Aus Politische Berichte Nr. 2/2018, S.3, • InhaltsverzeichnisPDFPB-Archiv

Finnland: Entzauberung der wahren Finnen?

Rolf Gehring, Brüssel

Der konservative Kandidat Sauli Niinistö hat die Präsidentschaftswahl in Finnland am 28. Januar mit 62,7% im ersten Wahlgang klar für sich entschieden und tritt damit seine zweite sechsjährige Amtsperiode an. Mit seiner Präsidentschaft ist eine Ära von sozialdemokratischen Präsidenten zu Ende gegangen, die von 1982 bis 2012 währte. Interessant sind die weiteren Platzierungen. Auf Rang zwei finden sich die Grünen mit 12,4 Prozent und auf Rang drei die nationalistischen und rechtspopulistischen Wahren Finnen mit 6,9 Prozent. Sozialdemokraten und Linke Allianz firmieren abgeschlagen mit jeweils etwa 3 Prozent auf den Plätzen sechs und sieben.

Die Wahren Finnen sind mit ihrem Ergebnis weit hinter ihren 17,6 Prozent bei den letzten Parlamentswahlen 2015 geblieben (2011 = 19%). Vor allem fällt auf, dass sie schon in den vorherigen Präsidentschaftswahlen deutlich hinter ihren Ergebnissen bei den Parlamentswahlen lagen. Einer der Gründe mag darin liegen, dass halt nur ein Präsident gewählt wird und eher aussichtlose Bewerber aus der Betrachtung des Wählers fallen. Bedeutsam dürfte aber vor allem sein, dass der Präsident in Finnland vor allem das Land nach außen vertritt. Hier weist die finnische Politik einige Besonderheiten auf. Es gibt traditionell starke Verbindungen nach Russland, auch in Zeiten der wirtschaftlichen Sanktionen. Das Land weist in einigen wirtschaftlichen Sektoren eine starke Exportorientierung aus. Im letzten Jahr sind die Exporte um 15% gegenüber 2015 gestiegen. Die Leute haben ein Gespür für die Bedeutung der internationalen Verflechtungen. Die EU-Mitgliedschaft hat einen starken Rückhalt in der Bevölkerung. Zwar hatte die Polemik der Wahren Finnen gegen die EU und für die Rückgewinnung nationaler Autonomie gerade in der ersten Phase der Wirtschaftskrise verfangen; ihre Polemik zielte vor allem auf die Einmischung der EU in den Alltag der Bürger. Aber die Partei hat auch bei den Europawahlen bisher deutlich schwächere Ergebnisse (2009: 9,79% und 2014: 12,87% Wahlbündnis mit der christdemokratischen KD) als bei den Parlamentswahlen erzielt.

Der Erfolg der Wahren Finnen verdankte sich auch ihrem Einbruch in traditionelle sozialdemokratische und gewerkschaftliche Milieus. Mehr als die Hälfte ihrer Wähler stammten aus traditionellen Arbeitermilieus. Der Kombination von nationalistischen und rassistischen Positionen mit Forderungen z. B. nach progressiver Besteuerung und Entlastung der kleinen Leute verdankten die Wahren Finnen ihre Apostrophierung als die am weitesten linksstehende der rechtspopulistischen Parteien in Europa. Diese Positionierungen sind verbunden mit Forderungen zur Aufgabe der Zweisprachigkeit (Schwedisch) und von einer Orientierung durchzogen, die auf Identität und eine nötige Erneuerung der Gemeinschaftsbildung der Finnen setzt. Jetzt hatte der gewerkschaftliche Dachverband für Freitag den 2. Februar zu landesweiten Streiks gegen Planungen des Arbeitsminister Jari Lindström (Wahre Finnen bzw. Abspaltung) aufgerufen, die starke Veränderungen und Einschnitte bei den Leistungen für Arbeitslose vorsieht. Wer nicht in bestimmter Zeit eine vorgegebene Anzahl von Bewerbungen und anderen entsprechenden Aktivitäten vorweisen kann, bekommt – innerhalb eines ganzen Strafkatalogs – beispielsweise das Arbeitslosengeld um knapp 5% gekürzt. Allein in Helsinki haben sich 10 000 an einer zentralen Kundgebung beteiligt. Ein wichtiger Beitrag zur Entzauberung der Wahren Finnen.