Aus Politische Berichte Nr. 2/2018, S. 8 • InhaltsverzeichnisPDFPB-Archiv

US-Steuerreform - Christoph Cornides, Mannheim, Rüdiger Lötzer, Berlin

01 Trumps Steuerreform: Hoch riskant, sozial spaltend, ein Treibsatz für weitere internationale Steuer-Standortkonkurrenz

02 US-Steuerrecht – was galt bisher, was ändert sich? Versuch einer Übersicht

03 Erste Reaktion, erste Folgen

01

Trumps Steuerreform: Hoch riskant, sozial spaltend, ein Treibsatz für weitere internationale Steuer-Standortkonkurrenz

Christoph Cornides, Mannheim

US-Präsident Trump preist seine Steuerreform als „phänomenal“ und alles Bisherige übertreffend. Kurz vor Weihnachten des letzten Jahres passierte sie mit knapper Mehrheit den Senat (51 von 100 Stimmen) und das Repräsentantenhaus. Die Demokraten stimmten dagegen. Nach Unterzeichnung durch Trump traten die neuen Steuergesetze zum 1. Januar 2018 in Kraft. In der Tat wurden damit die umfangreichsten Steueränderungen in den USA seit dem Steuersenkungsprogramm von Präsident Reagan 1986, vor etwas mehr als 30 Jahren, verabschiedet.

Kernpunkte der Trump-Steuergesetze

Bei den persönlichen Steuern: Senkung der Erbschaftssteuer durch Verdoppelung der Freibeträge und ab 2025 kompletter Wegfall. Bei der Einkommensteuer neben höheren Freibeträgen Senkung der Steuersätze je Einkommensklasse und des Spitzensteuersatzes. Die Wirkung begünstigt Reiche gegenüber weniger Wohlhabenden und Armen. Wer von drastisch erhöhten Freibeträgen bei Erbschaftsteuer und Einkommensteuer profitieren will, braucht Vermögen und hohes Einkommen, um Vermögen und Einkommen durch „Steuerersparnis“ zu vermehren. Eine Senkung des Steuersatzes um 3% bei 38 000 Dollar Jahreseinkommen macht nicht mehr als 1.140 Dollar aus, 2% weniger bei 500 000 Jahreseinkommen dagegen 10 000 Dollar weniger Steuern.

Gegenüber den Bundesstaaten und Gemeinden wird die Abzugsfähigkeit ihrer Steuern von der Bundessteuer gemindert, d.h. ihre Möglichkeit zur Steuererhebung wird geschwächt, die Steuer-Standortkonkurrenz zwischen den Bundesstaaten und Gemeinden angeheizt.

Das im Trump-Sprech „Riesending“, das „Phänomenale“ an der Steuerreform der Republikaner sollen die Steuersenkungen für Unternehmen werden. Das bezieht sich insbesondere auf die drastische Senkung des Steuersatzes für Unternehmenserträge von 35% auf 21%, die rückwirkend auch für 2017 geltende sofortige Vollabschreibung für alle Investitionen bis Ende 2022 (Investitionen können also aus dem laufenden Unternehmensertrag – und damit Steuer und Fremdkapital sparend – finanziert werden) und auf die steuerlich begünstigte Rückführung von im Ausland „geparkten“ Gewinnen und Vermögen in die USA. Ausländische Investoren, die im großen US-Markt investieren und produzieren wollen, können aus den Steueränderungen Vorteile ziehen.

Gegenfinanzierung und Folgen

Und die Gegenfinanzierung dieser Steuersenkungen bei zusätzlich von Trump noch versprochenen großen öffentlichen Ausgaben für Investitionen in die Infrastruktur? Die Republikaner versprechen: „Das finanziert sich durch Wirtschaftswachstum von selbst.“ Dagegen spricht nicht nur die Erfahrung mit früheren Steuersenkungen. Das überparteiliche „Komitee für die Besteuerung“ rechnet selbst im günstigsten Fall mit einem Anstieg der US-Staatsschulden um weitere 1 000 Milliarden Dollar in den nächsten zehn Jahren. Die US-Staatsschulden liegen jetzt schon über 100% des Bruttoinlandsprodukts. Das wirkt sich auch im Fall der USA auf das Vertrauen ausländischer Anleger aus. Wachsende Nettoverschuldung und steigende Ausgabe von Staatsanleihen treiben die Zinsen in den USA nach oben. Eher verschlechternd für neue Investitionen, günstig für die Umschichtung von Finanzanlagen, weg von Aktienanlagen hin zu Staatsanleihen. Ob, und wenn ja wie, der derzeitige Kurssturz bei den Aktien auch mit Trumps Steuerreform zusammenhängt, wird sich wohl erst rückblickend aufklären.

Was aber deutlich wird: beliebiges Aufblähen der Staatsschulden ist auch für die USA keine Entwicklungsstrategie. Viele scheinbar positive Wirtschaftseffekte der Steuerreform sind außerdem nur vorübergehend (z.B. vorübergehende Vollabschreibung von Investitionen). „America first“ à la Trump in der Steuerpolitik vermag wohl die internationale Steuer-Standortkonkurrenz zu verschärfen, eine Lösung für die strukturellen Probleme der US-Wirtschaft ist sie aber nicht. Das aber war Trumps Versprechen an seine Wählerinnen und Wähler u.a. in den wirtschaftlich abgehängten Gebieten in den USA.

Quellenhinweise: J. Jarass u.a., Steuern und Sozialabgaben in den USA und in Deutschland, der Betriebsberater Nr. 48, 2017; Die Welt, 28.12.17; Die Zeit, 21.12.17; Der Standard, 22.12.17

02

US-Steuerrecht – was galt bisher, was ändert sich? Versuch einer Übersicht

Rüdiger Lötzer, Berlin

Erbschaftssteuer

Die US-Erbschaftssteuer ist bisher höher gewesen als die deutsche. Diese Steuer wird nun effektiv abgeschafft. In der Regel waren bis Ende 2017 40% des gesamten zu versteuernden Nachlasses – oberhalb der Freibeträge – als Steuer abzuführen. 2017 betrug schon der „allgemeine Freibetrag“ 5,45 Millionen Dollar, d.h. Erbschaften unterhalb dieses Betrags mussten nicht versteuert werden. Dieser Freibetrag wird nun für den Zeitraum 2018 bis 2025 verdoppelt. Danach entfällt die Erbschaftssteuer ganz.

Steuern auf Unternehmensertrag, darunter Körperschaftsteuer

Bei den Steuern auf Unternehmensertrag galt bisher bei einem zu versteuernden Jahreseinkommen des Unternehmens bis 50 000 $ ein Steuersatz von 15%, bei zu versteuernden Einkünften von 50.001 bis 75 000 $ ein Satz von 25%, bei 75.001 bis 10 Mio. US-$ zu versteuernden Einkünften ein Steuersatz von 34% und oberhalb von 10 Mio. $ Einkünften ein Satz von 35%. Ab 1.1.2018 gilt für alle zu versteuernden Unternehmenseinkünfte ein einheitlicher Satz von 21%.

Wie auch hierzulande gibt es eine Fülle von Ausnahmeregelungen, Abschreibungen, die die Steuer vermindern. Verlustvorträge etwa sind nach dem neuen Steuerrecht nun nicht mehr wie bisher auf 20 Jahre beschränkt, sondern noch länger möglich. Allerdings dürfen ab 1.1.2018 nur noch Verluste bis 90 Prozent des Einkommens verrechnet werden. Verlustrückträge sind nicht mehr möglich.

Gravierend ist eine Änderung im Abschreibungsrecht. Bisher waren „ratierliche Abschreibungen“ (linear oder degressiv) bei Investitionen möglich, wie auch hierzulande üblich. Jetzt gilt: Anschaffungen von Maschinen usw. („capital investments“) im Zeitraum 27.9.2017 bis 31.12.2022 können nun sofort komplett abgeschrieben werden. Das soll die Investitionen steigern helfen.

Neu sind auch die Regelungen bei Auslandsvermögen. Bisher mussten diese (mit einer einmaligen Steuer von 35%) erst dann versteuert werden, wenn sie in die USA transferiert werden. Nun gilt ein Steuersatz von 15,5% bzw. 8% (je nach Liquiditätsgrad) auf alle solchen Auslandsvermögen. Das soll die Anreize für die „Rückführung“ in die USA vermehren und so zu einem weiteren Anstieg der Investitionen in den USA führen.

Bei der „Steuerbasis“ – also dem Einkommen, das Grundlage der Besteuerung ist, gibt es über die oben genannten großen Änderungen wenig zusätzliche Veränderungen. Nur die Abzugsfähigkeit von „Sollzinsen“, also von Zinsen auf Schulden der Unternehmen, ist geringfügig eingeschränkt.

Insgesamt sollen allein diese Änderungen bei der Unternehmensbesteuerung in den Jahren 2018/2019 zu einem Rückgang der Steuereinnahmen um 130 Milliarden Dollar führen.

Persönliche Einkommenssteuer

Hier galt bisher ein persönlicher pauschaler Freibetrag von 6.350 Dollar im Jahr, für verheiratete Paare von 12.700 Dollar. Für „Haushaltsvorstände“ galt ein Freibetrag von 9.350 $. Für Einkommen oberhalb dieser pauschalen Freibeträge galt: • 0 bis 9.325 Dollar zusätzliches Einkommen: 10%, • 9.325 $ bis 37.950 $ zusätzliches Einkommen: 15%, • 37.950 $ bis 91.980 $ zusätzliches Einkommen: 25% usw., • 418.400 $ und mehr zusätzliches Einkommen: 39,6% Einkommenssteuer.

Künftig sind die Freibeträge mehr als verdoppelt, für eine Person auf 13 000 $, für Ehepaare auf 24 000 $ im Jahr, für Haushaltsvorstände 18 000 $. Für Einkommen oberhalb dieser Freibeträge gilt: • 0 bis 9.525 $: 10% • 9.526 bis 38.700 $: 12% • 38.701 bis 82.500 $: 22% usw. • 500 000 $ und mehr: 37%.

Über die effektive Wirkung dieser Steueränderungen wird viel spekuliert, zumal gleichzeitig andere Freibeträge abgeschafft wurden. Um zu vermeiden, dass am Ende kinderreiche Familien mit geringen Einkommen womöglich sogar mehr Steuern zahlen müssen als bisher, wurde kurz vor Schluss noch der sog. „child tax credit“ – eine Art Kindergeld – erhöht. Wie genau die Auswirkungen dieser vielen Änderungen deshalb am Ende sein werden, wird sich vermutlich erst im Laufe dieses und der nächsten Jahre herausstellen.

Zusätzlich gab es bisher in einer Vielzahl von Bundesstaaten und Gemeinden noch einzelstaatliche und kommunale Einkommenssteuern. Diese Steuerzahlungen konnten bisher in den meisten Fällen von der Bundeseinkommenssteuer abgezogen werden. Hier haben Trump und seine Republikaner noch eine spezielle Gemeinheit gegen die mehrheitlich demokratisch regierten Staaten wie New York, Kalifornien usw. in ihr Steuerpaket eingebaut. Die Abzugsfähigkeit dieser einzelstaatlichen oder kommunalen Einkommenssteuer von der Bundeseinkommenssteuer wird nun erstmals eingeschränkt. Ursprünglich wollten die Republikaner und Trump diese Abzugsfähigkeit sogar ganz abschaffen. Damit kamen sie aber nicht durch. Auch die Absetzbarkeit von Hypothekenzinsen – ursprünglich hatte der Gesetzentwurf dies ganz abschaffen wollen – ist nun nur etwas verringert, von bisher bis zu 1 Mio. $ im Jahr auf 750 000 $. Eine weitere Reduzierung hätte einen Aufstand der Immobilienwirtschaft provoziert.

Weitere Details

Weitere Einzelheiten des insgesamt fast 1.100 Seiten umfassenden „Reformpakets“, die schon in der Presse zu lesen waren, sind u.a.: Das bisherige steuerliche Bußgeld für Personen, die sich nicht krankenversichern, wird abgeschafft. Das könnte dazu führen, dass bis zu 13 Millionen US-Amerikaner aus finanziellen Gründen wieder aus der durch „Obamacare“ obligatorisch gemachten Krankenversicherung austreten und schutzlos werden. Auch die Ölförderung in den Naturschutzgebieten von Alaska wird durch das „Steuerpaket“ nun erlaubt.

Insgesamt dürften die Folgen der Steuerreform für die US-Staatsschuld-Entwicklung verheerend sein, mit welchen Folgen für die Infrastruktur und die öffentlichen Einrichtungen in den USA, aber auch für den Kurs des US-Dollars als Weltleitwährung, bleibt abzuwarten

Quellen: HELABA, USA aktuell, 8. Januar 2018; DIKH, Bewertung der US-Steuerreform, 20. Dezember 2017; FAZ, 20.12.2017; Einkommenssteuer (Vereinigte Staaten) nach Wikipedia, 2017; US Tax Foundation, Tax Brackets 2017 und 2018; Handelsblatt, 3.2.2018: Zehn Überraschungen im Trump-Gesetz.

03

Erste Reaktion, erste Folgen

Chinesische Agentur senkt US-Rating

Die chinesische Ratingagentur Dagong stuft die Kreditwürdigkeit der USA herab. Die Bonitätsnote werde auf BBB+ von A- gesenkt, teilte Dagong mit. Der Ausblick wurde auf „negativ“ gesetzt. Die Note ist damit um sechs Stufen schlechter als die von China und liegt auf dem Niveau von Ländern wie Peru, Kolumbien und Turkmenistan. Die Agentur begründet den Schritt mit den „massiven Steuersenkungen“ in den USA, die den Schuldenberg anschwellen ließen. (Reuters, 16.1.2018)

Effekte für Konzerne

Da die Steuerlast geringer wird, nimmt auch der Wert von Verlustvorträgen ab – in den Vorjahren angefallene Verluste, die steuerlich geltend gemacht werden können. Das trifft insbesondere die Banken, die während der Finanzkrise hohe Verluste angehäuft haben. Die Citigroup musste mit 19 Milliarden Dollar in der Branche am meisten auf ihre Verlustvorträge abschreiben. Rivalen wie Bank of America, Morgan Stanley, JP Morgan oder die Schweizer Großbank UBS mussten ebenfalls Milliardenbelastungen verbuchen. Die Deutsche Bank schrieb 1,4 Milliarden Euro auf Verlustvorträge ab.

Ein weiteres Element der Steuerreform ist, dass US-Firmen Vermögen, das bei Tochtergesellschaften im Ausland liegt, nun versteuern müssen, wenn auch zu einem relativ niedrigen Satz. Bisher wurden Auslandsgewinne nur besteuert, wenn sie in die USA flossen, dann allerdings mit 35 Prozent. Das führte dazu, das US-Konzerne im Ausland insgesamt mehr als drei Billionen Dollar horteten. Nun fällt auf diese Gewinne eine Einmalsteuer von 15,5 oder acht Prozent an. Wegen dieser Änderung muss etwa der iPhone-Hersteller Apple, der mit 252 Milliarden Dollar mehr Barvermögen im Ausland als jedes andere US-Unternehmen hat, 38 Milliarden Dollar Steuern zahlen. Bei Microsoft fiel im vierten Quartal eine einmalige Steuerbelastung von 13,8 Milliarden Dollar an, beim Chipriesen Intel 5,4 Milliarden Dollar, bei Ebay 1,9 Milliarden Dollar. Für die Citigroup bedeutete die neue Steuerregel eine Belastung von drei Milliarden Dollar. Bei Goldman Sachs rühren rund zwei Drittel der Belastung durch die Steuerreform von 4,4 Milliarden Dollar da her.

Während die Sondereffekte die Bilanzen der Unternehmen kurzfristig zum Teil erheblich belasten, wirkt der eigentliche Kern der Reform – die Senkung der Körperschaftssteuer – langfristig. „Es gibt keine Zweifel, dass die Steuerpolitik von Trump sehr positive Auswirkungen auf Wachstum und Fortschritt in den Vereinigten Staaten hat“, sagt SAP-Chef Bill McDermott. Schon in den Bilanzen 2017 finden sich Sondererträge aus der Steuerreform, weil die Unternehmen weniger Geld für künftig anfallende Steuern einplanen müssen. Daimler etwa bezifferte den Steuerertrag für 2017 auf rund eine Milliarde Euro, BMW mit bis zu 1,55 Milliarden. (Der Standard, 2.2.2018)

Abb. (nur im PDF): US-Staatsverschuldung 2007 bis 2017 (Grafik)