Aus Politische Berichte Nr. 7/2018, S.05 InhaltsverzeichnisPDFPB-Archiv

Ergebnis Türkeiwahlen

01 Erdogan und AKP/MHP gewinnen Wahlen in der Türkei

02 Dok: Legitimierung der Präsidialdiktatur - Wahlanalyse von Murat Çakir über den Sieg des Erdoğan-Blocks in der Türkei, ANF, 26.6.2018

03 Dok: Erste Erklärung vom Ko-Vorsitz der HDP

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Erdogan und AKP/MHP gewinnen Wahlen in der Türkei

Rudolf Bürgel, Karlsruhe

Bei den vorgezogenen Wahlen am 24. Juni sind Erdogan und das reaktionäre AKP/MHP-Bündnis als Sieger hervorgegangen. Darüber können auch die zahlreichen Manipulationen und Behinderungen nicht hinwegtäuschen: Offene Wahlfälschungen, die kurzfristige Einbürgerung von 200 000 syrischen Flüchtlingen, Verlegung von Wahlurnen für 150 000 Menschen in kurdischen Gebieten (teilweise legten die Wähler bis zu 40 km zu Fuß zurück, um an die Urne zu kommen), Bewaffnete in den Wahllokale, Beherrschung der Medienlandschaft durch die AKP usw. Der UN-Menschenrechtskommissar Zeid Ra’ad al-Hussein forderte im Mai die Türkei auf, den andauernden Ausnahmezustand sofort aufzuheben. Er verurteilte die Einschränkungen von Menschenrechten, Meinungsfreiheit oder Versammlungsfreiheit. „Es sei schwer vorstellbar, wie glaubwürdige Wahlen abgehalten werden könnten, wenn regierungskritische Meinungsäußerungen ‚schwer bestraft‘ würden, erklärte Hussein. Die Regierung müsse den Bürgern ermöglichen, ‚vollständig und auf Augenhöhe‘ an den Staatsangelegenheiten teilnehmen und sowohl wählen, als auch gewählt werden zu können.“ (spiegel-online, 9.5.)

Die schwere ökonomische Krise und hohe Inflationsrate hatte ebenso wenig Einfluss auf das Ergebnis wie prognostizierte Aufbruchstimmung der Opposition.

War erwartet worden, dass Erdogan zumindest im zweiten Wahlgang die Präsidentschaftswahlen gewinnt, konnte er schon im ersten Wahlgang 52,59 Prozent der Stimmen erreichen. Bei den Parlamentswahlen ging das Bündnis der reaktionären, nationalistischen und islamistischen AKP, MHP und BBP mit über 53 Prozent als Sieger hervor. Die AKP verlor zwar gegenüber 2015 sieben Prozent und erreichte nur 42 Prozent, aber die MHP (in Deutschland unter dem Namen Graue Wölfe bekannt) kam auf über 11 Prozent. Dieser rechte Block konnte die sunnistisch-nationalistische Wählerbasis mobilisieren – die Wahlbeteiligung war mit über 86 Prozent so hoch wie lange nicht mehr. Das AKP/MHP-Bündnis hat nun 344 Sitze im Parlament.

Die kemalistische CHP trat im Bündnis mit der Iyi-Partei, eine rechte Abspaltung der MHP, und der islamistischen SP an. Bei den Präsidentenwahlen konnten die drei Kandidaten des Bündnisses nicht genug Stimmen mobilisieren, um Erdogan in die Stichwahl zu zwingen. Bei den Parlamentswahlen erreichte die CHP 22,6 Prozent (-3). Die erstmals angetretene Iyi-Partei kam auf 9,96 Prozent.

Von den Oppositionsparteien konnte nur die HDP ihre Wähler mobilisieren. Selahattin Demirtas erhielt beachtliche 8,4 Prozent. Bei den Parlamentswahlen steigerte die HDP ihren Stimmenanteil um ein Prozent auf 11,7 Prozent, sprang so über die 10-Prozent-Hürde und stellt jetzt 67 (2015 = 59) Abgeordnete. Dies Ergebnis kann kaum hoch genug gewertet werden. Selahattin Demirtas führte seinen Wahlkampf aus dem Gefängnis in Edirne. Er konnte zweimal kurz im TV reden, wofür ein extra Fernsehstudio im Gefängnis eingerichtet wurde. Ansonsten setzte er über seine Anwälte Twitter-Nachrichten ab. Fast in der ganzen Türkei konnte die HDP nicht mit Plakaten werben. In den kurdischen Gebieten untersagten die Gouverneure den Straßenwahlkampf. Infostände wurden angegriffen, Wahlhelfer verhaftet. Neben zahlreichen Bürgermeisterinnen und Bürgermeistern sowie Abgeordneten sind derzeit 17 000 Funktionäre der HDP inhaftiert. Mit Großkundgebungen in den letzten Tagen vor dem Wahltag mobilisierte die HDP nochmals ihre Wählerschichten. In elf kurdischen Provinzen ist die HDP die stärkste Partei. Ihre Parlamentssitze in den Großstädten im Westen der Türkei konnte sie verteidigen. Das Linksbündnis HDP konnte nicht aus dem Parlament gedrängt werden und hat mittlerweile eine feste Basis auch im Westen der Türkei.

Noch am Wahltag bedrohte der türkische Innenminister Soylu die HDP-Abgeordneten mit Todesdrohungen: „Ihr habt von nun an kein Recht auf Leben“, sagte er in einem Telefonat mit der Ko-Vorsitzenden der HDP Pervin Buldan.

Bei den Stimmen in Deutschland konnte die AKP nochmals zulegen (46 Prozent). Zweitstärkste Partei blieb die HDP. Aber mit den Stimmen für die MHP stimmten die in Deutschland wohnenden türkischen Wahlberechtigten mit über 50 Prozent für die Erdogan-Regierung.

Mit dem Erstarken der Ultrarechten von MHP und Iyi-Partei auf über 20 Prozent hatten die Wahlumfragen nicht gerechnet. Das wird die Politik der türkischen Regierung noch weiter nach rechts drücken, da Erdogan und die AKP nicht die Mehrheit im Parlament haben und auf MHP und IyI-Partei angewiesen ist. Präsident Erdogan ist jetzt mit einer großen Machtfülle ausgestattet. Regierte er vor den Wahlen mit Notstandsdekreten, kann er jetzt den Ausnahmezustand aufheben und weiter mit Erlassen regieren.

Mit seinem letzten Notstandsdekret entließ er vor wenigen Tagen nochmal 15 000 Beschäftigte aus dem öffentlichen Dienst, den Gerichten, dem Militär und der Polizei. Angekündigt hat Erdogan, als nächstes die Währungspolitik unter seine Kontrolle zu stellen und weitere neoliberale Wirtschaftsreformen durchzusetzen. Die Türkische Lira befindet sich auf einer rasanten Talfahrt mit ca. 20 Prozent Verfall gegenüber Dollar oder Euro. Gleichzeitig haben sich die Lebensmittelpreise um bis zu 18 Prozent verteuert. Das bedeutet, dass sich die soziale Lage drastisch verschlechtert und die Menschen selbst von einem durchschnittlichen Einkommen kaum über die Runden kommen. Das angekündigte Sanierungsprogramm wird zwangsläufig die kleinen und mittleren Unternehmen treffen, also die Schichten, die die Basis der AKP- und MHP-Wähler stellen.

Die Politik gegen die kurdische Bewegung und die Opposition wird weiter verschärft werden. Bei dem Verbot und den Angriffen auf die CSD-Paraden in Istanbul und Antalya war diese Linie schon erkennbar. Auch die militärischen Angriffe auf die kurdischen Regionen werden verstärkt fortgesetzt werden. Die türkische Armee wird weiter versuchen, sich in Südkurdistan (Irak) festzusetzen und die dortigen PKK-Stellungen in Kandil anzugreifen.

Erdogan wurde bei den Wahlen und seinem Vorgehen gegen die Opposition von den führenden Nato- und EU-Staaten keine Steine in den Weg gelegt. Vielmehr verschärfte die Bundesregierung ihren Kurs gegen die kurdische Opposition. Direkt vor den Wahlen wurden in Berlin die Räumlichkeiten von dem Informationsportal Civaka Azad ohne richterlichen Durchsuchungsbeschluss von der Polizei gestürmt und Archive und Computer beschlagnahmt. Verschärft wurde ebenfalls gegen kurdische Vereine vorgegangen.

Am 31. März 2019 werden in der Türkei die nächsten Kommunalwahlen stattfinden. Fraglich ist, ob Erdogan und seine AKP/MHP-Regierung es schaffen wird, die Opposition bis dahin weiter zurück zu drängen.

Abb. (PDF): Ergebnis Präsidentschaftswahlen

Abb. (PDF): Ergebnis Parlamentswahlen

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Dok: Legitimierung der Präsidialdiktatur - Wahlanalyse von Murat Çakir über den Sieg des Erdoğan-Blocks in der Türkei, ANF, 26.6.2018

Auch bei diesen – zutiefst undemokratischen und unfairen – Wahlen in der Türkei hat es an Dramatik nicht gefehlt. Schon im Vorfeld wurde die Bedeutung dieser Wahl dramatisch zugespitzt. In den bürgerlichen Medien der BRD wurden die Präsidentschafts- und Parlamentswahlen zu „Schicksalswahlen“ hochstilisiert. Ähnliches war auch aus oppositionellen Kreisen der Türkei zu hören. Doch die in den letzten Wochen des Wahlkampfes spürbar gewordene Wechselstimmung hat nicht das von der Opposition erwünschte Ergebnis gebracht. Dabei hatte die radikale Linke in der Türkei vor allzu hochtrabenden Erwartungen gewarnt: eine Diktatur könne nicht mit undemokratischen Wahlen abgewählt werden. In der Tat, die vorgezogenen Wahlen haben dem in einer schweren Krise steckenden AKP-Regime in die Hände gespielt. Das Regime nutzte diese Wahlen zur Legitimierung der Präsidialdiktatur und zur Deklassierung der bürgerlichen Opposition. Nun steht es fest: der reaktionär-faschistische Block aus AKP, MHP und der kleinen BBP konnte trotz ökonomischen Schwierigkeiten des Landes ihre Wähler*innenbasis mobilisieren und zugleich den Kapitalfraktionen glaubhaft vermitteln, dass sie für eine relative Stabilität der neoliberalen Ordnung sorgen können. Sie stellen mit Erdoğan einen Staatspräsidenten mit ungeheurer Machtfülle und haben mit 343 Abgeordneten die Parlamentsmehrheit in der Hand.

Muharrem Ince, der Präsidentschaftskandidat der kemalistischen CHP konnte die durch seinen sehr engagierten Wahlkampf entstandene gesellschaftliche Aufbruchsstimmung nicht zu einem Ergebnis ummünzen, das wenigstens für eine Stichwahl gesorgt hätte. Obwohl Ince 8 Prozent mehr Stimmen auf sich vereinigen konnte als seine Partei, musste er sich geschlagen geben und hat durch seine Weigerung am Wahlabend vor CHP-Anhänger*innen zu sprechen, viel an Sympathie verloren. Meral Akşener, die Vorsitzende der neofaschistischen MHP-Abspaltung Iyi Parti konnte mit 7,3 Prozent weniger Stimmen als ihre Partei einholen.

Der ehemalige Co-Vorsitzende des Linksbündnisses HDP, Selahattin Demirtaş erzielte mit 8,4 Prozent einen echten Achtungserfolg. In Haft und ohne Möglichkeit mit den Wähler*innen direkt zu kommunizieren ein solches Ergebnis einfahren zu können, ist besonders erwähnenswert und ein Beleg dafür, dass das Linksbündnis seine Reifeprüfung bestehen konnte. (…)

Erdoğan hat es geschafft, die Krise im Machtblock zu überwinden und im ersten Wahlgang die Wahl für sich zu entscheiden. Dieses Ergebnis zeigt, dass Erdoğan weiterhin einen großen Teil der sunnitisch-konservativen Bevölkerungsmehrheit hinter sich sammeln kann. Dass Demirtaş weniger Stimmen als die HDP bekommen hat, liegt sicherlich auch daran, dass auch innerhalb der HDP-Wählerschaft die Chancen für Muharrem İnce höher eingeschätzt wurden und İnce auch von HDP-Wähler*innen (besonders im Westen) Stimmen erhalten konnte. (…)

Ein höchstinteressantes und kaum mit vernünftigen Analysen zu erklärendes Ergebnis dieser Wahl ist der Stimmenanteil der neofaschistischen MHP. Die MHP hat während des gesamten Wahlkampfes – außer einer Kundgebung und einigen Salonveranstaltungen – quasi kein Finger gerührt. Nur der MHP-Vorsitzende Devlet Bahçeli war in den Nachrichtensendungen zu sehen. Hinzu kam noch die Abspaltung durch Meral Akşener. Nahezu alle Wahlforschungsinstitute sahen daher die MHP unter der 10-Prozent-Hürde. Dass eine Partei, die sich gespalten hat, ihr Stimmenanteil von 2015 fast einhalten konnte und ihre Abspaltung trotzdem fast 10 Prozent erhalten hat, ist mehr als ungewöhnlich und nährt die Vorwürfe der Wahlmanipulation. Möglicherweise konnte Akşeners Iyi Parti von den Wähler*innenwanderungen aus der AKP und der CHP profitieren, aber nicht von der eigentlichen Wähler*innenbasis der Neofaschisten. Obwohl die Iyi Parti mit 9,95 Prozent unter der 10-Prozent-Hürde geblieben ist, kann sie aufgrund des Allianzen-Wahlrechts, mit der die 10-Prozent-Hürde für Mitglieder der Parteienallianzen aufgehoben ist, ins Parlament einziehen. Aufgrund ihrer neofaschistischen Ausrichtung kann davon ausgegangen werden, dass die Iyi Parti zukünftig eher mit dem reaktionär-faschistischen Blok abstimmen wird, als mit der CHP und der HDP.

Das Ergebnis der CHP wird die Kemalisten in eine tiefere Krise stürzen. (…) Das Experiment der CHP-Führung, mit kemalistisch-nationalistischen und konservativen Kandidat*innen sowie einer (gegen die syrischen Flüchtlinge) offen rassistischen Haltung bei der sunnitisch-konservativen Bevölkerungsmehrheit punkten zu können, kann als gescheitert angesehen werden. Die weitere Erosion der Partei ist abzusehen und wird auch von Parteilinken nicht aufgehalten werden können, zumal sich die CHP-Führung weiterhin als Teil der Vertretung von herrschenden Klassen sieht.

Die 10-Prozent-Hürde – nach dem Militärputsch von 12. September 1980 eingeführt, um kurdische Parteien vom Parlament fernzuhalten – galt im Grunde genommen nur für die HDP, die mit ihrem Ergebnis diese Hürde zum zweiten Mal ad absurdum geführt hat. Der Einzug der HDP ins Parlament, obwohl zahlreiche Abgeordnete und rund 17 000 Funktionäre inhaftiert sind, die Partei aufgrund der Repressionen mehrfach behindert wurde, ist durchaus als ein großer Erfolg zu bewerten. Die HDP ist die einzige Partei, in der rund die Hälfte der Abgeordneten Frauen und mehrere Sozialist*innen vertreten sind und kann, da sie die unterdrückten Schichten und subalternen Klassen vertritt, als die einzige parlamentarische Kraft der gesellschaftlichen und politischen Opposition gesehen werden.

Fazit

Aufgrund der Bedingungen kann von bürgerlich-demokratischen und fairen Wahlen überhaupt nicht gesprochen werden. Diese waren auch weder „die letzten freien Wahlen“ noch irgendwie geartete „Schicksalswahlen“ wie es gerne kolportiert wird. Nach dem Verfassungsreferendum von 2010 und insbesondere nach dem letzten Referendum am 16. April 2017 war der Übergang in die Diktatur längst vollzogen. Mit den Staatspräsidentschafts- und Parlamentswahlen am 24. Juni 2018 wurde die Präsidialdiktatur legitimiert. Das AKP-Regime beabsichtigte mit den vorgezogenen Wahlen gegenüber den internationalen Akteuren ihre Reputation wiederherzustellen und die fragiler gewordenen Machtverhältnisse durch Legitimation zu stabilisieren. Vorerst ist Erdoğan das gelungen. Aber perspektivisch gesehen steht die Präsidialdiktatur Erdoğans auf tönernen Füßen. Denn die Vielfachkrise, in der sich das Land seit langem befindet, hat sich vertieft. Nun muss die neue Erdoğan-Regierung die Versprechungen, die sie den internationalen Finanzmärkten vor den Wahlen gegeben hat, erfüllen. Die Umsetzung weiterer neoliberaler „Wirtschaftsreformen“ stehen an und diese Sanierung wird über kurz oder lang auch die kleinbürgerlichen und mittelständischen AKP- und MHP-Unterstützer hart treffen. Mit weiteren sozialen Härten und Verbreitung der Armut verbundenen Maßnahmen sowie Entscheidungen, die auf „Zwängen“ beruhen, werden zu größeren Protesten und Widerständen führen, zumal sie ohne die Verschärfung des Repressionsapparats nicht umsetzbar sind. Dazu kommt die Tatsache, dass die kurdische Frage weiterhin ungelöst ist und große, blutigere Konfliktpotentiale beinhaltet.

Es mag sein, dass der reaktionär-faschistische Block gestärkt aus diesen Wahlen herausgegangen ist. Völlig offen ist aber, wie er die nächsten ein bis zwei Jahre überleben wird. Für die Linke in der Türkei werden zwar die Bedingungen viel schlechter, aber sie schaffen auch neue Chancen und Möglichkeiten, um den Kampf gegen Faschismus und Diktatur stärker zu gestalten. Die in den letzten Wochen des Wahlkampfes entstandene Aufbruchsstimmung in den unterschiedlichen gesellschaftlichen Kreisen sowie die von bisher der kurdischen Bewegung reserviert bis feindlich gegenüberstehenden urbanen-modernen Schichten offen artikulierte Wahlsolidarität mit der HDP machen Hoffnung auf mehr. Hier stehen nun die türkische Linke und die kurdische Befreiungsbewegung in der Pflicht: Brücken zwischen unterschiedlichen Widerstandsherden aufzubauen, laizistische CHP-Anhänger*innen in den demokratischen Kampf einzubeziehen, den von oben erklärten Klassenkampf aufnehmend eine Bresche zu den verarmten sunnitisch-konservativen Bevölkerungsteilen zu schlagen und gegen die Diktatur die Straßen zu beleben – Leichter gesagt als getan, aber nicht unmöglich, sondern durchaus machbar. Die Erfahrungen des Gezi-Widerstandes, gelebte und erlebte Solidarität gegen Polizeigewalt, gegenseitige Wahlkampfunterstützung der CHP- und HDP-Anhänger*innen und trotz allem Millionen von Wähler*innen bilden dafür die Grundlage. Unterdrückte und ausgebeutete Klassen wissen aus Erfahrung: Wir können verlieren, stehen aber wieder auf und kämpfen weiter. Wenn Diktatoren verlieren, dann sind sie Geschichte. Die türkische Linke und die kurdische Befreiungsbewegung haben inzwischen genug Erfahrung gesammelt, um die Herausforderungen, die jetzt anstehen, zu meistern. Wir in Europa sollten sie mit allen Kräften unterstützen und für diesen Kampf ermutigen.

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Dok: Erste Erklärung vom Ko-Vorsitz der HDP

Zu den Ergebnissen der Wahlen haben die beiden Ko-Vorsitzenden der HDP, Pervin Buldan und Sezai Temelli, vergangene Nacht eine erste Erklärung abgegeben. Buldan bezeichnete die Wahlergebnisse der amtlichen Nachrichtenagentur Anadolu, die bereits sehr früh veröffentlichten worden waren, während die Stimmauszählung der Hohen Wahlkommission YSK noch nicht abgeschlossen war, als Manipulation. „Auf unsere Einwände wurde nicht reagiert. Wir werden kämpfen, damit jeder einzelne Verstoß aufgedeckt werden kann“.

Der HDP-Präsidentschaftskandidat Selahattin Demirtaş kam bei den Wahlen mit fast neun Prozent auf den dritten Platz. „Trotz der unfairen Bedingungen des Wahlkampfs, den unser Kandidat aus dem Gefängnis heraus geführt hatte, hat dieses Ergebnis gezeigt, dass die Liebe und das Vertrauen des Volkes unserem Kandidaten gilt. Doch selbst mit diesen manipulierten Ergebnissen ist klar, dass eine dringende Aufgabe auf uns wartet, nämlich die Erwirkung der Freilassung von Selahattin Demirtaş aus dem Gefängnis. Die Wahlen wurden unter dem Ausnahmezustand abgehalten. Der AKP-Vorsitzende Erdogan und sein Gefolge haben auf alle Möglichkeiten des Staates zurückgegriffen, um die HDP unter die Zehnprozenthürde zu drücken, damit ihr der erneute Einzug ins Parlament nicht gelingt. Somit sollte die demokratische Politik praktisch eliminiert werden. Auch den Medienanstalten wurde ein Embargo auferlegt, sodass wir gezwungen waren, unseren Wahlkampf von Tür zu Tür zu führen. Trotz allen Schwierigkeiten haben wir die Hürde gemeistert. Mit dem Ergebnis wurde wieder deutlich, dass die Bevölkerung der Türkei ein Parlament ohne die HDP nicht haben möchte und ihren Glauben an Demokratie und Gerechtigkeit nicht verloren hat.

Ohne die HDP wird es Frieden, Demokratie, Pluralismus und ein neues Leben nicht geben. Die Wähler*innen der HDP haben sich ganz klar für ein starkes Parlament, eine kraftvolle lokale Demokratie, Rechtstaatlichkeit, die Unabhängigkeit und Neutralität der Justiz sowie ein Land ohne Ausnahmezustand ausgesprochen. Deshalb wird die HDP an ihrem entschlossenen Kampf festhalten, sich für diejenigen einzusetzen, die für sie gestimmt haben.“

ANF, 25.6.2018