Aus Politische Berichte Nr. 6/2018, S. 19 • InhaltsverzeichnisPDFPB-Archiv

Bundesparteitag der Linken 8./10 Juni 2018. Änderungs- / Ergänzungsantrag aus BaWü, Vorbemerkung

Einleitung

Christoph Cornides, Mannheim.

Aus der Beratung des Landesausschusses („kleiner Parteitag“) Baden-Württemberg der Partei die Linke ist ein Änderungs- bzw. Ergänzungsantrag zum Leitantrag des Parteivorstandes an den Bundesparteitag entstanden: „ Gegen die autoritäre Wende des Staates – für die Verteidigung und den Ausbau von BürgeInnenrechten“. Seit längerem gibt es immer wieder Diskussionen im Landesverband über die Vernachlässigung des Themenbereichs „Repression, Abbau von Bürgerrechten und Ausbau von Überwachung und autoritären Strukturen“ durch die Partei die Linke. Der Bedeutung dieser Themen für die Politik der Linken hat die letzte Tagung des Landesausschusses Nachdruck verliehen. Von Tobias Pflüger als stellvertretendem Mitglied des Parteivorstandes und Heike Hänsel als stellvertretendem Mitglied des Fraktionsvorstandes der Bundestagsfraktion wurde die notwendige kurzfristige Bearbeitung eines solchen Antrages aufgegriffen.

Der Antrag wird eingebracht und vertreten durch: David Schecher (Die Linke Tübingen), Kreismitgliederversammlung Die Linke Tübingen, Tobias Pflüger (Die Linke Freiburg), Christoph Cornides (Die Linke Mannheim), Heike Hänsel (Die Linke Tübingen).

dok: Gegen die autoritäre Wende des Staates – für die Verteidigung und den Ausbau von Bürger_innenrechten

Wir kämpfen gegen die autoritäre Wende des Staates und für die Verteidigung und den Ausbau von Bürgerrechten. Gemeinsam mit Aktivisten, zivilgesellschaftlichen Organisationen, Gewerkschaften, Antirepressionsinitiativen, Geflüchteten, Illegalisierten und den Tausenden von Bürgern, die auf der Straße für ihre eigenen Freiheits- und Bürgerrechte protestieren werden wir bei allen zukünftigen Gesetzesverschärfungen und Einschränkungen dieser, den Finger in die Wunde legen und gemeinsam dagegen aktiv werden. Wir üben Solidarität mit von polizeilicher und staatlicher Repression Betroffenen und setzen uns aktiv für die Wahrung ihrer Rechte ein. Gemeinsam mit den zahlreichen Akteuren wollen wir der zunehmenden Kriminalisierung demokratischen Protests, der zunehmenden Gewalt durch Repressionsorgane, den bereits beschlossenen und kommenden Gesetzesverschärfungen sowie der zunehmenden Entwertung bürgerlicher Grundrechte auf der Straße und in den Parlamenten entgegentreten. In einer Reihe von Bundesländern wurden oder werden noch restriktive Polizeigesetze beschlossen. Die Proteste gegen das bayrische Polizeigesetz sind für uns symbolhaft für den Protest gegen die Aushöhlung demokratischer Grundrechte, wir begrüßen diesen und freuen uns sehr über dieses deutliche Zeichen der Zivilgesellschaft. Vor allem Proteste gegen den G-20-Gipfel in Hamburg aber auch Proteste gegen Rechts waren in der Vergangenheit massiver Repression ausgesetzt, das darf nicht so weitergehen. Darüber hinaus werden wir uns auch weiterhin für die Einrichtung polizeiunabhängiger Beschwerde- und Ermittlungsstellen sowie die Auflösung der undemokratischen und sich parlamentarischer Kontrolle entziehenden Geheimdienste einsetzen.

Begründung: Sicherlich gibt es noch viele weitere Themenbereiche, deren explizite Erwähnung im Leitantrag sich Genoss_innen wünschen würden. Bei dem Obigen handelt es sich jedoch um einen für den Antrag selbst zentralen, denn zum einen wird im Antrag selbst immer wieder Bezug auf Freiheits- und Bürgerrechte genommen, ohne dass dieser im Inhalt des Antrags so wichtig Punkt noch einmal als zentrales Kampffeld benannt wird. Zum anderen ist die Gewährung der Bürger_innenrechte, die Wahrung der Versammlungsfreiheit sowie der Kampf gegen staatliche Repression die zentrale Grundlage für die Möglichkeiten und Wirkmächtigkeit von Bewegungen und Protest. Die jüngsten Proteste gegen das bayrische Landespolizeiaufgabengesetz haben eindrucksvoll die riesige Relevanz des Themas für das gesamte politische Spektrum, mit Ausnahme der konservativen und/oder rassistischen Rechten gezeigt. 7000 Demonstrierende waren erwartet worden auf der zentralen Gegendemonstration, 40 000 (Veranstalter_innenangaben) kamen. Noch am Tag der Verabschiedung des Gesetzes traten Schüler_innen und Studierende in den Bildungsstreik. Gleichzeitig soll dieses Gesetz gemäß Presseberichten die Grundlage für ein Musterpolizeigesetz des Bundes werden. Aber es ist nicht nur eine neue Polizeigesetzgebung, welche eine Bedrohung für die demokratischen Grundrechte und die Versammlungsfreiheit sind. Während des G20-Gipfels in Hamburg setzte sich die Polizei direkt über Gerichtsurteile hinweg und ignorierte Rechtsstaat und Gewaltenteilung ohne Konsequenzen. Die medial und juristisch folgende Hexenjagd war ein radikaler Angriff auf Grundrechte und führte bis hin zum Versuch von Kollektivstrafen, bei welchen bereits die Teilnahme an einer Demonstration, auch bei einem durchgängigen individuell friedlichen Verhalten, strafbar sein sollte. Während der Proteste gegen den AfD-Parteitag brachen Polizeibeamte einem Protestierenden ein Bein. Zunehmend werden auch selbst angemeldete Demonstrationen und Proteste mit Geldstrafen belegt. Auch Mittel des zivilen Ungehorsams werden immer härter bestraft, geltende Bundesverfassungsgerichtsurteile werden dabei ignoriert. Bei einfachen Sitzblockaden oder auch nur rhetorischer Gegenwehr bei Abschiebungen werden Protestierende, wie in Nürnberg, mit Verfahren überzogen. Demonstrierende werden in Teilen bereits auf den Weg zu Protestveranstaltung in Massen an einer Teilnahme gehindert und auch ganzen Organisationen, wie z.B. Nav-Dem, das Recht Demonstrationen und Versammlungen anzumelden abgesprochen. Auch das Vereinsrecht ist in zunehmenden Maße zu einem Repressionsmittel geworden, Betätigungs- und Existenzverbote betreffen hier vor allem „ausländische“ Organisationen, werden aber auch wie im Fall von linksunten für fragwürdige Rechtskonstruktionen eingesetzt. Eine autoritäre Wende des Staates ist nicht im Entstehen, sie hat schon längst begonnen und nimmt nur noch weiter an Schärfe zu. Für eine linke Partei, welche zudem einen besonderen Fokus auf Bewegungen setzt, ist es unumgänglich, diesen gesellschaftlichen Kampf zu einem zentralen Aktionsfeld der eigenen Bemühungen zu machen.

Abb. (PDF): München, 10. Mai, Demonstration gegen das bayerische Polizeiaufgabengesetz. Foto: Johannes Kakoures., aus MitLinks Nr. 64, Juni 2018, https://www.dielinke-muenchen-stadtrat.de/fileadmin/srmuenchen/mitlinks/2014-2020/20180605_mitLinks-64.pdf