Aus Politische Berichte Nr. 6/2018, S. 24a • InhaltsverzeichnisPDFPB-Archiv

Initiative Förderkreis Stadthaus

Kontakt: „Förderkreis Gedenkstätte und Lernort Stadthaus“, Zeißstraße 28, 22765 Hamburg. www.foerderkreis-stadthaus.de

Shopping in der Zentrale des Nazi-Terrors

Edda und Helmut Lechner, Norderstedt

Hamburg. Mitten in der Hamburger Innenstadt zwischen Alster und Hafen befindet sich seit 1888 der ehemalige Sitz der Hamburger Verwaltung, der in der Nazizeit von 1933 bis 1943 für die Ordnungspolizei, die Gestapo und weitere Polizeidienststellen des Dritten Reiches genutzt wurde. Hier war für Hamburg und weite Teile Norddeutschlands die Zentrale des Nazi-Terrors und von hier wurden die Polizeibataillone aus Hamburg, Bremen und Lübeck für den Einsatz im Vernichtungskrieg organisiert und eingesetzt. Hier wurden die Deportationen der Hamburger Jüdinnen und Juden, Sinti und Roma geplant und vorbereitet. Hier wurden unzählige mutige Menschen, die sich der Nazi-Herrschaft entgegenstellten, brutal gefoltert. Hier begann der Leidensweg zahlreicher politischer GegnerInnen, der Zeugen Jehovas, der Homosexuellen und der als Asoziale Stigmatisierten in die Konzentrationslager.

In Hamburg entsteht in diesem Gebäude, wo sich einst Hamburgs NS-Terror-Zentrale befand, der wohl luxuriöseste Konsumtempel der Stadt, der unter dem Motto „Hommage an das Leben“ vermarktet wird.

Nachdem in den letzten dreißig Jahren in größeren Städten wie Münster, Nürnberg, Köln, Düsseldorf, München und Berlin in ähnlichen Gebäuden des organisierten Nazi-Terrors angemessene Dokumentations- und Erinnerungsorte geschaffen wurden, stellte der Hamburger Senat erst im Jahr 2009 fest, welch große Bedeutung dieses Gebäudeensemble an der Stadthausbrücke für die Gedenkstättentopografie der Stadt hat. Jetzt sollte auch hier „ein würdiges Gedenken an die Opfer der nationalsozialistischen Gewaltherrschaft in Hamburg“ eingerichtet werden. Bedauerlicherweise haben die politisch Verantwortlichen dabei aber durch den Verkauf des Gebäudes an den Immobilieninvestor Quantum jeglichen Gestaltungsanspruch für einen würdigen Gedenkort aus der Hand gegeben. Dieser musste sich im Kaufvertrag lediglich dazu verpflichteten, hier auf einer Ausstellungsfläche von etwa 750 qm einen „Lernort mit unterschiedlichen Inhalten“ zu realisieren.

Wer jetzt diesen Ort und seine Ladenfläche betritt, findet sich in einer Buchhandlung mit angeschlossenem Café und einer 70 qm großen „Gedenk-Ecke“ wieder. Diese reicht gerade mal für 40 Stühle und hat eine Ausstellungsfläche von gerade mal 13 Meter an der Wand entlang. Wie sollen hier die verschiedenen Aspekte der Verfolgung angemessen dargestellt und darüber hinaus ein würdiges Gedenken an den Hamburger Widerstand ermöglicht werden!? Daraufhin gründeten empörte BürgerInnen Hamburgs die „Initiative Gedenkort Stadthaus“, unterstützt von zahlreichen antifaschistischen und linken Institutionen, Parteien und der Kirche, sowie von bekannten Hamburger Prominenten wie etwa: dem Schauspieler Rolf Becker und dem Initiator der Ausstellung „Verbrechen der Wehrmacht“ Hannes Heer. Zurzeit wird regelmäßig jeden Freitag eine Mahnwache am Stadthaus abgehalten und am 2. Mai dieses Jahres fand hier eine vom „Förderkreis Gedenkstätte und Lernort Stadthaus“ organisierte Kundgebung mit vielen internationalen Gästen statt. Neben Esther Bejarano berichteten Kinder und Enkel der hier ehemals Inhaftierten aus Holland und London von den Verfolgungen und Folterungen ihrer Familienangehörigen. „Konsum statt Gedenken? Jamais – niemals!“ Danach konnten die Beteiligten um 19 Uhr in der „Brückenarkade“ das Oratorium „Tenebrae“ (d.h. Finsternis) nach einer Idee von Michael Batz anhören. Es waren beeindruckende Texte zu den bestialischen Folterungen der Gestapo und dem mutigen Widerstand der Verfolgten in den Kellerräumen dieses Hauses.

Das zeigte offensichtlich Wirkung. Seither gibt es ernstzunehmende Bemühungen der Hamburger Kulturbehörde, einen erweiterten „Gedenkort“ im öffentlichen Raum vor dem „Geschichtsort neben der Buchhandlung“ zu schaffen. Die Forderung nach einer deutlichen Markierung im öffentlichen Raum in Form eines Kunstwerkes oder einer auffälligen Installation wurde von offizieller Stelle wieder aufgegriffen.

Abb. (PDF): DKundgebung vor dem Stadthaus in Hamburg am 2.5.2018.