Aus Politische Berichte Nr. 01/2019, S.15 InhaltsverzeichnisPDFPB-Archiv

Die IG Metall in einer ungewissen Zeit

Bruno Rocker, Berlin

01 Dokumentation Debattenpapier:

Hass- und Gewalttiraden in den sogenannten sozialen Medien erreichen die reale Welt auf der Straße, sie wirken jedoch weniger in die Betriebe hinein. Das System von Tarifautonomie und Betriebsverfassung enthält offenbar wirksame Hemmschwellen, die dies verhindern. Das Ergebnis der Betriebsratswahlen in 2018 bundesweit bestätigt die weitgehende Isolation rechtsextremer und gewaltbereiter Kräfte in den Betrieben.

Davon profitiert in gewisser Weise auch die aktuelle Vorbereitung auf den Gewerkschaftstag im Oktober 2019 in Nürnberg. Die IG Metall wird dort programmatische Leitlinien für die nächsten vier Jahre diskutieren und beschließen. Der Vorstand hat ein Debattenpapier erarbeitet und in der Ausgabe „Januar-Februar 2019“ der Mitglieder-Zeitung veröffentlicht. Natürlich geht es zunächst um die vielfältigen Triebkräfte der aktuellen Transformation – die Digitalisierung von Produkten und Prozessen sowie die fortschreitende Globalisierung und die Dekarbonisierung der Industrie mit den entsprechenden Veränderungsprozessen in der Arbeitswelt. Es geht jedoch auch um Grundsätze.

Wir dokumentieren im Folgenden einige wesentliche Positionierungen aus dem Debattenpapier. Die Zwischenüberschriften haben wir eingefügt. Das Papier als Ganzes ist aus dem Download-Bereich der Website der IG Metall herunterladbar.

https://www.igmetall.de/metallzeitung_01_02_2019_81a61eb343cc436c45ffcb8c1d39bac8d8e50c24.pdf

01

Dokumentation Debattenpapier:

Selbstbewusstsein: Und wir werden weiter streiten für faire Entgelte, gute und zukunftsfähige Jobs, einen fairen und gut regulierten Weltmarkt, für ein solidarisches und soziales Europa, eine starke und nachhaltige Industrie, für selbstbestimmte Arbeitszeiten und eine humane Arbeitswelt für alle Beschäftigten, auch für diejenigen, die am Rande der Stammbelegschaft arbeiten, befristet als Leiharbeiter oder als Beschäftigte aus Werksvertragsunternehmen.

Soziale Sicherung: Soziale Sicherheit ist der Nährboden für Kooperation und friedliches Zusammenleben. Angst, Neid und Not hingegen bedrohen eine zivilisierte Gesellschaft und treiben die Menschen aus- und gegeneinander. Unser Sozialstaat muss den Menschen das Gefühl vermitteln, im Alter bei Krankheit und Arbeitslosigkeit zuverlässig abgesichert zu sein und er muss sie begleiten bei den Umstellungen, die in Zukunft von ihnen verlangt werden.

International. Der Kampf um eine wirklich demokratische und gerechte Wirtschaftsordnung, diese historische Mission der Arbeiterbewegung, ist unvollendet. Wir führen ihn heute in einer Welt global vernetzter Wertschöpfung und Handelsströme im Zeitalter eines neuen Technologiesprungs und einer ökologischen Bedrohung unserer Lebensgrundlagen. Das macht es nicht einfacher. Aber es macht es umso wichtiger und lohnenswerter, dranzubleiben. Denn die Gefahr eines weltweiten Rückfalls in aggressiven Nationalismus und autoritäre Gesellschaftsmodelle ist real.

Als Gewerkschaft: Wir können den Welthandel fair regeln mit einem Wettbewerb, der keine Regionen zerstört, der keine Dumpingwettläufe um niedrige Löhne und schlechten Verbraucherschutz kennt. Wir können unsere Industrien mit all unserem Wissen und unseren Innovationen sauber und nachhaltig machen. Wir können unseren Sozialstaat sicher machen und fest an der Würde der Menschen ausrichten. Wir können die Werte unserer Volkswirtschaften auch in der Transformation gerecht und fair verteilen über Tarifsysteme, Steuersysteme, soziale Sicherungssysteme und öffentliche Güter. Dafür brauchen wir den Mut und die Kraft unserer Mitglieder. (…)

Die IG Metall setzt sich für eine wirksame transnationale Gewerkschaftspolitik ein, sie fordert eine starke, eine solidarische Europäische Union. Wir müssen mit unseren Kolleginnen und Kollegen an einem Strang ziehen, für einen offenen und fairen Wettbewerb, für Frieden und internationale Verständigung.

Tarifbindung: Wir stellen uns gegen die Forderungen der Arbeitgeber nach Öffnungsklauseln gegen modulare Tarifverträge nach dem „Wünsch dir was Prinzip“ gegen eine weitere Verbetrieblichung der Tarifpolitik. Wir brauchen das Gegenteil, wir brauchen eine Stärkung der Tarifbindung für mehr Erwerbstätige! Denn nur über Tarifverträge können Beschäftigte einen fairen Anteil an der Wertschöpfung und einen angemessenen Einfluss auf ihr Arbeitsleben gewinnen.

Weiterbildung: Und wir fordern massiver Investitionen in Personal und Ausstattung von Berufs und Hochschulen. Wir verlangen eine öffentliche Infrastruktur mit Berufs und Hochschulen als regionale Weiterbildungszentren. Arbeitsmarktpolitik muss berufliche Neuorientierung in der Berufstätigkeit ermöglichten, nicht erst im Fall von Arbeitslosigkeit.

Arbeitszeit: Mit der verkürzten Vollzeit und der Wahloption auf tarifliche Freistellungszeit hat unser Tarifabschluss endlich flexible Arbeitszeiten im Interesse der Beschäftigten geschaffen. Auch wenn die Arbeitgeberseite murrt und bremst: Wir müssen und werden diese Optionen weiterentwickeln.

Abb.(PDF): Beschlussgang in der IG Metall