Aus Politische Berichte Nr. 3/2018, S. 14 • InhaltsverzeichnisPDFPB-Archiv

CSU-Schauspiel

Martin Fochler, München

Kulturarchäologen können im modernen Bayern noch viele Reste alter Einrichtungen bewundern. Die mahnende Fastenpredigt, die an den Lebenswandel von Hoch oder Niedrig, Arm und Reich den gleichen Maßstab der Gebote anlegt. Das Hofschauspiel, das im Kleide von Komödie und komischer Oper das Intrigen- und Verwirrspiel des Politischen auf die Bühne zieht. Der Hofstaat, jener Personenkreises, der um die herrschenden Persönlichkeiten kreist und sich im Abglanz der Macht sonnt, als eitle Gestalt lächerlich wirkt und als Hofnarr die Mächtigen lächerlich macht. Alles ist noch vorhanden, wenn sich zum Beginn der Fastenzeit die das eingeladene Tausend im großen Biersaal des Nockherbergs versammelt, gierig, auf der Bühne Erwähnung zu finden oder wenigstens von der Fernsehkamera ins Bild genommen zu werden. Verfehlung, Irrtum, Unvermögen, Zank, Streit, alles kommt auf die Bühne, wird ausgesprochen, und mit einem kräftigen Schluck Bier hinuntergespült. Eine mordstrum Gaudi und gleichzeitig todernst.

Im Mikrokosmos der kleinen Metropole und Landeshauptstadt München – Landesregierung, Kultureinrichtungen aller Art, private und öffentlich-rechtliche Medien, alles befindet sich hier in Tuchfühlung, und die Stellung dieser vielen hängt davon ab, ob die Herrschaft in gutem Ansehen steht. Früher mahnte die Mutter Kirche, im Schauspiel ein Mönch, seit nicht ganz einem Jahrzehnt spricht die „Mama Bavaria“ zu ihren Kindern. Grundton diesmal, dass sich sowieso alles ändert, nichts bleibt wie es ist, dass das schon immer so war und auch sein Gutes hat. Das war eine heiter ausgemalte (A. Dobrindt „Erfinder der scharfen Platzpatrone“) Absage an die Versuchung des Identitären. Aussichtslos. Es war auch eine Warnung an Söder, solche Abwege als künftiger Ministerpräsident zu meiden.

Im zweiten Teil geht die Veranstaltung in ein Singspiel über, in dem die führenden Politikerinnen und Politiker gedoubelt werden, durchgehend mit großem komödiantischen Geschick. Im Herbst sind Landtagswahlen. Es wird erwartet, dass die CSU koalieren muss. Mit Wem und mit Wem nicht und Wie nicht? Wie nicht: In alle Richtungen demokratischer Politik ging die Warnung, die AfD nicht durch Zumutungen an die kleinen Leute zu stärken. Mit Wem nicht: Söder und andere Verdächtige wurden gemahnt, sich nicht mit den Identitären anzubiedern. Und mit Wem: Die Sympathie der Inszenierung neigte sich zu Schwarz-Grün, und es wurde sogar die Variante ausgespielt, dass nach einem schlechten Wahlergebnis der CSU die Ära Söder sehr kurz ausfallen könnte. Dieser Tage wird sich das Rätsel lösen, ob Söder eine große Kabinettsumbildung macht und ob Frau Aigner, die Schwarz-Grün besser moderieren könnte, in einer aussichtsreichen Position verbleibt oder ausgebootet wird.

Sicher ist, dass die CSU einen neuen Generalsekretär bekommt, Scheuer wird in Berlin Verkehrsminister. Es kommt Markus Blume, der die Grundsatzkommission zur Erarbeitung des neuen Parteiprogramms geleitet hat. Die Süddeutsche Zeitung merkt an: „2014 machte Seehofer Blume zum Chef der CSU-Grundsatzkommission, er sollte das Parteiprogramm modernisieren. Zwar wurde unter seinem Vorsitz der umstrittene Begriff der Leitkultur festgeschrieben, Blume selbst zählt in der CSU dennoch nicht zu den erzkonservativen Kräften.“

Fazit: Die Idee einer politischen Zwangsmitteln durchzusetzenden Leitkultur hat sich im politischen Denken bislang noch nicht durchsetzen können. Sie steht einer demokratischen Koalitionsbildung im Wege. Dieser Tage hat die CSU übrigens ihre Verfassungsklage gegen die Ehe für Alle zurückgezogen …

Abb. (PDF): Bavaria