Quelle: Politische Berichte Nr. 12, 2017 • Gesamtausgabe: PDF Inhaltsverzeichnis: TXT ⯈ H O M E

Forcierte Militarisierung – EU-Rüstungsfonds

Mit einer Mitteilung hat die Europäische Kommission im November letzten Jahres einen Europäischen Verteidigungs-Aktionsplan vorgelegt (COM[2016]950 final). Ein wesentliches Ziel ist die Einrichtung eines Verteidigungsfonds mit einem Forschungsfenster (jährlich 90 Millionen Euro bis 2020, danach jährlich 500 Millionen Euro) und einem Fähigkeitsfenster. Dieses Fähigkeitsfenster soll einen Referenzbetrag von jährlich 5 Milliarden Euro umfassen, finanziert von den Mitgliedsstaaten durch Beiträge für je spezifische Projekte; allerdings hat die Kommission bezüglich dieses Fensters angekündigt: „sämtliche Möglichkeiten der Finanzierung des ‚Fähigkeitsfensters‘ aus dem EU-Haushalt zu prüfen, die mit den Verträgen im Einklang stehen“. Garniert wird dieser Vorschlag mit der Aufforderung an die Mitgliedsstaaten, wohl den Struktur- und Investitionsfonds als auch den Fonds für Maßnahmen zur regionalen Entwicklung für Rüstungsprojekte zu nutzen.

Im Juni diesen Jahres hat die Europäische Kommission dann eine Mitteilung und einen Verordnungsentwurf (KOM[2017]295 und 294) zur praktischen Umsetzung dieser Vorhaben vorgelegt. Abweichungen gegenüber der Mitteilung zeigen eine Forcierung der Aktivitäten. Neu ist die Vorgabe, dass der nächste mehrjährige Finanzrahmen ein Programm mit mindestens einer Milliarde Euro jährlich für das „Fähigkeitsfenster“ beinhalten soll. Ebenfalls neu die Perspektive einer gemeinsamen Beschaffung, also eine europäisch koordinierte Ausstattung der Armeen. Im Finanzrahmen für die Zeit nach 2020 soll ein explizites Rüstungsforschungsprogramm aufgenommen werden. Entgegen den Ankündigungen aus 2016 soll allerdings schon jetzt ein zweijähriges Programm (2019/20) aufgelegt werden, das 500 Millionen Euro in die Rüstungsforschung und Beschaffung (Fähigkeitsfenster) pumpt.

Der Wirtschafts- und Sozialausschuss (WSA) hatte in seiner Stellungnahme zur Mitteilung von 2016 immerhin eine Öffnung von Fonds, die der wirtschaftlichen und sozialen Entwicklung in Europa dienen, abgelehnt.

In der Diskussion des WSA zu den beiden neuen Dokumenten konnte immerhin eine Streichung des Vorschlages erreicht werden, dass mindestens zwei Prozent der nationalen Forschungsausgaben in den Rüstungsbereich fließen sollen.

Es bleibt zu hoffen, dass die gesetzgebenden Institutionen der Kommission bei ihrer Umwidmung von Haushaltsmitteln nicht folgen und auch die Zivilgesellschaft in den weiteren Diskussionsprozess einbeziehen.

Interessant in diesem Zusammenhang ist die Wortwahl der Kommission bezüglich der anstehenden Entscheidungsprozesse zwischen Parlament, Rat und Kommission, die ja durchaus vorsehen, dass Entwürfe auch substantiell geändert oder verworfen werden können: Nächste Schritte: „zügige Überprüfung und Annahme durch die Mitgesetzgeber“.

Der gesamte Vorgang zeigt auch die Schattenseiten des Brexits auf einer Ebene, die bisher überhaupt nicht in den öffentlichen Betrachtungen vorkam. Es entfällt die Bremsfunktion des Königreichs gegenüber einer Militarisierung in Europa, die das Königreich in der Vergangenheit faktisch (sicher aus eigener Interessenlage) hatte.

Rolf Gehring, Brüssel

Abb.: Leopard-Panzer A7 von Krauss-Maffei-Wegmann. Seit 2014 besteht die Absicht, diese Firma mit dem französischen Staatsrüstungskonzern Nexter zu fusionieren.

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