Aus Politische Berichte Nr. 11/2018, S.10 InhaltsverzeichnisPDFPB-Archiv

dok: Aktionen – Initiativen – Thorsten Jannoff, Gelsenkichen – Thema: Braunkohlerevier niederrhein

01 Aufruf „Ende Gelände“

02 NRW-Linke: „Raus aus der Kohle – aber sozial!“

03 IG BCE: „Wir sind laut für unsere Jobs!“

04 BUND: Hambacher Forst kann erhalten werden

05 „Unser Revier – Unsere Zukunft“

01

Aufruf „Ende Gelände“

Hambacher Forst: Symbol des Widerstands gegen Klimazerstörung!

Kohle muss im Boden bleiben, um eine Klimakatastrophe zu verhindern. Alle wissen es, doch nichts passiert. Die Bundesregierung stützt die klimaschädlichen Industrien und missachtet ihre eigenen, unzureichenden Klimaziele. Anstatt sofort die Kohlekraftwerke abzuschalten, verschwendet sie weitere wertvolle Zeit mit einer Kommission voller Kohleausstiegsbremser. Doch wir haben keine Zeit mehr: Menschen leiden bereits jetzt unter Dürren, verlieren durch Extremwetter-Ereignisse ihr Zuhause und kommen durch klimabedingte Infektionen und Hunger zu Tode. Deshalb ist es unsere Aufgabe, die Klimazerstörung jetzt dort zu stoppen, wo sie produziert wird … Ende Gelände ruft deshalb dazu auf, sich im Oktober 2018 am Hambacher Forst dem Kohleabbau und damit dem absurden Wachstumszwang entgegenzustellen … Gleichzeitig wird – nach der erfolgreichen Rodungs-Verhinderung 2017 –der „Hambi“ für immer mehr Menschen zum lebendigen Symbol des Widerstands gegen die fossile Energieindustrie. … Hier kristallisiert sich heraus, wie profitorientiertes Wirtschaften Lebensgrundlagen vernichtet – im Hambacher Forst und weltweit. Denn bevor der Kohlekonzern mit dem zerstörerischen Braunkohle-Abbau begann, wurde der Wald von der lokalen Bevölkerung als Gemeingut nachhaltig genutzt. Deshalb ist unser Widerstand auch ein Protest gegen die globale Ungerechtigkeit, die der Kapitalismus produziert. Während die Klimakiller sich weiter bereichern, leiden die von Ausgrenzung und Unterdrückung betroffenen Menschen im globalen Süden am meisten unter den Folgen der Klimazerstörung …

https://www.ende-gelaende.org/de/aufruf-2018/

02

NRW-Linke: „Raus aus der Kohle – aber sozial!“

Die Linke NRW unterstützt die Proteste von Ende Gelände im Rheinischen Braunkohlerevier vom 25. bis 29. Oktober. Sie ruft auf zur Teilnahme an der Solidaritätsdemonstration: Ende Gelände für die Kohle am Samstag, 27. Oktober. „Am 6. Oktober haben 50 000 Menschen ein machtvolles Zeichen für den Erhalt des Hambacher Waldes und für einen entschlossenen Kohleausstieg gesetzt,“ kommentiert Hanno Raußendorf, Sprecher für Umwelt- und Klimaschutz im Landesvorstand der nordrhein-westfälischen Linken und ergänzt: „Der Wald scheint vorübergehend gerettet, aber für uns bleibt klar: Wir müssen raus aus der Kohleverstromung. Bis 2020 müssen die 20 ältesten Meiler vom Netz, wenn wir unsere selbst gesteckten Klimaziele nicht verfehlen wollen. Der gerade veröffentlichte IPCC-Sonderbericht – 1,5 °C globale Erwärmung hat uns allen noch einmal deutlich vor Augen geführt, welche verheerenden Konsequenzen der Menschheit bevorstehen, wenn es ihr nicht gelingt, jetzt sehr schnell aus den fossilen Energieträgern auszusteigen. Wir werden es aber auch nicht hinnehmen, wenn der Ausstieg zu Lasten der Beschäftigten und der Region versucht werden sollte. Wir kämpfen für einen gut gefüllten Strukturwandelfonds für die Braunkohleregionen. Die Linke fordert, dass aus Bundesmitteln jährlich 500 Millionen Euro bereitgestellt werden, um den Strukturwandel in den Braunkohleregionen zu unterstützen und sozial abzusichern. Der Anteil für NRW muss aus dem Landeshaushalt entsprechend aufgestockt werden.

https://www.dielinke-nrw.de/start/presseerklaerungen/

03

IG BCE: „Wir sind laut für unsere Jobs!“

Unter diesem Motto sind am Mittwoch auf zwei Veranstaltungen im rheinischen Revier mehr als 30 000 Menschen auf die Straße gegangen. Den Start bildete ein Demonstrationszug durch Bergheim, wo am selben Tag die Kommission „Wachstum, Strukturwandel und Beschäftigung“ tagte … Die IG BCE und der Ver.di-Fachbereich Ver- und Entsorgung hatten zu dem Aktionstag aufgerufen. Neben den Beschäftigten aus der Braun- und Steinkohleverstromung hatten sich auch viele Mitarbeiter aus energieintensiven Industrien wie Chemie, Aluminiumhütten oder Automobilzulieferer beteiligt, so dass deutlich mehr Demonstranten auf der Straße waren als geplant …Beschäftigte aus dem Tagebau Hambach übergaben mehr als 27 000 Unterschriften von Menschen aus der Region, die den Revierappell von IG BCE und Verdi unterstützen, an Matthias Platzeck, einen der Vorsitzenden der Kommission „Wachstum, Strukturwandel und Beschäftigung“ … „Diese eindrucksvolle Demonstration zeigt deutlich: Klimaschutz geht nur, wenn die Menschen mitgenommen werden. Wir brauchen Lösungen, die die Angst der Beschäftigten vor einem Verlust von Arbeitsplatz und Einkommen nicht verschärft, sondern nimmt“, sagte der DGB-Vorsitzende Reiner Hoffmann in Berlin.

https://m.igbce.de

Abb (PDF): Foto „Laut für unsere Jobs“

04

BUND: Hambacher Forst kann erhalten werden

Düsseldorf/Köln: Einen Tag vor dem Besuch der Kohle-Kommission im Rheinischen Braunkohlenrevier hat der Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland (BUND) neue Studien zur energiewirtschaftlichen Notwendigkeit des Tagebaus Hambach und den Auswirkungen verschiedener Klimaschutzszenarien auf den Hambacher Wald vorgelegt. Nach diesen aktuellen Untersuchungen kann der Tagebau noch bis zu seinem geregelten Auslaufen fortgeführt werden, ohne weitere Bäume fällen zu müssen. Damit widerspricht der BUND den RWE-Aussagen, wonach der wertvolle Wald auf jeden Fall verloren sei … „Es ist unerträglich wie RWE mit falschen Behauptungen auch die eigene Belegschaft aufstachelt. Der vom BUND erreichte Rodungsstopp ist mitnichten für den Rückgang der Kohleförderung verantwortlich, sondern allein die bereits geplante Stilllegung alter Blöcke. RWE und der Vorstandsvorsitzende Schmitz müssen endlich für den Kohleausstieg planen, dann wird es sozialverträgliche Lösungen für die Beschäftigten geben.“ Vor dem Hintergrund der Auseinandersetzung um die Fortführung des Tagebaus Hambach hat der BUND das Öko-Institut beauftragt, zu untersuchen, welche Braunkohlenfördermenge aus dem Tagebau Hambach noch zulässig ist, ohne die deutschen Klimaschutzziele zu gefährden. „Das Ergebnis ist eindeutig. Der Großteil der Hambacher Kohle muss im Boden bleiben, wenn Deutschland seine Klimaschutzziele erreichen will“, so der Geschäftsleiter des BUND NRW, Dirk Jansen. … Der BUND hat die Böschungssysteme des Tagebaus Hambach analysiert und mit den Vorgaben der Bergbehörden abgeglichen. Danach sollen die Böschungen an der Gewinnungsseite für den Restsee sogar steiler geformt werden als heute, ohne die Stabilität zu gefährden. Auch eine Abflachung der Böschungen gegen Tagebauende wäre möglich, ohne weiter Land oder Wald in Anspruch nehmen zu müssen, indem das Restloch von innen angekippt wird. So sieht es auch der Braunkohlenplan des Landes NRW vor. „Wenn jetzt von RWE behauptet wird, dazu seien Millionen von LKW-Fahrten notwendig, so ist das schlichtweg falsch“, so der BUND-Vize Krämerkämper. „Der Braunkohlenplan sieht die Schüttung der späteren Restsee-Böschungen vor. Dazu werden auch heute schon weit überwiegend Förderbänder eingesetzt.“ Würde die jetzige Böschung, während im Tagebau gefördert wird, bereits in einem steileren Winkel gestaltet, würde das wiederum einen räumlichen und zeitlichen Puffer schaffen, der über Jahre hinweg eine weitere Braunkohlenförderung zuließe, ohne dass der Hambacher Wald gerodet werden müsste. Nach den BUND-Analysen ist mit einem solchen Vorgehen eine Braunkohlenförderung von bis zu 490 Millionen Tonnen möglich. „Das entspricht einem Puffer von mindestens 12 Jahren auf dem Förderniveau von 2017 und sogar fast 20 Jahren auf dem geplanten Förderniveau für 2020“, erklärte Thomas Krämerkämper.

https://www.bund.net/

05

„Unser Revier – Unsere Zukunft“

Verdi und IG BCE bringen Revier-Appell auf den Weg. „… Im Rheinischen Revier ist die Braunkohle ein zentraler Wirtschaftsfaktor. An ihr allein hängen in der Region mehr als 30 000 Arbeitsplätze. Der Teilbetrag der Wertschöpfung aus Braunkohle, der heute in die drei Braunkohlereviere fließt, ist deutlich größer als die Summe der Fördermittel, die in ganz Deutschland für Strukturpolitik zur Verfügung stehen. Die Bundesregierung will in der Kommission „Wachstum, Strukturwandel und Beschäftigung“ Maßnahmen vereinbaren, um das für 2030 gesetzte Ziel der CO2-Reduktion zu erreichen und gleichzeitig die Lücke zum für 2020 gesetzten Wert von 40 Prozent Minus gegenüber dem von1990 so weit wie möglich zu schließen … Die Pläne verfolgen hunderttausende Mitarbeiter in der Energiewirtschaft und der energieintensiven Industrie mit großer Sorge. Der Pfad für ein Auslaufen der Kohleverstromung ist heute bereits vorgezeichnet – durch in den kommenden Jahrzehnten auslaufende Genehmigungen und dadurch, derzeit keine neuen Kraftwerke gebaut werden. Die Klimaschutzziele 2030 und 2050 lassen sich deshalb auch ohne ein symbolisch gesetztes Ausstiegsdatum für die Kohleverstromung erreichen. Ein verfrühtes, von Symbolpolitik getriebenes „Abschalten“ würde dagegen schmerzhafte Folgen für die gesamte heimische Industrie haben: Kahlschlag in den Regionen, steigende Energiepreise und Jobabbau. Niemandem ist geholfen, wenn wir uns mit der Energiewende übernehmen. Die Braunkohle ist vor allem deshalb Deutschlands günstigster Energieträger, weil sie direkt am Ort des Abbaus verstromt wird. Die „lineare Logik“ eines schrittweisen Herunterfahrens funktioniert hier deshalb nicht. „Abschalten“ würde den Strukturbruch und damit Kahlschlag bedeuten! … Wir wissen, dass die Braunkohleverstromung eine Auslaufphase durchläuft. Aber wir wollen nicht, dass die soziale und wirtschaftliche Zukunft unserer Region auf dem Altar energiepolitischer Glaubensfragen geopfert wird! …

1. Die Zukunft des Reviers ist der Maßstab. In ihrem Einsetzungsbeschluss für die Kommission „Wachstum, Strukturwandel und Beschäftigung“ (KOM WSB) legt die Bundesregierung fest, dass die Kommission zuerst ihre Empfehlungen zur sozialen und strukturpolitischen Entwicklung der Braunkohleregionen sowie ihrer finanziellen Absicherung vorlegen soll. Wir begrüßen diese Prioritätensetzung! Das diese Empfehlungen bereits bis Ende Oktober

fertiggestellt sein sollen, halten wir nicht für realisierbar – jedenfalls nicht, wenn man die betroffenen Regionen ernsthaft in die Erarbeitung dieser Empfehlungen einbeziehen will. Wir fordern deshalb die Bundesregierung auf, den betroffenen Braunkohleregionen ein BETEILIGUNGS-KONZEPT vorzulegen.

2. Es geht nicht um Abbau, sondern um Aufbau. Wir legen Wert darauf, dass die Kommission „Wachstum, Strukturwandel und Beschäftigung“ (KOM WSB) keine Abwicklungs- oder Ausstiegskommission ist. Nicht die negative Botschaft, etwas abzuschaffen, sondern der Aufbau neuer, nachhaltiger, weiter industriell geprägter regionaler Strukturen muss im Vordergrund stehen. Ebenso muss die Standortsicherung der vielen energieintensiven Industrien im direkten und weiteren Umfeld des Rheinischen Reviers gewährleistet sein …

3. Wir brauchen ein regionales Strukturentwicklungskonzept. Wir brauchen nicht nur schöne Prestigeprojekte, sondern auch ein in sich schlüssiges, auf einer genauen Analyse aufbauendes, regionales Strukturentwicklungskonzept, welches maßgeschneidert auf die Kommunen rund um die Tagebaue und Kraftwerksstandorte eine nachhaltige Strukturentwicklung fördert. Wir fordern den Bund und das Land NRW auf, ein REGIONALES STRUKTURENTWICKLUNGSKONZEPT für das Kerngebiet des Rheinischen Braunkohlereviers als das zentrale Instrument einer zielgerichteten regionalisierten Strukturentwicklung aufzusetzen.

4. Ganzheitlich denken und wirklich alle Kräfte intelligent bündeln! Ein erfolgreicher Strukturwandel im Rheinischen Revier kann nicht allein mit den jetzt vorgesehenen Strukturmitteln des Bundes erzielt werden. Vielmehr sind vorhandene Instrumente und Mittel intelligent zu bündeln, um die Infrastruktur der Region in den Bereichen Verkehrsnetze, digitale Netze, Forschung, Bildung, Technologie und Wohnen aus- bzw. umzubauen. Wir fordern deshalb die NRW-Landesregierung und die Bundesregierung auf, einen umfassenden Entwicklungsansatz zu wählen, in dem Instrumente wie der Bundesverkehrswegeplan, die Digital-, Technologie- oder Industrie 4.0-Strategie, der Breitbandausbau usw. aufeinander abgestimmt im Rheinischen Revier angewandt werden. Dazu sollte der Region des Rheinischen Reviers ein entsprechender SONDERSTATUS zugebilligt werden.

5. Stärken der Region nutzen. Unser Revier besitzt etwas, woran es anderen Regionen oft fehlt: neu nutzbare Flächen! Darüber hinaus ist unsere Region nicht nur in der Energieerzeugung stark, sondern auch in der Energieforschung und in der Energietechnologieentwicklung. Diese Alleinstellungsmerkmale und die industriellen Kompetenzen müssen zum zentralen Ausgangspunkt der Regionalentwicklung gemacht werden. Daher brauchen wir in diesen Bereichen einen entsprechenden Sonderstatus in der Flächen- und Landesentwicklungsplanung der NRW-Landesregierung.

6. Neu orientieren und dabei Energie- und Industrieregion bleiben. Wir wollen keine „Deindustrialisierung“, sondern weiterhin eine Energie- und Industrieregion bleiben. Gut ausgebildete Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer, moderne industrielle Strukturen, Energieforschung, aber auch neue Technologien zur Energiegewinnung und Energiespeicherung sollen tragende Säulen der regionalen Strukturentwicklung bleiben. An diesen Vorgaben und nicht an abstrakten „Leitmärkten“ sollte sich die zukünftige Förderung unserer Region durch Land und Bund orientieren.

7. Gegen Zentralismus und Kirchturmdenken: EINE regionale Plattform. Für die Entwicklung, Umsetzung und Evaluierung eines regionalen Strukturentwicklungskonzeptes braucht es eine Arbeitsplattform in Form eines regionalen Entwicklungsmanagementbüros … Wir sehen die Landesregierung in der Pflicht, eine regionale Entwicklungsagentur zu entwickeln und deren Arbeit eng mit einer auf die Sondermerkmale des Rheinischen Reviers abgestimmten Landesentwicklungsplanung zu verzahnen.

https://nordrhein.igbce.de/der-revier-appell/169836