Aus Politische Berichte Nr. 7/2018, S.21 InhaltsverzeichnisPDFPB-Archiv

Projekt Wegemarken – Sachstandsbericht Juli 2018

Rolf Gehring, Brüssel, Eva Detscher, Karlsruhe

Seit der Ausgabe Juni 2016 veröffentlichen wir monatlich ein Kalenderblatt in den Politischen Berichten. Der Bogen der Kalenderblätter spannt sich sowohl zeitlich als auch thematisch weit. Die Momente, die Emanzipationsbewegungen sozusagen ins Spiel bringen, können wesentlich in die Zeit der Aufklärung und des Humanismus zurückverfolgt werden. Ihre Klammer sind ethische Standards, die individuelle Persönlichkeit mit dem Konzept der Authentizität und der neuzeitliche Solidaritätsbegriff. Gleichwohl sind die konkreten Inhalte weit gefächert und für Wendungen und Neues offen. Dies war ja gewissermassen auch die Ausgangsüberlegung des gesamten Projektes. Momente, die wir aufgenommen haben oder aufnehmen wollen, finden sich in den Lebensgebieten der kulturellen Freiheit, der Menschenrechte und Individualrechte, der Rechte am Arbeitsplatz, der sozialen Sicherheit, kollektiver Teilhaberechte in der Sphäre der Politik und anderen Bereichen.

Angeregt durch unser Projekt hatte die Europäische Föderation der Bau- und Holzarbeiter im letzten Jahr ein Projekt beantragt, dass genehmigt wurde und in diesem Jahr gestartet wurde. Es hat eine Laufzeit von zwei Jahren. Das spezifische Ziel des Projektes ist es, eine Broschüre in acht Sprachen zu veröffentlichen, die Zeitleisten von etwa 15 Ländern beinhalten soll, jeweils begleitet von einem oder zwei Kalenderblättern. Zeitleisten und Kalenderblätter sind ähnlich wie unsere Kalenderblätter in den Politischen Berichten konzipiert. Der Verwertungszusammenhang ist laut der Projektbeschreibung ein gewerkschaftlicher. Es geht darum, die zu erstellende Broschüre in gewerkschaftlichen Zusammenhängen auch als Material für Trainings zu nutzen, ausdrücklich sind Europäische Betriebsräte und transnationale Gewerkschaftsstrukturen genannt. Die Lenkungsgruppe des Projektes hat sich darauf verständigt mit den Zeitleisten thematisch einen breiten Ansatz von Emanzipationsmomenten abzubilden = Beschäftigtenrechte, Menschenrechte und Individualrechte, soziale Rechte, politische Teilhaberechte ebenso wie Frauenrechte das Recht auf Bildung und weiteres. Diesbezüglich ist als Ziel ausdrücklich festgehalten das Verständnis für den jeweiligen kulturellen Zusammenhang zu fördern und dabei thematisch aus dem engeren Zusammenhang der Lohnarbeit herauszutreten. Kontrovers wurde dort diskutiert ob „Umweltrechte“ ebenfalls ein Bezugspunkt sein sollten.

Die folgenden Länder sollen abgedeckt werden (wobei bisher noch nicht klar ist, ob tatsächlich in allen Ländern Unterstützung mobilisiert werden kann) = Belgien, Bulgarien, Deutschland, Finnland, Frankreich, Grossbritannien, Italien, Island, Litauen, Norwegen, Polen, Rumänien, Serbien, Spanien, Türkei, Ungarn, eventuell Mazedonien.

Am 17. Mai fand ein Workshop im Rahmen des Projektes statt, der Menschen aus elf Ländern zusammenbrachte, darunter auch eine Reihe von mittel- und osteuropäischen Ländern. Für die Diskussionen wurden auch Produkte unseres Projektes verwandt. Durch die starke konzeptionelle Überschneidung beider Projekte werden Ergebnisse des jeweils anderen Projektes leicht nutzbar.

Das Projekt findet starkes Interesse und kann an Bewegungen wie zum Beispiel die „oral history“ im englischen Sprachraum anknüpfen. Ein gigantisches Problem scheint aber in der kulturellen Differenz zu den Gesellschaften im östlichen Europa zu liegen. Bei uns ist es leicht, die Triebkraft der Reformen „von unten“ und im Spannungsfeld von Lohnarbeit und Kapital zu lokalisieren. Das hat sich dort anders ereignet. Dazu kommt das Interesse an Selbstbehauptung kleinerer Kulturräume, die Harmonisierungsbemühungen eher widerständig gegenüberstehen. Dennoch kann man sagen, dass die Deutung der EU als Sozialraum und Raum der Lebensgestaltung auf Anklang stößt. Intuitiv, weil z.B. die Idee der europäischen Sozialversicherungsnummer oder auch die (niederschwellige) Idee einer europäischen Gewerkschaftsmitgliedschaft nützliche Rechte auf die einzelne Person bezieht. Das vorliegende Format – Zeitleisten und Kalenderblätter – regt, wenn es gut geht, Ideen zur Gestaltung des Sozial- und Rechtsraums Europa, besonders EU, aber auch UN an.