Aus Politische Berichte Nr. 7/2018, S.03 InhaltsverzeichnisPDFPB-Archiv

Italienische Reise: Widersprüche zwischen 5 Sterne und Lega?

Paola Giaculli, Berlin, Eva Detscher, Karlsruhe

Teil 1: Arbeitsmarkreform

In Italien zeichnen sich kleine Risse der Koalitionsregierung zwischen 5 Sterne und Lega ab, und zwar bei den vorgesehenen Arbeitsmarktmaßnahmen zur Einschränkung von befristeten Arbeitsverträgen bzw. zu Betriebsverlagerungen. Das ist auf den ersten Blick keine große Sache, wird aber von Gewerkschaftern als positives Signal gesehen (bzw. eines, das in die richtige Richtung geht, aber nicht ausreicht). Andere Beobachter sehen darin eine Chance für die Linke. Der italienische Innenminister Matteo Salvini, dessen Lega-Klientel ebenso wie die italienische Vereinigung der Arbeitgeber gehen davon aus, dass die strittigen Entscheidungen „im Parlament verbessert werden“. Gleichzeitig gibt es in Italien weitere Betriebsschließungen bzw. -verlagerungen und weitere grundlose Massenentlassungen… Bei allen Differenzen zwischen 5 Sterne und Lege sollte alles mit Vorsicht betrachtet werden: vielleicht wünschen sich viele, dass 5 Sterne endlich gegen die Lega rebelliert – völlig legitim! – und daher wird jeder Schritt genau beobachtet. 5 Sterne hat das Ministerium für wirtschaftliche Entwicklung sowie das für Arbeit und Sozialpolitik – und da war Konflikt mit der Lega von Anfang an angesagt. Minister ist der 5-Sterne-Vorsitzende und stellvertretender Ministerpräsident Luigi di Maio. Zu den geplanten Arbeitsmarktmaßnahmen sagte er (gegenüber den Aussagen Salvinis): diese Maßnahmen dürfen nicht verwässert werden!

Teil 2: Gerichtsurteil wegen Veruntreuung

Die Lega hat 49 Millionen Euro veruntreut, jetzt hat Anfang Juli das oberste Kassationsgericht in Rom (vergleichbar mit dem Bundesgerichtshof) die Partei von Innenminister Matteo Salvini zur Rückzahlung der vollen Summe verpflichtet. Die Gelder – egal, wo die abzuschöpfen sind (d.h. bei allen zukünftigen Einkünften der Lega) – seien zu beschlagnahmen. Die ehemalige Parteispitze um den Gründer der Lega Nord, Umberto Bossi, hatte im Laufe der Jahre bei diversen Gelegenheit diese Summe veruntreut, zweckentfremdet und an den Regeln der Parteienfinanzierung vorbeigeschleust. Salvini, der Bossi als Parteiführer beerbt hat aufgrund dieser Verbrechen, wettert gegen „ein politisches Urteil, um die Lega zu vernichten“, es gebe keine Demokratie, nur in der Türkei hätten die Richter eine Partei verboten (!). Da der Partei der Bankrott droht, prahlt er schon mit Plan B: der Neugründung einer Partei. – Lapidarer Kommentar der 5 Sterne: Urteile müssen respektiert werden. Parlamentspräsident Roberto Fico (5 Sterne) legt nach und hat Österreichs Pläne zur möglichen Einführung dauerhafter Brenner-Grenzkontrollen in Reaktion auf eine neue Asylpolitik Deutschlands als „verwerfliche Politik“ angeprangert. „Österreich kann nicht daran denken, einfach die eigenen Grenzen zu schließen“.

Politik dagegen

Auf gesellschaftlicher Ebene passiert kaum etwas – der Aufschrei bleibt weiterhin aus. Es gibt einen Aufruf von Künstler*innen gegen Salvini und die Auseinandersetzung zwischen diesem und dem Journalisten und Buchautor Roberto Saviano: seit zehn Jahren erhält dieser Polizeischutz, weil ihn die Mafia mit der Ermordung bedroht. Nachdem er in der vergangenen Woche die neue italienische Regierung im Guardian scharf für ihre Flüchtlingspolitik kritisiert hatte, reagierte Matteo Salvini, Innenminister und stellvertretender Ministerpräsident Italiens, mit der Drohung, ihm den Polizeischutz zu entziehen. Salvini wörtlich: „Die zuständigen Institutionen werden beurteilen können, ob er irgendeinem Risiko ausgesetzt ist – auch weil ich den Eindruck habe, dass er viel Zeit im Ausland verbringt. Sie werden berechnen, wie die Gelder der Italiener ausgegeben werden sollen. Ich schicke ihm ein Küsschen.“

Einzige echte Opposition bleibt der verzweifelte Versuch eines Gewerkschafters wie Aboubakar Soumahoro (USB, unabhängige Gewerkschaften), Vertreter der Landwirtschaftssklaven in Kalabrien und Freund vom Gewerkschafter Soumaila Sacko, der am 2. Juni in Kalabrien erschossen worden ist. Das Magazin L’Espresso hat dies in seinem Titelblatt vorbildlich dargestellt: „Uomini e no“ („Menschen und Nicht-Menschen) titelte es wie im gleichnamigen Roman von Elio Vittorini (1945, dt. „Dennoch Menschen“).

Lega auf Übernahmekurs

Die Lega wurde bei Kommunalwahlen bestätigt, und auch traditionelle Hochburgen der Sozialdemokraten partito democratico PD in der Toskana erobert. Obwohl kein direkter Vergleich mit Parlamentswahlen möglich ist: 60 Prozent der 5 Sterne Wähler haben sich nicht beteiligt – (im Vergleich zum 4. März). Der Rest hat sich auf Mittelinks oder Mitterechts beteiligt (im Süden eher Mittelinks). Wie gefährlich Salvinis Diskurs sein kann, beweist seine Fähigkeit Begriffe einer Opposition „des Volkes“ für rechtsnationalistische Zwecke zu nutzen. Inzwischen liegt seine Lega bei 30 Prozent in den Umfragen (5 Sterne bei 29 Prozent).

Salvini hat am Sonntag, den 1. Juli, die Gründung einer europäischen, internationalen Lega der „Populisten“ angekündigt. Ziel: stärkste Fraktion im EP nächstes Jahr. Sinnzitat zum Propagandaplan: „Die Europa-Wahl werde ein Referendum zwischen dem Europa der Eliten, der Banken, der Migration, der Prekarität und dem Europa der Arbeit und der Völker sein.“