Aus Politische Berichte Nr. 02/2019, S.14 InhaltsverzeichnisPDFPB-Archiv

EFBH schließt erste Vereinbarung mit europäischem Arbeitgeberverband ab

Von Rolf Gehring, Brüssel

01 info: Formaldehyd in der Plattenproduktion

Die Europäische Föderation der Bau- und Holzarbeiter (EFBH) und der Europäische Verband der Plattenherstellenden Industrie (EPF) haben Ende November des letzten Jahres eine Vereinbarung über den Schutz der Beschäftigten gegenüber der Exposition von Formaldehyde abgeschlossen.

Formaldehyd ist als Kanzerogen klassifiziert und die Europäische Kommission hat einen Grenzwert von 0,3 PPM (parts per million) vorgeschlagen. Das internationale Krebsforschungszentrum in Lyon klassifiziert Formaldehyde heute als sogenanntes Treshold-Karzinogen, das heißt, es wird davon ausgegangen, dass Expositionen unter einem bestimmten Niveau zu keiner Krebsbildung führt. Etwa die Hälfte der europäischen Formaldehydproduktion wird in der plattenherstellenden Industrie als Formaldehydharze verwandt. Sie dienen als schnell aushärtender Klebstoff in den Platten.

Eine der Voraussetzungen für diese Vereinbarung war die technische Gleichartigkeit des Produktionsprozesses quer durch Europa (siehe hierzu auch den Kasten unten). Die Produktionsanlagen gleichen sich stark und die Bereiche im Produktionsablauf, an denen eine besonders hohe Emission stattfindet, können definiert werden

Die Vereinbarung beinhaltet technische Vorgaben zu Arbeitsplatzmessungen und zur Risikobeurteilung sowie Vorschläge für Präventionsmaßnahmen. Hierzu wird auch auf ein früheres Projekt der unterzeichnenden Organisationen verwiesen, in dem detaillierte Vorschläge zur technischen Minimierung von Emissionen gemacht wurden. Des Weiteren finden sich in der Vereinbarung Vorgaben zur Arbeitnehmerbeteiligung bei der Risikobeurteilung und den Minimierungsmaßnahmen, zu den Dokumentationspflichten, zur Unterweisung der Beschäftigten sowie zur Streitschlichtung. Strengere nationale Vorschriften sind einzuhalten.

Für die EFBH ist es die erste europaweite Vereinbarung, die mit einem Arbeitgeberverband abgeschlossen wurde. Interessant war in diesem Zusammenhang die interne Diskussion im Vorfeld der Verhandlungen. Hier zeigten sich Änderungen in den tradierten Positionen und Beurteilungen bezüglich europaweiter Vereinbarungen. Waren die skandinavischen Gewerkschaften bisher eher einhellig gegen einen Ausbau dieser Regulierungsebene, haben sich die schwedischen jetzt positiv positioniert, mit dem Hinweis, dass diese Vereinbarung Mindeststandards setzt, die (vor allem) in vielen mittel- und osteuropäischen Staaten eine deutlich bessere Prävention ermöglichten.

Demgegenüber vertraten die dänischen Gewerkschaften die (eher klassische) Position, dass die europäische Ebene ausschließlich gesetzliche Mindeststandards setzen sollte. Hintergrund ist die starke Stellung der skandinavischen Gewerkschaften und Arbeitgeberverbände bei der Ausgestaltung der Arbeitsbedingungen. Es wird ein Unterlaufen der oft hohen Standards in den Ländern befürchtet, vor allem aber ein einsetzender Bedeutungsverlust, wenn diese Gestaltungsfunktion tendenziell nach Europa verlagert werden sollte. Gewerkschaften aus den mittel- und osteuropäischen Ländern sehen in der Vereinbarung auch eine Möglichkeit des besseren Zugangs in die betroffenen Betriebe, also ein Hilfsmittel für die Mitgliedergewinnung.

Innerhalb der EFBH und dann mit den Arbeitgebern wurde vor dem Hintergrund dieser Debatte vereinbart, dass die Vereinbarung keine direkte Rechtswirkung in den Ländern hat, sondern dort von den jeweils zuständigen Organisationen erneut vereinbart werden muss. Ebenfalls findet sich in dem Papier an mehreren Stellen (z.B. bei Streitschlichtungsmechanismus) ein Bezug auf die jeweils in den nationalen Arbeitsbeziehungen gültigen Verfahren.

Auf europäischer Ebene soll ein Monitoring bezüglich der Umsetzung der Vereinbarung für die gesamte Industrie organisiert werden.

Abb. (PDF): Produktionsstraße

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Formaldehyd in der Plattenproduktion

Die diversen Arten von Holzplatten, basierend auf Spänen, Fasern, Chips usf., werden alle auf langen Produktionsstraßen hergestellt. An deren Beginn wird ein Brei aus dem Basismaterial und Klebern, die z.B. das schnelle Aushärten (formaldehydbasierte Kleber) unterstützen sollen, in die Produktionsanlage eingetragen. Die Gleichartigkeit der Produktionstechnik und damit auch der Arbeitsbedingungen war eine der Voraussetzungen, eine Vereinbarung auf europäischer Ebene abzuschließen. Es musste nicht auf vielfach verschiedene technische Bedingungen und im Gefolge verschiedene Gefährdungssituationen eingegangen werden. Die Emissionen entstehen hauptsächlich beim Erhitzen der Harze, dem Eintragen des Materialbreis in die Anlage, später beim Bearbeiten (sägen, schleifen), aber auch beim sogenannten Kühlstirnwender (Bild links), wo die Platten abkühlen. Betroffen sind vor allem Wartungs- und Reinigungspersonal, Beschäftigte, die Stichproben nehmen, die in der Störungsbehebung arbeiten oder die kommissionieren.

Bezüglich der Präventionsaktivitäten wiederholt die Vereinbarung die in der europäischen Rahmenrichtlinie zum betrieblichen Arbeits- und Gesundheitsschutz verankerte Hierarchie von Maßnahmen: Substitution durch unschädliche oder weniger schädliche Materialien, Reduktion der Emissionen an der Quelle, technische Maßnahmen, persönliche Schutzausrüstung.

Abb. (PDF): Kühltischwender