Aus Politische Berichte Nr. 4/2018, S. 16 • InhaltsverzeichnisPDFPB-Archiv

Rechte Provokationen --- Demokratische Antworten

01 Der AfD-Antrag zur Einführung umfassender Grenzkontrollen stößt auf Widerstand

02 dok: Die Union zum AfD-Antrag „Sicherung der deutschen Grenzen“

03 info: Schengener Grenzkodex

Rechte Provokationen --- Demokratische Antworten -Redaktionsnotizen

04 Stadthalle blieb für die NPD geschlossen.

05 Rechte Liste verliert Stimmen bei Opel Rüsselsheim.

06 Leitkultur: Seehofers Antritts-Statement in Sachen Islam

07 Lettland reagiert auf Proteste gegen Aufmärsche zu Ehren der Waffen-SS.

08 Steve Bannon auf Europa-Tour.

09 Uwe Tellkamp in Dresden.

10 Zentralrat der Muslime verteidigt Verfassung.

01

Der AfD-Antrag zur Einführung umfassender Grenzkontrollen stößt auf Widerstand

Der AfD-Antrag zur Einführung umfassender Grenzkontrollen stößt auf Widerstand. Die AfD reichte im November 2017 im Bundestag den Antrag: „Umfassende Grenzkontrollen sofort einführen – Zurückweisung bei unberechtigtem Grenzübertritt“ (BT-Drs. 19/41) ein. Ähnlich wie bei den anderen populistischen Schaufensteranträgen der AfD im Bundestag handelt es sich um einfach klingende, aber undurchführbare und oft schlicht widerrechtliche Anträge, um die anderen Fraktionen zu diskreditieren. Am 16. März erfolgte 2018 die Ablehnung dieses Antrags mit übergroßer Mehrheit von 544 zu 84 Stimmen bei drei Stimmenenthaltungen.

Gokay Akubulut,* Mannheim

Die AfD hatte namentliche Abstimmung beantragt. „Ihr Kalkül war es, vor allem die Abgeordneten von CDU und CSU zu zwingen, sich in dieser Frage öffentlich zu positionieren“, schreibt die Wirtschaftswoche vom 16.3.18. „Bei derzeit weitgehend ungeschützten EU-Außengrenzen kommt es an deutschen Grenzen aktuell immer noch zu vielen tausend unberechtigten Grenzübertritten pro Monat. Diese permanente illegale Zuwanderung kann nur deshalb stattfinden, weil die Bundesregierung die Staatsgrenzen nicht vollständig kontrolliert, sie nicht effektiv schützt und auch die rechtlichen Möglichkeiten der Zurückweisung von Schutzbegehren bei Übertritt aus einem sicheren Nachbarstaat nicht vollständig ausschöpft. Hunderttausende Migranten erhalten auf diese Weise unberechtigten Zutritt und Aufenthalt in Deutschland – samt Vollversorgung sowie Inanspruchnahme aller Rechtsmittel zur Fortsetzung dieses von Anfang an unberechtigten Aufenthalts.“ heißt es im Vorspann zum Antrag. Es solle sofort ein vollständiger und effektiven Schutz der deutschen Grenze – einschließlich der grünen Grenze – gewährleistet werden, d.h. „umfassende Grenzkontrollen mit entsprechenden Vollmachten und durch geeignete Maßnahmen, ggf. durch Auf- und Ausbau von Bundesbereitschaftskräften; dass das Ergebnis eine grundsätzliche Zurückweisung von unberechtigtem Grenzübertritt bewirkt, auch wenn sich ein Migrant, der aus einem benachbarten sicheren Drittstaat im Sinne von § 26a Abs. 2 des Asylgesetzes (AsylG) anreist, auf Verfolgung oder Schutzgründe beruft“ Dr. Curio, AfD-Abgeordneter führt dazu aus: „… Wie von obersten Richtern betont, kann niemand, unter Berufung auf Schutzgründe zu Land nach Deutschland einreisen. Die Einreise aus einem sicheren Drittstaat (alle Nachbarstaaten Deutschlands seien Drittstaaten) ist zu verweigern.“ Der Antrag der AfD macht deutlich, dass die rechtlichen Regelungen innerhalb der EU und Deutschlands für diese Partei keine Rolle spielen. Verkannt werden einerseits unterschiedlichen Formen von Migration, andererseits der klare Widerspruch zum Grundsatz der Freizügigkeit, der in der Europäischen Union gilt. In der EU sind Binnengrenzkontrollen weitestgehend untersagt. Sie dürfen höchstens vorübergehend und unter bestimmten Umständen eingeführt werden, aber auf Dauer sind sie unzulässig. Des Weiteren gilt innerhalb der EU u. a. die Dublin-III-Verordnung (604/2013), die bestimmt, welcher Staat jeweils zuständig ist für das Verfahren einer Person, die um internationalen Schutz gesucht hat. Eine pauschale Zurückweisung von Personen, die die Grenzen übertreten haben und in Deutschland einen Antrag auf internationalen Schutz stellen, ist nicht möglich und würde gegen das Non-Refoulement-Gebot verstoßen. Erst in einem rechtsstaatlichen Verfahren wird geprüft, ob der ersuchte Mitgliedstaat zuständig oder welcher Mitgliedstaat verantwortlich ist. Diese Entscheidung ist dann ebenfalls mit Rechtsmitteln angreifbar. Würde man – gemäß der AfD-Forderung – eine grundsätzliche Zurückweisung umsetzen, entfiele das Verfahren über die Zuständigkeit des für die Person verantwortlichen Mitgliedstaats und widerspräche dem Grundsatz der Nichtzurückweisung. Das Nicht-Zurückweisungs- oder auch Non-Refoulement-Gebot ist eines der wichtigsten Prinzipien im internationalen Flüchtlingsrecht und weltweit in allen internationalen Menschenrechtskatalogen enthalten. Es gibt zahlreiche Anhaltspunkte, die in einem solchen Verfahren dafür herangezogen werden könnten, dass Deutschland für das Asylverfahren einer Person zuständig ist. Übertritt beispielsweise eine unbegleitete Minderjährige die österreichisch-deutsche Grenze und befindet sich ihre Mutter im Asylverfahren in Deutschland, würde im Rahmen der Dublin-III-Verordnung die Prüfung der Zuständigkeit des für das Mädchen verantwortlichen Mitgliedstaats innerhalb der EU ergeben, dass wahrscheinlich Deutschland, für ihr Verfahren auf Antrag von internationalen Schutz oder Asyl, der zuständige EU Mitgliedstaat wäre (Art. 8 Abs. 1 Dublin III Verordnung). Die Linke setzt sich dafür ein, dass die Verpflichtungen aus internationalem und europäischem Recht in Bezug auf Flüchtlingsschutz eingehalten werden. Darüber hinaus kämpft sie für eine Solidarität mit denjenigen, die vor dem Krieg und schlechten humanitären Bedingungen nach Deutschland fliehen. Außerdem steht Die Linke dafür ein, dass Asylrecht wieder zu stärken und soziale Teilhabe für jeden Menschen zu ermöglichen. Schutzsuchende brauchen legale und sichere Zugangswege in die EU. Die Bekämpfung von Fluchtursachen darf keine hohle Phrase bleiben, die der Legitimation der Grenzabschottung dient.

„Stattdessen haben wir aber Binnenmigration und wegen dieser versäumten Pflicht müssen wir unsere Weihnachtsmärkte mit Betonpollern und Maschinenpistolen schmücken.“ Stephan Proschka (AfD) hatte in der ersten Lesung dieses Antrages ernsthaft auf das Modell umfassender Grenzsicherung in Saudi Arabien hingewiesen: Dort werde ein Zaun rund ums Land gebaut. Der CDU/CSU-Abgeordnete D. Seif kommentiert dazu: „… Also wollen Sie saudi-arabische Verhältnisse … dreifachen Grenzzaun, Kontrolltürme, … technische Totalüberwachung. … Wenn sie es ernst meinen, dann wären alle Straßen und Wege, alle Grenzgewässer … jeglicher Grenzverkehr einschließlich Flug- und Bahnreisende zu kontrollieren. Eine untragbare Belastung für die Menschen, den Handel und das Handwerk. … Der AfD-Antrag ist schon ein Frontalangriff gegen die größten Errungenschaften der Europäischen Union – die Reisefreiheit und Freizügigkeit.“

* Frau Gökay Akbulut, Bundestagsabgeordnete & Stadträtin Die Linke Mannheim

02

dok: Die Union zum AfD-Antrag „Sicherung der deutschen Grenzen“

Rosemarie Steffens, Langen, Hessen (dok)

Detlef Seif, CDU/CSU. … Wir brauchen … eine bessere Sicherung der EU-Außengrenzen und die hundertprozentige Registrierung. Frontex ist zu einer echten europäischen Grenzpolizei auszubauen. National müssen wir … mit Nachdruck an einer weiteren Beschleunigung und Verbesserung der Asylverfahren arbeiten, … Aber die Gründe der Migration liegen … in den vielen Fluchtursachen dieser Welt, bei den verfolgten Menschen und dem Schutz, den sie benötigen. … Sie bekämpfen die Flüchtlinge und die Menschen, die Schutz suchen, …

Michael Kuffer, CDU/ CSU: Keine andere Partei in diesem Hause verfolgt das Thema Grenzsicherung so intensiv wie die CSU. … Wir haben … die Binnengrenzkontrollen auf Bundesebene wieder eingeführt, die die Bundespolizei mit Unterstützung der bayerischen Polizei erfolgreich durchführt. … Die CSU wird bei diesem Thema keine Ruhe geben … Ein striktes Bekenntnis zum Asylgrundrecht schließt die Dimension der Rechte ebenso ein wie die Grenzen, die dem Grundrecht immanent sind. … An die Adresse der AfD will ich sagen: Sie unterliegen einer naiven Vorstellung, wenn Sie glauben, dass es die eine Maßnahme gibt. … gute Sicherheitspolitik bedeutet das Ineinandergreifen einer Vielzahl von gezielten Maßnahmen … es ist doch geradezu eine kindlich-naive Vorstellung, dass man im Jahr 2018 Grenzsicherung betreiben kann, in dem man Polizisten durchs Unterholz schickt, um im Wald Zäune aufzubauen, im Zeitalter von Drohnen, Wärmebildkameras und Ähnlichem …

Abb. Grenzzäune in Ungarn zur Verhinderung von unerwünschter Einwanderung. Photo: Wikipedia, Autoren: Gémes Sándor/SzomSzed

03

info: Schengener Grenzkodex

Der Schengener Grenzkodex ist eine Verordnung der Europäischen Union. Verordnungen der EU sind Teile des Sekundärrechts mit allgemeiner und unmittelbarer Wirksamkeit in den Mitgliedstaaten. Der Schengener Grenzkodex regelt den Grenzübertritt an den Binnen- und Außengrenzen des so genannten Schengenraums. In weiten Teilen verdrängt der Schengener Grenzkodex die nationalen Rechtsvorschriften über den Grenzübertritt und die Modalitäten der Grenzkontrolle.

dok: Rechte Provokationen --- Demokratische Antworten -Redaktionsnotizen • Zusammenfassung: Rosemarie Steffens, Langen, Hessen

04

Stadthalle blieb für die NPD geschlossen. Die Stadt Wetzlar entschied am 23.3. nach monatelangen gerichtlichen Auseinandersetzungen mit der NPD, dieser die Stadthalle für eine Wahlkampfveranstaltung nicht zur Verfügung zu stellen und Rechtsrock-Bands nicht auftreten zu lassen. Der Verwaltungsgerichtshof Kassel hatte der Stadt bei Verweigerung des Zugangs für die NPD ein Zwangsgeld von 7500 Euro in Aussicht gestellt, das Bundesverfassungsgericht wies die Stadt per einstweiliger Anordnung an, diesen Beschluss umzusetzen. Die Stadt begründete die Verweigerung u.a. mit unzureichendem Versicherungs- und Sanitätsschutz der NPD. Der Gießener Regierungspräsident Dr. C. Ullrich ist nun mit der Prüfung des Falles beauftragt.

FAZ, Gießener Anzeiger 25.3., LTO 29.3.18

05

Rechte Liste verliert Stimmen bei Opel Rüsselsheim. Die „Arbeitsgemeinschaft Unabhängiger Betriebsangehöriger“ hat bei der Betriebsratswahl bei Opel gegenüber ca. 800 Stimmen 2013 nur noch 523 erhalten. Der Listenführer sympathisiert mit der rechten Liste „Zentrum Automobil“.

FAZ 23.3.18

06

Leitkultur: Seehofers Antritts-Statement in Sachen Islam steht im Zusammenhang des in Bayern gegen den erbitterten Widerstand der Landesfraktionen von SPD und Grünen beschlossenen Leitkulturgesetzes, gegen das eine Klage beim Bayerischen Verfassungsgerichtshof anhängig ist.

07

Lettland reagiert auf Proteste gegen Aufmärsche zu Ehren der Waffen-SS. Die Botschaft der Republik Lettland hat am 16.3.18 auf die seit Jahren stattfindenden Proteste von antifaschistischen und Friedenskräften gegen die jährlichen Ehrungen der lettischen Waffen-SS reagiert. An die DfG VK erging eine „Information zu den Gedenkveranstaltungen am 16. März für die von den Nationalsozialisten mobilisierten lettischen Soldaten“. „Lettland verurteilt konsequent die Verbrechen beider totalitären Regime des 20. Jahrhunderts gegen die Menschheit, den Holocaust und gedenkt an die Opfer der Regime … Der 16. März sei in Lettland kein offizieller Gedenktag. … Gleichzeitig garantiere die Verfassung die Meinungs- und Versammlungsfreiheit. … Lettland hat aus seiner tragischen Vergangenheit gelernt und verurteilt jede Form von Radikalismus und Politisierung der Geschichte.“

08

Steve Bannon auf Europa-Tour. Der ehemalige Chefstratege von Trump und Internetportal „Breitbart“-Gründer unterstützte den Wahlkampf der Lega in Italien, um danach von Lugano nach Zürich als Gast des „Weltwoche“-Chefs und SVP-Politiker Rogel Köppel zu reisen. Zwischendurch traf er A. Weidel (AfD) zum Gedankenaustausch, die sich Rat bei ihm für die Propagandaarbeit bei der AfD holen wollte. Er trat auch beim Front National in Lille auf. Bannon rief in Zürich vor 1600 Zuhörern: „Die populistische Welle ist nicht vorbei, sie beginnt gerade erst. Die Geschichte ist auf unserer Seite.“

FAZ, 8.3., S. 3 u. 13 (im weiteren Text werden die bisherigen Propagandamethoden wie Facebook oder AfD-TV spannend aufgelistet), dlf 24, 10.3.18

09

Uwe Tellkamp in Dresden. Der Autor von „Der Turm“ attestiert Migranten in ihrer Mehrheit wirtschaftliche Interessen. Unter dem Motto „Streitbar! Wie frei sind wir mit unseren Meinungen?“ fand eine Podiumsdiskussion in Dresden mit Tellkamp und Durs Grünbein statt. Tellkamp hatte als einer der ersten die Petition „Charta 2017“ unterzeichnet, die sich gegen den Aufruf des Börsenvereins des Dt. Buchhandels wandte und einen „Gesinnungskorridor“ für unliebsame Meinungen beklagten. Die Veranstalter hatten zur Auseinandersetzung mit neurechten Verlagen auf der Frankfurter Buchmesse aufgefordert, das rief Gegenreaktionen von z.B. 100 Autoren, u.a. Grünbein, hervor. „Die Freiheit, sich zu äußern, begründet kein Recht, sich unwidersprochen zu äußern.“

FAZ, 10.3., DLF, „Informationen am Abend“ 10.3.18

10

Zentralrat der Muslime verteidigt Verfassung. Der Vorsitzende A. Mazyek wirft der AfD vor, sich „verfassungsfeindlich“ zu verhalten: „Mit ihrer antimuslimischen Politik, dass sie Muslime nicht genauso behandeln möchte wie Christen oder Juden, hat sie gegen das Verfassungsrecht verstoßen.“ Die AfD wende sich „gegen unser Land und gegen unsere großartige Demokratie und unsere Werte“. Sie habe es am geschicktesten verstanden, eine „vorhandene antimuslimische Stimmung“ parteipolitisch zu nutzen: „Das ist ihre Einflugschneise gewesen, und sie hat damit ein ganzes Sammelbecken von Neonazis und anderen Rechtsextremen aufgesogen.“ Zur Islamfeindlichkeit in Deutschland sagte Mazyek: „Ich sehe einen Trend in der Gesellschaft.“ In den sozialen Medien und in der politischen Debatte sinke die Hemmschwelle, … diese Entwicklung schlägt sich nicht nur in verbaler, sondern auch in physischer Gewalt gegen Muslime nieder.“

„Wir müssen … stärker klarmachen, dass jeder Anschlag und jeder Übergriff ein Angriff auf uns alle ist. Egal, wo das Feuer brennt, es brennt unser Land.“

FAZ-Woche, 8.3.18.