Aus Politische Berichte Nr. 5/2018, S. 02c • InhaltsverzeichnisPDFPB-Archiv

Rüstungshaushalt im Dienste der Blockbildung

Martin Fochler, München

Die Umstellung der Rüstungsausgaben in Europa, die vor allem von Deutschland und Frankreich vorangetrieben wird, belegt, dass das alte Organisationsschema des scharf abgegrenzten geschlossenen Gebiets neu auflebt. Die neuen Rüstungsprojekte sind als überstaatliche Kooperationsprojekte angelegt. Da die technische Basis von verschiedenen Staaten bereitgestellt wird, können diese Mittel von einzelnen Kooperationspartnern nicht mehr „souverän“ eingesetzt werden. Weil die defensive Idee der Landesverteidigung auf den EU-Raum übertragen wird, kann die Aufrüstung – Jagdflugzeuge, Drohnen, Panzer, U-Boote – von der breiten Öffentlichkeit als Wende hin zur Landesverteidigung und Abkehr vor der Idee des Interventionskrieges interpretiert werden.

Jahrzehntelang war für die Gestaltung der internationalen Beziehungen das Konzept weltweit vertiefter Arbeitsteilung bestimmend, es entstand ein oftmals quer zu den politischen Grenzen verlaufendes Netzwerk „regelbasierter“ Wirtschaftsbeziehungen. Werden „die Regeln“ gebrochen, sind vom Ansatz her zivilrechtliche (Sanktionen) und polizeiliche, vom Ausmaß her militärische, Gewalt fällig. Das Szenario des Interventionskrieges entsteht.

Mehr noch als das Grauen der Interventionskriege, die im Vollzug alle Fesseln des Kriegsrechts sprengen, mag deren Erfolglosigkeit dazu geführt haben, dass jetzt die Tendenz zur Bildung regional geschlossener Militärblöcke auflebt und damit der Streit zwischen Staatsgebilden um Grenzen.

Das deutsche Staatswesen musste sich nach zwei verlorenen Krieg von der Idee der Ausweitung des Staatsgebietes trennen und der Welt die Anerkennung seiner Grenzen versprechen. Die EU hingegen ist als dynamisches Gebilde angelegt. Sie kann sich nach eigener Satzung und Rechtsvorstellung auf dem auch völkerrechtlich anerkannten Wege freiwilliger Beitritte ausdehnen. Dieser Prozess kann erträglich verlaufen, wenn der Beitritt naher Nachbarn deren Beziehungen zu ferneren Nachbarn nicht gravierend beeinträchtigt, d.h. in eine weltweite Nivellierung zwischenstaatlichen Grenzregimes eingebettet bleibt.

Die Tendenz zur wirtschaftlichen und kulturellen Blockbildung hebelt diese Voraussetzung aus, und damit entwickeln sich an den Außengrenzen der regionalen Blöcke, wie z.B. der EU, Grenzräume, in denen um Einfluss gekämpft wird.

Die Rüstungskooperationen, von denen jetzt die Rede ist, würde dieser politischen Lage entsprechen, sie können der Verteidigung gewidmet werden, schaffen aber eine militärisch gesicherte Einflusssphäre.

Diese zutiefst beunruhigende Entwicklung kann mit den alten Ansätzen der Friedensbewegung nicht gestoppt werden. Das Argument der Ausgabenkonkurrenz im Haushalt – Gegenüberstellung von Rüstungsausgaben zu sozialen Haushaltsposten greift nicht, und die Strategie der Verweigerung hat seit Aussetzung der allgemeinen Wehrpflicht ihren Biss verloren.

Der Verhandlungszusammenhang, der für die Staaten der EU und die EU als Ganzem besteht, ist institutionell gegeben. Es gibt nicht nur das Regelwerk der Vereinten Nationen, sondern auch die Konferenz für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (KSZE) und den Europarat.

Wird die Linke in Europa Konzepte entwickeln, die in diesen Zusammenhängen präsentiert werden können und für die in der breiten Öffentlichkeit geworben werden kann? Eine hilfreiche Rolle könnten dabei die Parlamentarierdelegationen spielen, die zu der blockübergreifenden Einrichtung des Europarats delegiert sind.