Aus Politische Berichte Nr. 12/2018, S.21 InhaltsverzeichnisPB-Archiv

Deutsche Islamkonferenz: Wieder am Thema vorbei

Karl-Helmut Lechner, Norderstedt

Nimmt man als Maßstab die Speisen, welche Bedeutung von der Bundesregierung Deutschen der Islamkonferenz zugemessen wurde — es gab u.a. für die geladenen Moslems Blutwurst vom Schwein — kann man sich gut ausmalen: viel an Wertschätzung, Respekt und Willen zur Zusammenarbeit kann nicht dabei gewesen sein. Blut, und dann noch vom Schwein, ist für gläubige Islamis aller Richtungen ein Tabu und religiöser Gräuel. Dass Horst Seehofer, der Troll von der CSU, als Innenminister zu dieser Konferenz für den 28. und 29. November 2018 geladen hatte, ließ jede BeobachterIn ohnehin die eigenen Erwartungen tiefer hängen: „Der Islam gehört nicht zu Deutschland!“ Dass jemand, der diesen Satz in den letzten zwölf Monaten immer wiederholt hat, geeignet sein soll, mit Empathie und Sachkenntnis die vielen kulturellen und religions-verfassungsrechtlichen Fragen, die das Verhältnis der islamischen Religionsgemeinschaften zum Staat bestimmen, aufzugreifen, gar befriedende Lösungen vorzuschlagen — kaum zu glauben.

Entsprechend verfehlte diese Konferenz auch ihr Thema: Die rechtliche Gleichstellung islamischer Gemeinden, wie es das Grundgesetz in dem Artikel 140 für Religions- und Weltanschauungsgemeinschaften vorgibt.

Damals, im Jahr 2006, eröffnete Bundes-Innenminister Wolfgang Schäuble die erste Deutsche Islamkonferenz mit den Worten: „Der Islam ist Teil Deutschlands und Europas.“ Vier Jahre später war es dann Bundespräsident Christian Wulff, der den Satz prägte: „Der Islam gehört zu Deutschland.“ Im Jahr 2011 kontert Bundes-Innenminister Hans-Peter Friedrich, CSU: „Dass der Islam zu Deutschland gehört, ist eine Tatsache, die sich auch aus der Historie nirgendwo belegen lässt.“

Dieser CSU-Linie sprang im April dieses Jahres in der „Neuen Züricher Zeitung“ der aus Syrien stammende Professor für Internationale Beziehungen an der Universität Göttingen, Bassam Tibi, mit folgender skurrilen Logik bei: „ ‚Den Islam‘ gibt es nicht. Es gibt 57 Länder mit vorwiegend islamischer Bevölkerung, zwei Milliarden Muslime und vierzehn Jahrhunderte islamische Geschichte. Gehört das alles zu Deutschland? Man kann das schlecht behaupten.“ Wie wäre es, wenn wir mal diese „Argumentation“ auf „das Christentum“ anwenden, auf diese alt-orientalische Sekte aus Palästina; oder gar auf „die Demokratie“, diese etwas drollige politische Idee aus dem alten Griechenland des 5. Jahrhunderts v.u.Z.?

Immerhin: Diesmal waren auch säkulare, laizistische und liberale Muslime mit auf der Konferenz dabei. Die Mehrheit der Muslime gehöre keinem der großen Dachverbände an, so begründete Seehofer diesen richtigen Schritt.

So saßen zusammen mit Seehofer auf der Bühne: Serap Güler, CDU-Politikerin und Staatssekretärin in Nordrhein-Westfalen, Aiman Mazyek, der Chef des Zentralrats der Muslime in Deutschland, sowie Bülent Ucar, der Direktor des Instituts für islamische Theologie an der Universität Osnabrück. Bülent Ucar forderte für die Muslime „rechtliche Anerkennung und Gleichstellung“ ein; diese fehle „nur im islamischen Bereich“, kritisierte er; und kam damit auf den Kernpunkt der Probleme.

Aber dies kümmerte im Verlauf der Konferenz die Veranstalter wenig. Vielmehr wie immer, wenn eine Reihe religiöser Gruppierungen, mögen sie noch so nahe inhaltlich beieinander liegen, aufeinandertreffen: es begann der Kampf um die Deutungshoheit. „Für wen sprechen Sie?“, fragte denn auch die Moderatorin der Runde geradeheraus Herrn Aiman Mazyek. „Für die deutschen Muslime“, antwortete dieser und rief dadurch nicht nur unter seinen Gegnern im Publikum hämische Heiterkeit hervor. Der Kampf um die Deutungshoheit ist eben zugleich Kampf um Macht. Konkret: Wen sich der Innenminister als Partner aussuchen darf; wer sich ihm andient.

Kein zentraler Ansprechpartner nötig

Die Veranstalter der Konferenz spielten dies Spiel gerne mit: Seehofer wünsche sich ja beinahe, dass sich Mazyek zum Papst erkläre, bemerkte Abdel-Samad, ein Vertreter der „Initiative Säkularer Islam“, im Rahmen einer Fragerunde spöttisch.

Er machte damit deutlich, dass sich die Bundesregierung mit ihrer Forderung nach einem zentralen Ansprechpartner, den ihr die islamischen Organisationen und Gemeinden präsentieren sollen, weiterhin auf dem bisherigen Holzweg bewegt. Einen zentralen Ansprechpartner für den Staat gäbe es nur dann, wenn man meint, es müsse in Religionsgemeinschaften immer so zugehen wie in der Katholischen Kirche. Sie ist tatsächlich weitgehend zentralistisch von oben nach unten strukturiert und hat in der Bischofskonferenz ein Gegenüber zu staatlichen Stellen. Aber die anderen Religionsgemeinschaften? Mögen die Lutheraner mit ihren Bischöfen diesem Modell noch am nächsten kommen. Die Reformierten? Die jüdischen Gemeinden? Die vom eigenen Selbstverständnis her ausdrücklich dezentral aufgestellten protestantischen Freikirchen? Oder die einzelnen Freidenkerverbände? Sogar die Zeugen Jehovas? Sie alle haben in der Bundesrepublik Deutschland ohne zentrale Organisation die Rechtsform, die die Verfassung vorgibt: die „Körperschaft des öffentlichen Rechts“ (KdÖR). Das Grundgesetz sieht keine einheitliche zentrale Struktur der Religionsgemeinschaften als Bedingung für diese rechtliche Absicherung vor. In das Grundgesetz der Bundesrepublik Deutschland wurden 1949 im Artikel 140 die Bestimmungen der Weimarer Verfassung übernommen. Darin verleiht es anerkannten Religions- und Weltanschauungsgemeinschaften den Status der „Körperschaft des öffentlichen Rechts“. Sie sind damit vom Staat unabhängig und keiner Staatsaufsicht unterworfen. Das Grundgesetz sagt dazu: „Jede Religionsgesellschaft ordnet und verwaltet ihre Angelegenheiten selbständig …“

Eine islamische Gemeinde, die diesen Status hätte, wäre damit auch rechtlich Teil des öffentlichen Lebens — eben wie z.B. die christlichen Kirchen. Der Status KdÖR würde ihnen vielfältige Möglichkeiten der Kooperation eröffnen. Es wäre mit diesem Status gesellschaftliche Wertschätzung und Zugehörigkeit verbunden. Nur wer gleiche Rechte hat, kann zum Partner werden. Höchste Zeit, dass die zuständigen Landesregierungen von sich aus den islamischen Gemeinden den Status der „Körperschaft des öffentlichen Rechts“ anbieten.

Abb. (PDF): Gegenseitige hohe Wertschätzung: „Muhammad auf einem Kamel und Jesus auf einem Esel, gemeinsam reitend“. Persische Miniatur, 18. Jahrhundert. Teheran, Parlamentsbibliothek