Aus Politische Berichte Nr. 02/2019, S.03 InhaltsverzeichnisPDFPB-Archiv

„YA ME YE“ – HDP will aus den Kommunalwahlen ein Referendum zur Demokratie machen

Rudolf Bürgel, Karlsruhe

Am 31. März finden in der Türkei die Kommunalwahlen statt. Die HDP hat in der Türkei ihre Kandidatenlisten aufgestellt. Im Westen der Türkei kandidieren auf den Listen der HDP viele Mitglieder aus unterschiedlichsten Organisationen und Bewegungen. In den kurdischen Gebieten tritt sie erstmals in Allianzen mit anderen kurdischen Parteien und Verbänden unter dem Dach der HDP an. Kein Tag vergeht, ohne Repression gegen die Kandidaten und Verhaftungen. Gegenwärtig befinden sich über 5 000 HDP-Mitglieder im Gefängnis, darunter eine derzeitige Abgeordnete und acht ehemalige sowie 59 amtierende Bürgermeister*innen. Aus den Wählerverzeichnissen geht hervor, dass zusätzlich 14 000 Soldaten und Polizisten zu den Wahlen in die kurdischen Hochburgen verlegt werden. Es gibt Adressen, an denen auf einmal über 100 Leute in einer Wohnung gemeldet sind. Im Januar wurden in zwei Wochen auf Antrag der HDP 12 500 Wahlregistrierungen annulliert, weitere knapp 20 000 ebenfalls offensichtlich gefälschte Eintragungen aber bestehen gelassen. Die HDP kämpft um die Rathäuser und Verwaltungen in den kurdischen Gebieten mit dem Slogan „YA ME YE“, was im übertragenen Sinn bedeutet: Die Kommunen gehören uns allen. Die HDP setzt gegen die Präsidialherrschaft Erdogans und die Entmachtung des Parlaments auf demokratischen Strukturen in den Kommunen.

Yurdusev Özsökmenler, stellvertretender Ko-Vorsitzende für Lokalverwaltungen der HDP erläutert die Strategie: „Wir bereiten uns auf die Kommunalwahlen mit dem Ziel vor, alle unter Zwangsverwaltung stehenden Gemeinden in Kurdistan zurück- und neue Gemeinden hinzuzugewinnen … Im Westen verfolgen wir das Ziel, möglichst viele Kommunen zu gewinnen und die Dominanz von AKP und MHP in von ihnen geleiteten Kommunen zu schwächen. Dafür versuchen wir mit gesellschaftlichen Kräften, Gewerkschaften, zivilgesellschaftlichen Einrichtungen und politischen Parteien zusammenzukommen und entsprechend den jeweiligen Besonderheiten eine lokale Bündnispolitik zu entwickeln.“

In Diyarbakir kam das erste Bündnis zustande und beschloss unter anderem:

„Alle unterzeichnenden Parteien und Bewegungen bilden bei den anstehenden Kommunalwahlen das Kurdistan-Wahlbündnis und werden unter dem Dach der HDP an den Wahlen teilnehmen. Gegen die „Volksallianz“ (AKP-MHP), die weiterhin auf der unrechtmäßigen Bemächtigung des Willens unseres Volkes beharrt, schreiten wir mit der Formel ‚Möge unsere Bevölkerung gewinnen, möge unser Bündnis siegreich sein, mögen wir Kurd*innen erfolgreich sein‘ voran.

Als Kurdistan-Wahlbündnis werden wir uns dafür einsetzen, dass die zivile demokratische Politik in Kurdistan von Neuem aufblüht.

Angefangen bei der dringenden Forderung unserer Bevölkerung nach muttersprachlicher Schulbildung werden wir in der Lokalpolitik sowohl für die demokratischen Rechte unserer Menschen eintreten als auch in den Rathäusern uns in den Dienst unserer Bevölkerung stellen.

Unterzeichnenden Parteien/Bewegungen sind: Islamische Bewegung Kurdistans (Kürdistan İslami Hareketi, AZADÎ), Partei der demokratischen der Regionen (Demokratik Bölgeler Partisi, DBP), Revolutionärer Demokratischer Kurdischer Verein (Devrimci Demokratik Kürt Derneği, DDKD), Demokratische Partei der Völker (Halkların Demokratik Partisi, HDP), Partei des Menschen und der Freiheit (İnsan ve Özgürlük Partisi, PİA), Kommunistische Partei Kurdistans (Partîya Komunîsta Kurdistan, KKP), Demokratische Plattform Kurdistans (Platforma Demokrata Kurdistan, PDK), Demokratische Partei Kurdistans-Türkei (Partîya Demokrata Kurdistanê -Türkiye, PDK-T).“

Zur Unterstützung ruft die HDP wieder zur internationalen Wahlbeobachtung mit dem Schwerpunkt Kurdistan auf. In den Wahlen geht es um die nächste Weichenstellung in der Türkei: Kann ein neuer Friedensprozess in Gang gesetzt werden? Dazu muss die Isolation Abdullah Öcalans beendet sein. Darum geht es in den Hungerstreiks. Wird ein Angriff des türkischen Militärs auf Rojava stattfinden oder nicht? Die HDP und ihre gesellschaftliche Vorstellung von kommunaler Selbstverwaltung ist der Gegenentwurf zur Erdogan-Diktatur.

Quellen: HDP, 28.1.2019, ANF, 4.1. und 8.1.2019