsel für die Sozialpolitik in der EU. Das Primärrecht soll nicht geändert werden, etwa durch eine soziale Fortschrittsklausel oder den Beitritt der EU zur Sozialcharta des Europarats. Beides hatte das Europäische Parlament für die ESSR gefordert. Es werden somit keine neuen EU-Kompetenzen für die Sozial- und Beschäftigungspolitik vorgeschlagen, mit denen den harten ökonomischen und fiskalpolitischen Regeln gesetzgeberisch etwas entgegengesetzt werden könnte. Jedoch wird die ESSR von einigen Maßnahmen begleitet, die soziale Fortschritte mit sich bringen könnten …“, so bewertete Thilo Janssen in den Politischen Berichten 5/2017 die Vorbereitungen. Zu den Ergebnissen wird er in der nächsten Ausgabe berichten. Im Vorfeld des Sozialgipfels sind neue Entsenderichtlinien auf den Weg gebracht worden. Wir dokumentieren die Stellungnahmen der IG BAU und des DGB.

Thorsten Jannoff, Gelsenkirchen

02 Europäische Entsenderichtlinie: IG BAU: EU kommt auf dem Weg zu fairer Arbeit einen Schritt weiter

Frankfurt am Main – Die Industriegewerkschaft Bauen-Agrar-Umwelt (IG BAU) begrüßt die Einigung der europäischen Arbeits- und Sozialminister auf eine Verbesserung der Entsendebedingungen für Arbeitnehmer in der EU. Gestern Abend (für die Red.: Montag, 23. Oktober 2017) einigten sich die Minister auf ihre Verhandlungsposition für eine dringend erforderliche Reform der Entsenderichtlinie. Letztere gilt seit 1996 und zementiert derzeit noch die deutlich schlechtere Entlohnung von Arbeitnehmern, die in anderen EU-Staaten tätig sind. „Der EU-Ministerrat ist einige Schritte in Richtung faire Arbeit in der EU gegangen. Er setzt damit ein positives Signal für Beschäftigte in Europa“, sagte der Stellvertretende IG BAU-Bundesvorsitzende Dietmar Schäfers. „Es ist gut, dass der Rat die Initiative aus dem Sozialausschuss des Europäischen Parlaments aufgenommen und sogar noch verstärkt hat. Das setzt die Gegner der Verbesserung im Parlament unter erheblichen Druck. Wir sind deshalb jetzt ein bisschen optimistischer, dass es doch noch zu einer besseren Entsenderichtlinie kommt. Die mögliche Verbesserung im Arbeitsrecht allein reicht aber noch nicht, um das Dumping bei der Entsendung zu beenden. Die EU muss nun schnellstmöglich auch die Voraussetzungen für die Gleichbehandlung entsandter Arbeitnehmer in Fragen der Sozialversicherungsbeiträge schaffen.“

Der Ministerrat hat sich gegen Widerstände insbesondere aus osteuropäischen Staaten darauf geeinigt, dass entsandte Arbeiter im Prinzip genauso entlohnt werden sollen wie ihre Kollegen des Gastlandes. Entsendefirmen könnten damit zukünftig verpflichtet werden, außer Mindestlöhnen auch andere Vergütungsbestandteile, wie es sie in Deutschland am Bau etwa für schwere Arbeiten gibt, zu zahlen. Ihre Beschäftigten hätten dann ebenso Anspruch auf die Erstattung von Fahrt- und Unterkunftskosten wie hiesige Kollegen. Die Dauer der Entsendung soll erstmals auf in der Regel zwölf Monate, maximal 18 Monate begrenzt werden. Der durch die bisherigen Regelungen der Entsenderichtlinie verursachte Lohndruck in der EU wird mit den nun vorgesehenen Reformen deutlich reduziert. Für eine vollständige Gleichbehandlung der entsandten mit heimischen Arbeitnehmern ist damit jedoch noch nicht gesorgt. Weiterhin liegen die Sozialversicherungsbeiträge für entsandte Arbeitnehmer auf dem niedrigen Niveau des Herkunftslandes. www.igbau.de

DGB: Scharfe Kritik an Ausnahmen bei Entsenderichtlinie

Die Arbeits- und Sozialminister der EU haben sich auf schärfere Regeln gegen Lohn- und Sozialdumping bei der Entsenderichtlinie geeinigt. Der DGB begrüßt das – doch kritisiert scharf, dass etwa der Verkehrssektor von der Richtlinie ausgenommen sein soll.

Zur Einigung der Arbeits- und Sozialminister der EU zu Entsenderichtlinie erklärte DGB-Vorstandsmitglied Annelie Buntenbach: „Wir begrüßen, dass sich die Arbeits- und Sozialminister in der Nacht auf einen Kompromiss geeinigt haben. Damit ist eine wichtige Hürde genommen worden, um endlich Verbesserungen für entsandte Beschäftigte zu erreichen. Trotzdem fällt das Votum der Minister weit hinter das Verhandlungsmandat des Beschäftigungsausschusses im EU-Parlament zurück. Scharf zu kritisieren ist zum Beispiel, dass der Verkehrssektor von der Richtlinie ausgenommen sein soll. Außerdem sind die Regelungen für die Erstattung von Reise- und Unterkunftskosten unklar. Für eine echte Stärkung der Rechte entsandter Beschäftigter muss sich der Rat in den anstehenden Trilog-Verhandlungen deutlich auf das Europäische Parlament zu bewegen.“ www.dgb.de

Abb. (nur im PDF): Baustellenfoto

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03 Dokumentiert: IG Metall fordert 6 Prozent mehr Entgelt und eine Wahloption für kürzere Arbeitszeit

Frankfurt am Main – Die IG Metall fordert für die rund 3,9 Millionen Beschäftigten in der Metall- und Elektroindustrie eine Erhöhung der Entgelte und Ausbildungsvergütungen von 6 Prozent für eine Laufzeit von 12 Monaten. Zudem will die IG Metall einen individuellen Anspruch auf Reduzierung der wöchentlichen Arbeitszeit auf bis zu 28 Stunden für einen Zeitraum von bis zu 24 Monaten durchsetzen. Das beschloss der Vorstand der Gewerkschaft am Donnerstag in Frankfurt … Zugleich gehe es bei dem individuellen Anspruch auf Absenkung der Arbeitszeit um eine echte Wahloption und damit um ein Stück Freiheit und Gestaltung des eigenen Lebens. „Das Ziel ist mehr Selbstbestimmung bei der Arbeitszeit. Die Flexibilisierung der Arbeitszeit in den Betrieben darf nicht weiter einseitig zu Lasten der Beschäftigten gehen, sie muss ihnen auch nutzen“, sagte Hofmann …Die Forderung zur Arbeitszeit sieht vor, dass die Beschäftigten ihre regelmäßige Arbeitszeit künftig ohne Begründungszwang für zwei Jahre auf bis zu 28 Stunden in der Woche reduzieren können. Danach besteht der Anspruch, auf die ursprüngliche Arbeitszeit zurückzukehren. Dies soll für alle Tarifgebiete in West- und Ostdeutschland gelten. Beschäftigte, die ihre Arbeitszeit reduzieren, um Kinder unter 14 Jahren im Haushalt zu betreuen oder Familienangehörige zu pflegen, sollen einen fixen Zuschuss von 200 Euro erhalten, wenn sie ihre wöchentliche Arbeitszeit um mindestens 3,5 Stunden oder mehr reduzieren.

Beschäftigte in Schichtarbeit oder anderen gesundheitlich belastenden Arbeitszeitmodellen, die ihre Wahloption nutzen und ihre Jahresarbeitszeit (Schichten) verkürzen, sollen ebenfalls einen Entgeltzuschuss erhalten. Er soll bei 750 Euro pro Jahr liegen. „Damit wird auch für weniger gut Verdienende die Arbeitszeitreduzierung eine reale Option“, sagte Hofmann.

Neben der Forderung zu Entgelt und Arbeitszeit will die IG Metall folgende Themen in den Verhandlungen ansprechen:

Die Reduzierung der Arbeitszeit darf nicht zu mehr Leistungsdruck führen. Daher wird empfohlen, mit den Arbeitgebern auch über Regelungen zum Personalausgleich zu reden.

Außerdem soll erreicht werden, dass die Auszubildenden und dual Studierenden zur Vorbereitung auf Prüfungen einen bezahlten freien Tag je Prüfung erhalten.

Für die Tarifgebiete in den ostdeutschen Bundesländern will die IG Metall eine belastbare Verhandlungsverpflichtung für einen Prozess zur Angleichung der Entgelte, Arbeitszeiten und Arbeitsbedingungen erreichen.

Die Verhandlungen starten ab dem 15./16. November in den Tarifgebieten. Die Tarifverträge sowie die Friedenspflicht laufen am 31. Dezember 2017 aus.

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BLICK IN DIE PRESSE

(Rosemarie Steffens)

04 Bayerische Wirtschaft kritisiert neue Entsenderichtlinie der EU. Vereinigung der Bayerischen Wirtschaft (vbw), Mi., 25.10.17. – An entsendete Arbeitnehmer sollen künftig vom ersten Tag an der Grundsatz „gleicher Lohn für gleiche Arbeit am gleichen Ort“ gelten und ab über 12 Monate dauernden Entsendungen grundsätzlich die Beschäftigungsbedingungen des Aufnahmestaates zur Anwendung kommen. vbw Hauptgeschäftsführer B. Brossardt: „Entsendungen stehen dadurch künftig unter Generalverdacht. Die Unternehmen werden mit bürokratischen Belastungen überzogen, müssen über die Mindestlöhne hinausgehende Entgeltregelungen beachten. Das bedeutet teurere Mitarbeiterentsendungen.“ Es wären nicht nur Unternehmen aus geringeren entlohnenden Staaten betroffen, sondern auch aus Deutschland: Brossardt: „Gerade für die exportorientierte deutsche Wirtschaft sind Entsendungen unverzichtbares Mittel zur Erbringung von Dienstleistungen im EU-Binnenmarkt. …“ www.vbw-bayern.de

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05 Hessenmetall: „Mehr Geld für weniger Arbeit geht gar nicht!“ Hessenmetall, Di., 24.10.17. – Die Empfehlung der Tarifkommission IG Metall Mitte einer Forderung von plus 6 Prozent, Teilzeitanspruch mit partiellem Entgeltausgleich sowie Rückkehrrecht zur Vollzeit an den IG Metall-Vorstand weisen die Metallarbeitgeber zurück. Die Unternehmen müssten gewaltige Herausforderungen wie die digitale Transformation und die über Jahre dauernde Umstellung auf neue Antriebe wie Elektromobilität stemmen. Wenn diese Investitionen nicht in ausländische, sondern in unsere heimischen Standorte fließen sollen, dürfen wir unsere zukünftige Wettbewerbsfähigkeit vor Ort nicht durch unvernünftige Kostensteigerungen gefährden“, so Hauptgeschäftsführer Pollert. www.hessenmetall.de

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06 IGM befragt Beschäftigte zum Thema Vereinbarkeit von Familie und Beruf. IGM Heidelberg, Do., 2.11.2017 – Flexible Arbeitszeitmodelle sind ein Schlüssel für die Vereinbarkeit von Beruf und Familie. Im Rahmen der Bündnis-Lounge stellt die IG Metall Heidelberg am 7.11.17 die Ergebnisse der Befragung vor: Ein gesetzlich garantiertes Rückkehrrecht auf Vollzeit wünschen knapp 90% der Beschäftigten, die an der bundesweiten Mitarbeiterbefragung „Mein Leben, meine Zeit – Arbeit neu denken“ der IG Metall teilnahmen. Die Meisten wünschen sich, die Arbeitszeit für einen begrenzten Zeitraum zu reduzieren und anschließend wieder in Vollzeit zurückzukehren. www.heidelberg.igm.de

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