Aus Politische Berichte Nr. 2/2018, S. 2, • InhaltsverzeichnisPDFPB-Archiv

Komplizierte Lage für die britische Regierung

Eva Detscher, Karlsruhe

Die Tories – im britischen Unterhaus nicht mit eigener Mehrheit, sondern auf die Stimmen der irischen Nationalpartei angewiesen – sind in zwei Lager gespalten: Lager eins, die „Brexiters“: May wird als „machtlose Herrin über das Chaos“ bezeichnet, Boris Johnson und Liam Fox haben sich hier hervorgetan. Der neue Führer („Leader“ in englisch ist nicht so belastet wie das deutsche Wort „Führer“) dieses Lagers, Jacob Rees-Mogg, prognostiziert im Falle einer „Übergangslösung“ das Szenario eines „Vasallenstaats“ und nennt Mays Linie „Brino“ – Brexit in name only: also nicht wirklich weg von der EU, sondern Abgaben und den Europäischen Gerichtshof akzeptieren – aber keine Stimme bei Entscheidungen haben. Dieses Lager bringt wieder die Option des Austritts ohne Ergebnis der Gespräche mit der EU ins Spiel.

Das andere Lager, die Remainers, sie wollen mit der EU eng verbunden bleiben (Philipp Hammond, Greg Clark) – haben Ideen für die Lösung der Kernfragen wie: im Dienstleistungshandel weg von der EU, beim Güterhandel in der EU bleiben.

Handelsminister Fox hat 140 Auslandsreisen in den letzten anderthalb Jahren hinter sich gebracht. Handelspolitik ist das wesentliche Schlachtfeld dieses Richtungsstreits in Mays Regierung. Der Industrieverband CBI will nicht raus aus dem Zollverbund. Andere Stimmen aus dem Ökonomenlager (Prof. Minford und die Vereinigung „Economists for free trade“) werfen der EU vor, nicht Freihandel, sondern Merkantilismus würde herrschen. Das Problem nach einem Brexit, dass Großbritannien nicht mehr Teil eines großen Wirtschaftsblocks mit mehr als einer halben Milliarde Konsumenten sein wird, dämmert allmählich allen Beteiligten.

In letzter Zeit kam auch wieder die Idee eines neuen Referendums auf, von Nigel Farage, dem UKIP-Chef während des Referendums: er nahm eine Äußerung des ehemaligen Premierminister David Cameron auf den Fluren beim Davoser Weltwirtschaftsgipfel „Brexit ist ein Fehler, aber keine Katastrophe“ zum Anlass. Gewerkschaftschef Len McCluskey will ein zweites Referendum „nicht mehr ausschließen“, einige Lords des Oberhauses sehen dies auch so. Das Kabinett ist bisher gegen zweites Referendum und spricht vom „Willen des Volkes“. John Major (früherer Premierminister, Tory) sprach von einer „Tyrannei der Mehrheit“.

Jeremy Corbyn, Chef der Labour-Partei, zieht sich auf die Position zurück: „Das Schiff hat die Segel gesetzt.“ Seine ideologischen Vorbehalte gegen die EU führten zu einer Mittellage beim Referendumswahlkampf.

Daniel Finkelstein von der „Times“ befürchtet bei einem neuerlichen Referendum eine Verstärkung des „Anti-Establishment-Effektes“: „Sollten die Wähler den Eindruck haben, dass ein zweites Referendum nur abgehalten wurde, weil Politiker keine Lust hatten, das zu tun, was ihnen vom ersten aufgetragen wurde, könnte das eine Reaktion provozieren, die die Unterstützung für das Verlassen (der EU) noch erhöht.“

Zitate nach „The Guardian“ und „The Daily Telegraph“

Ein lesenswerter Blog zu diesem Thema: London School of Economics and Political Science, http://blogs.lse.ac.uk/europpblog