Aus Politische Berichte Nr. 1/2018, S. 4, • InhaltsverzeichnisPDFPB-Archiv

Thema Katalonien

01 Nach der Wahl – „Legislaturperiode in Handschellen“? Claus Seitz,

02 Spanien: Der asymmetrische Staat der autonomen Gemeinschaften. Claus Seitz,

01 Nach der Wahl – „Legislaturperiode in Handschellen“?

Claus Seitz, Schweinfurt/San Sebastián, 10.1.2018

Die separatistischen Parteien haben bei einer Rekordwahlbeteiligung von 82 % ihre Position behaupten können. Mit der absoluten Mehrheit der Sitze können sie zumindest theoretisch ihre Regierung wiederherstellen. – Junts per Cataluña (JxCat) übertraf gegen alle Vorhersagen knapp Esquerra Republicana (ERC). Bei der letzten Wahl waren die beiden großen nationalistischen Parteien noch mit einer einheitlichen Liste angetreten. JxCat setzte auf eine einfache, effektive Formel: Eine Wahlliste ohne Parteinamen, mit Kandidaten der katalanischen Zivilgesellschaft und dem einzigen Programmpunkt: „Wiederherstellung der legitimen Regierung“, „Puigdemont unser Präsident“! – Die Separatisten erreichten ihre besten Ergebnisse in ihren Hochburgen im Landesinneren und auf dem flachen Land (Provinzen Lleida und Girona). Die antikapitalistische, separatistische CUP verlor 6 von 10 Sitzen.

Mit Ciudadanos hat eine Partei die meisten Stimmen erhalten, die 2006 explizit als Gegenprojekt zum katalanischen Nationalismus gegründet wurde. Das unverantwortliche Vorgehen der Separatisten, einseitig die Unabhängigkeitserklärung zu betreiben, und die Bedenken einer Hälfte der Gesellschaft zu negieren, hat die gesellschaftliche Fraktionierung verstärkt, extreme Positionen gestärkt und Ciudadanos Wähler zugetrieben.

Ciudadanos gewann vor allem im bevölkerungsdichten, ehemals roten Gürtel (industrielle Zone) in und um Barcelona, in dem ein hoher Anteil innerspanischer Immigrantenfamilien lebt, traditionell Hochburg der Sozialisten. Neben der Mehrheit der Wahlbezirke in Barcelona (arme und reiche Stadtviertel) gewann Ciudadanos in zehn weiteren wichtigen Städten wie Tarragona.

Der Wahlkampf von Ciudadanos war aggressiv: Gegen die Unabhängigkeit Kataloniens, keine Konsens- oder Integrationsangebote, für Rezentralisierung in der Nationalitätenfrage, insbesondere in der Sprachenpolitik, verbunden mit einer Kritik von rechts an der „Feigheit von Regierungschef Rajoy“.

Rajoys Volkspartei (PP) erreichte mit nur vier Sitzen nicht mehr Fraktionsstärke. José Maria Aznar, Ex-Regierungschef, der 2016 seine PP-Ehrenpräsidentschaft niederlegte, unterstützte offen Ciudadanos. Nach der Wahl lobte Aznars Stiftung FAES den Wahlkampf von Ciudadanos in höchsten Tonen und kritisierte die Politik der Rajoy-Regierung scharf. Das extrem rechte Lager erhöht den Druck auf die Regierung. Dazu Fernando Lopez Agudin (Diario Publico, 30.12.17.) „Es handelt sich nicht nur um eine weitere Schlacht, weil von seinem Ausgang abhängt, ob eine autoritäre Abdrift des Regimes von 1978 gestoppt werden kann oder nicht. Zerbrechen jetzt mögliche Verhandlungen zwischen Unionisten und Unabhängigkeitsbefürwortern, wird das schädlich sein für Katalonien wie für Spanien, aber ebenso für das demokratische System und vor allem für die Perspektiven der progressiven Kräfte.“ – Die katalanischen Sozialisten (PSC), in der Erwartung hoher Stimmenzuwächse gestartet, stagnieren (+ 1 Sitz). Ihre Botschaft: Für Artikel 155, gegen einseitige Unabhängigkeit, föderale Lösung für Spanien, bessere Finanzierung Kataloniens.

CatComú-Podem (die linken Kräfte um Ada Colau, der Bürgermeisterin von Barcelona, und Podemos) positionierte sich zwischen den Blöcken und verlor drei von elf Sitzen. Ihre Forderungen: Vorrang für soziale Politik, gegen den Artikel 155, gegen die einseitige Unabhängigkeitserklärung, für ein paktiertes Referendum mit Garantien.

In der zugespitzten Situation wogen offensichtlich das jeweilige Nationalgefühl der Wähler, ihr Wunsch mit Spanien zu brechen oder nicht, die Abstammung ihrer familiären Wurzeln schwerer als soziale Interessen. Zwischen den Blöcken scheint es kaum Wähleraustausch gegeben zu haben.

Regierungsbildung offen

Ob die separatistischen Parteien am 31.1. ihre Mehrheit im Parlament tatsächlich herstellen und danach eine arbeitsfähige Regierung bilden können, ist fraglich: Bis jetzt sind 19 gewählte Abgeordnete wegen der Durchführung des Referendums und der Unabhängigkeitserklärung angeklagt, fünf haben sich in Brüssel dem Zugriff der spanischen Justiz entzogen, drei sitzen in Vorbeugehaft. Unklar ist, ob die Justiz inhaftierte Abgeordnete an den Parlamentssitzungen teilnehmen lässt.

100 spanische Juraprofessoren lehnen die gegen die Ex-Generalitat u.a. erhobenen Anklagepunkte gewalttätiger Aufstand und Auflehnung gegen die Staatsgewalt (mit über 30 Jahren Haft bedroht) ab oder sehen sie zumindest sehr kritisch. Der Oberste Gerichtshof bekräftigt jedoch die Anklage und beschleunigt die Verfahren. Vor Ablauf eines Jahres sollen die Urteile gefällt sein, in deren Konsequenz die Verurteilten keine politischen Ämter mehr begleiten dürften.

JxCat und Puigdemont treten die Flucht nach vorne an und spinnen weiter an der Linie des Wahlkampfs: „Einen anderen als Puigdemont zum Präsidenten zu wählen, käme einer Akzeptanz des mentalen Rahmens des Artikel 115 gleich.“ „Damit der Präsident zurückkehren kann, muss man ihn wählen. Die Leute haben das gemacht. Was die Leute gemacht haben, kann das Parlament nicht verändern.“ „Ein politischer Pakt mit dem Staat“ müsse die Rückkehr Puigdemonts ohne Inhaftierung garantieren. Falls der Staat sich weigert, müssten die Abgeordneten den Präsidenten in Abwesenheit, z.B. per Videokonferenz, ins Amt heben oder Neuwahlen einberufen werden.

Die größte katalanische Tageszeitung „La Vanguardia“ appelliert am 1.1.18: „Katalonien benötigt eine neue Regierung, je stärker umso besser, und eine Überwindung des Artikel 155. Eine Regierung die die ‚Anwandlungen der Republik‘ wegschiebt und versucht den Bürgern Mut und Optimismus einzuflößen, um zu verhindern, dass Erschöpfung eintritt … Jetzt ist die Stunde des Regierens und des Versuchs, einen Dialog mit der Zentralregierung zu starten, … so schwierig und unmöglich es auch erscheinen mag. Gewiss hilft dabei die Situation der Vorbeugehaft für Jordi Sànchez, Jordi Cuixart, Joaquin Forn y Oriol Junqueras überhaupt nicht, eine absolut ungerechte Situation …, aber das darf kein Motiv für die Lähmung der beginnenden Legislative sein. Katalonien muss seine Regierung wiedererlangen und die Normalität des Handels der Generalitat.“

Abb. (PDF): Wahlkampfplakate von Ciudadanos („Jetzt, wenn ich mich ändere“) und JxC („Puigdemont, unser Präsident“)

Abb. (PDF): Wahlergebnis Katalonien

02 Spanien: Der asymmetrische Staat der autonomen Gemeinschaften

Claus Seitz, Schweinfurt/San Sebastián

Der Kampf um demokratische und soziale Rechte gegen die spanischen Oligarchien fand immer in enger Verbindung mit den Bewegungen für Autonomie und Anerkennung der Rechte der sogenannten historischen Nationalitäten, Baskenland, Katalonien und Galizien statt. In der zweiten Republik von 1931 bis 1936 erlangten diese per Volksentscheid Autonomiestatute, konnten die Autonomie wegen des Armeeputsches aber nur kurz oder überhaupt nicht realisieren. Seit 1833 hatten innerhalb des Zentralstaats lediglich 50 Provinzen als Administrationseinheiten existiert, an deren Spitze ein Zivilgouverneur der Regierung stand.

In der Phase des Übergangs von der Francodiktatur zur Demokratie fanden im Baskenland und in Katalonien Massendemonstrationen für die Wiederherstellung früherer Selbstbestimmungsrechte statt. Am 29. September 1977 konnte der katalanische Exil-Präsident Josep Tarradellas wieder nach Spanien einreisen und wurde formal zum Präsidenten einer provisorischen katalanischen Regierung ernannt. Noch vor Verabschiedung der Verfassung wurden Präautonomien in Katalonien und im Baskenland eingerichtet.

Die Verfassungsdebatte selbst fand in keiner anderen Frage unter solcher Hochspannung und unter solchem Druck durch die Militärs statt wie beim Thema Rechte der historischen Nationalitäten und territoriale Struktur. Die Sonderregelungen für Katalonien und das Baskenland nährten die Ängste der franquistischen Vertreter, weil sie darin eine Gefahr für die territoriale Einheit des Landes sahen. Im Diskurs setzen sich die Gegner eines föderalen Systems durch.

Die Bildung der autonomen Gemeinschaften

Die Verfassung vom 29.12.1978 ließ die territoriale Gliederung des Landes offen. Um den Eindruck zu vermeiden, dass nur Forderungen der historischen Nationalitäten erfüllt würden, wurde allen 50 Provinzen die Möglichkeit eingeräumt, sich zu autonomen Gemeinschaften zusammenzuschließen. Mit dem Schlagwort „Kaffee für alle“ charakterisiert man diesen Prozess in Spanien. Die Provinzen sollten mit der Zentralregierung Autonomierechte aushandeln können, je nach Bedarf im Verfahren, im Zeitablauf und im Kompetenzumfang abweichend voneinander. Zwischen 1979 und 1983 bildeten sich 17 autonome Gemeinschaften auf zwei unterschiedlichen Kompetenzniveaus mit jeweils eigenem Statut.

Katalonien, Baskenland, Navarra, Galicien, dazu noch Andalusien, Valencia und die Kanarischen Inseln erlangten „auf schnellem Weg“ die administrative und politische Autonomie. Sie konnten alle Kompetenzen, die nicht als exklusiv staatlich in Artikel 148 der Verfassung aufgeführt sind, in ihre Autonomiestatute übernehmen. Die restlichen zehn autonomen Gemeinschaften konnten „auf langsamen Weg“ aus einer eingeschränkten Listen administrative Kompetenzen auswählen.

Nachdem Madrid, Kastilien-León, Kastilien-La Mancha sowie Murcia und Aragonien die Autonomie zuerst abgelehnt hatten, wurde im ersten Autonomiepakt (Juli 1981) die flächendeckende Bildung autonomer Gemeinschaften festgelegt. „Die kastilischen Kerngebiete und andere Regionen identifizieren sich traditionell mit dem Gesamtstaat, das Bewusstsein regionaler Eigenart ist nur gering ausgeprägt, „so dass man gelegentlich diese anderen Autonomen Gemeinschaften als ‚künstlich errichtet‘ statt als historisch gewachsen bezeichnet“. [1]

Fünf Jahre nach Inkrafttreten ihrer Autonomiestatuten sollten diese auf das höhere Kompetenzniveau gelangen. Mit dem zweiten Autonomiepakt (Febr. 1992) kam es per Organgesetz zu einer beträchtlichen Ausweitung der Kompetenzen im zweiten Niveau.

Die Statuten der autonomen Gemeinschaften haben rechtlichen Doppelcharakter, sie sind Organgesetze des spanischen Staates und als solche vom spanischen Parlament gebilligt, gleichzeitig sind sie wesentlicher Teil der Rechtsordnung der Autonomien.

Die Auseinandersetzung um die Weiterentwicklung der Autonomien, um ihre Kompetenzen und Finanzierung wurden in der Folgezeit immer stark von den Initiativen und Forderungen Kataloniens geprägt.

„Wirtschaftliches Zusammenspiel“ (concierto economico) mit dem Baskenland und Navarra

Die erste zusätzliche Verfügung der Verfassung anerkannte die „historischen Foralrechte“ des Baskenlands und Navarras, das sog. concierto economico. Das baskische aus dem Jahr 1878 stammend, und nur während der Francodiktatur für die beiden baskischen „Verräterprovinzen“ Biskaya und Gipuzkoa aufgehoben, wurde 1981 wieder in Kraft gesetzt.

Den beiden autonomen Gemeinschaften wurde Finanzhoheit eingeräumt, unter der einzigen Voraussetzung, dass der Steuerdruck vergleichbar sein müsste mit dem im restlichen Staat. Seither liegen im Baskenland Gesetzgebung, Verwaltung und Vereinnahmung der Steuern weitgehendst bei den Finanzbehörden der drei baskischen Provinzen. Für die Leistungen, die der Staat für die beiden autonomen Gemeinschaften erbringt, z.B. in der Verteidigungspolitik, für die Auslandsbotschaften oder für die Nationalmuseen, entrichten diese den cupo (Anteil) an den spanischen Staat. Der cupo wird alle fünf Jahre überprüft und neu ausgehandelt, er stellt eine Primärverpflichtung dar, d.h. er muss unabhängig von der Entwicklung der baskischen Steuereinkünfte aufgebracht werden („System einseitigen Risikos“). Das Baskenland und Navarra hängen somit völlig von ihrer eigenen Steuerkraft ab. Das durchschnittliche Steuerniveau war im Baskenland seit 1981 immer um ca. drei Prozentpunkte höher als im restlichen Staat.

Die conciertos regeln überdies Beiträge zum innerspanischen Solidaritätsfonds. Eigene Foralrechte bestehen auch beim ehelichen Güter- und Erbrecht. Seit 2008 werden die foralen Rechte des Baskenlands und Navarras von der EU anerkannt.

Katalonien wurden keine foralen Rechte zugestanden, weil sie auch in der Vergangenheit schon lange nicht mehr bestanden hätten.

In allen anderen Autonomien gilt das „régimen común“, das allgemeinen Finanzsystem, hier liegt die Steuergesetzgebung im Wesentlichen beim Zentralstaat. Die Steuern werden durch die staatlichen Finanzämter vereinnahmt. Die autonomen Gemeinschaften erhalten dann von den auf ihrem Gebiet vereinnahmten Steuern Anteile (insbesondere 50 % der Einkommensteuer und der Mehrwertsteuer, 100 % der Vermögensteuer) zurück. Weitere Zuwendungen werden alle fünf Jahre neu verhandelt.

Wegen der unterschiedlichen Regelungen und Autonomiegrade der einzelnen Gemeinschaften, z.B. verfügen nur Baskenland, Navarra und Katalonien über eigene Polizeikräfte, und wegen der grundsätzlichen Verschiedenartigkeit der Finanzsysteme spricht man von der „Asymmetrie des spanischen Staates der autonomen Gemeinschaften“. Die Asymmetrie wurde bewusst in der Verfassung so angelegt. Heute wird sie im politischen Diskurs gerne negativ als Kritik an „Privilegien“ einzelner autonomer Gemeinschaften herangezogen.

Vergleich mit dem deutschen Föderalsystem

Die deutschen Länder sind souverän, sie verfügen über eigene Staatlichkeit, Verfassung, und Gerichtsbarkeit, fast alle über ein eigenes Landesverfassungsgericht und sie können innerhalb ihrer Kompetenzen völkerrechtliche Verträge abschließen.

Die Autonomiestatute sind nur Grundlagengesetze. Die autonomen Gemeinschaften verfügen nur über eine abgeleitete Souveränität und über keine eigenen Verfassungsgerichte. Die judikative Gewalt liegt ausschließlich beim Zentralstaat, die Gerichte sind Organe der Zentralgewalt.

In Deutschland gilt der Grundsatz der Länderzuständigkeit. In Spanien kann man gerade umgekehrt von einer Kompetenzvermutung für die Zentralgewalt sprechen.

Alle Materien, die nicht von vornherein dem Staat zugewiesen sind, noch in ein Autonomiestatut aufgenommen sind, stehen dem Staat zu.

Der wesentlichste Unterschied besteht darin, dass im spanischen Verfassungssystem ein Einfluss der autonomen Gemeinschaften auf die gesamtstaatliche Gesetzgebung und auf das Staatshandeln, wie ihn die Bundesländer über den Bundesrat ausüben können, nicht vorgesehen ist. Den autonomen Gemeinschaften steht nicht einmal das Recht der Gesetzesinitiative zu.

Der spanische Senat ist ein äußerst einflussloses und dem Abgeordnetenhaus völlig untergeordnetes Organ, eine sog. Zweitlesungskammer.

Die Finanzverfassung des deutschen Grundgesetzes ist tragender Pfeiler der bundesstaatlichen Ordnung und soll eine ausreichende Finanzausstattung der Länder und somit deren Eigenständigkeit und Eigenverantwortlichkeit gewährleisten.

Wie gesehen liegt in Spanien (mit Ausnahme der Foralsysteme des Baskenlands und Navarras) die politische Verantwortung für die Erhebung der Steuern bei der Zentralgewalt. Das Finanzsystem ist weniger von dem Streben nach Eigenständigkeit der autonomen Gemeinschaften geprägt als von einer Tendenz zur Umverteilung, zum Ausgleich der stark unterschiedlichen Wirtschafts- und Lebensbedingungen. Eine finanzielle Autonomie besteht nicht wirklich.

Streit um Kompetenzen und Gesetze

37 der im baskischen Statut von 1979 aufgeführten Kompetenzen wurden bis heute entgegen der im Statut eingegangenen Verpflichtung nicht auf die autonome Gemeinschaft Baskenland übertragen. Insbesondere während des Zeitraums der absoluten Mehrheit der Volkspartei (PP) (2000 bis 2009) und neuerdings seit dem Regierungsantritt Rajoys (2011) wurden keine Veränderungen vorgenommen. Vor dem Verfassungsgericht hat der Staat eine Batterie von Klagen eingereicht gegen Gesetze und Dekrete autonomer Gemeinschaften.

Kritische Stimmen sprechen davon, dass seit dem Urteil gegen das katalanische Statut (2010) ein intensiver, unbegrenzter Prozess der Rezentralisierung von Kompetenzen von Seiten des Staates stattfinden würde. Der Staat mische sich in jeden autonomen Kompetenzbereich ein. „Im Grunde genommen wandeln wir uns faktisch in Verwalter der staatlichen Politik. Wir haben die Befähigung zur Verwaltung, aber wir fällen nicht die Entscheidungen. Die Rezentralisierungstendenz ist unbestreitbar.“ (Lander Martínez, Podemos Euskadi).

Aktuelle Finanzierungsprobleme

Im Zusammenhang mit der Banken- und Finanzkrise explodierten seit 2007 die Haushaltsdefizite der autonomen Gemeinschaften des régimen común. Fehlende Einnahmen wurden durch zunehmende Verschuldung, insbesondere beim Staat, kompensiert. Ende 2016 beliefen sich die Schulden auf insgesamt ca. 277 Milliarden Euro, ca. ein Viertel der gesamten öffentlichen Schulden Spaniens (Valencia z.B. 44,7 Mrd. Euro Schulden = 42,5% des regionalen Bruttosozialprodukts; Katalonien 75,1 Mrd. Euro = 35,4 % des BIP.) Die katalanische Regierung und andere haben nur noch einen begrenzten Zugang zu den Finanzmärkten. Die Finanzierung ihrer Aufgaben und der größte Teil ihrer Einnahmen hängen von den Zuwendungen der Zentralregierung ab. Seit 2012 kontrolliert die Zentralregierung die Ausgaben der Autonomien sehr streng und wendet Sanktionen an, die die Kompetenzen der Autonomien erheblich einschränken.

Die Verteilung der Steuereinnahmen und der Ausgleichsfonds zwischen den Regionen erweisen sich als stetiger Quell für Spannungen.

Das Urteil des Verfassungsgerichts gegen das katalanische Autonomiestatut

2005 verabschiedete das katalanische Parlament ein neues Autonomiestatut, das vom spanischen Parlament nach Abänderung der Hälfte seiner Artikel angenommen wurde. Bestätigt durch ein Referendum in Katalonien und unterzeichnet vom spanischen König trat es am 9.8.2006 in Kraft. Auf Grund einer von der PP eingereichten Klage erklärte das Verfassungsgericht 2010 14 Artikel für insgesamt oder teilweise verfassungswidrig. Für 27 weitere Bestimmungen legte es eine verfassungskonforme Auslegung fest.

Seither ist Katalonien die einzige autonome Gemeinschaft, die sich nicht nach einem von ihr selbst ausgearbeiteten und gebilligten Statut richtet. Das Urteil des Verfassungsgerichts von 2010 markiert einen Wendepunkt. Es hat den Weg der Übereinkunft zwischen Katalonien und Spanien gebrochen, einen Kernbestandteil des 1978 erreichten territorialen Abkommens. Es führte dazu, dass die Mobilisierung in Katalonien für die Forderung nach Anerkennung der Souveränität und die Durchführung eines Referendums wie eine Flut anwuchs. Man muss bedenken, dass die Wiederherstellung der katalanischen Generalitat als republikanische Institution, in direkter Verbindung mit der Legitimität der Generalitat der 2. Republik, der eigentlichen Erarbeitung der Verfassung vorausging, in dieser anerkannt wurde und so Teil des konstitutionellen Pakts bildete.

(1) Martin Ibler, Regiones Autonomas und deutscher Föderalismus, Gemeinsamkeiten und Unterschiede, in Europa und Spanien, München, Hanns-Seidel-Stiftung, 2001

Abb. (PDF): Regionen Spaniens