Aus Politische Berichte Nr. 03/2019, S.17 • InhaltsverzeichnisPDFPB-Archiv

dok: Rechte Provokationen --- Demokratische Antworten

Redaktionsnotizen • Zusammenfassung: Rosemarie Steffens, Langen, Hessen

01 Die „kulturpolitische Aufarbeitung unseres kolonialen Erbes“.

02 Am Holocaust-Gedenktag wurden die hessische und deutsche Fahne vor der Polizeistation in Schlüchtern kopfüber und auf Halbmast gehisst.

03 Esther Bejarano:„Tanzen und Singen ist meine Rache an den Nazis.“

01

Die „kulturpolitische Aufarbeitung unseres kolonialen Erbes“. Die Große Anfrage von Dr. Mark Jongen (AfD) und weiterer sowie die Antwort der Bundesregierung wurde im Bundestag debattiert.

Jongen warf der Regierung vor, sie stelle mit ihrer Ankündigung, die Provenienzforschung zum Kulturgut aus kolonialem Erbe in deutschen Museen fördern und vorantreiben zu wollen, Moralismus über Recht und kultiviere einen Schuldkomplex in Bezug auf die deutsche Kolonialgeschichte, der als psychopolitische Grundlage für die Akzeptanz von Massenmigration und Multikulturalismus dienen solle. „Es wird munter weitergehen mit dem Ausverkauf unseres Landes“. Im Zuge des Kolonialismus seien zwar „… schlimmste Verbrechen begangen worden“, aber: „Der europäische Kolonialismus unterband weitgehend gewaltsame Versklavungsprozesse, unterdrückte die Warlords und stabilisierte Lebensverhältnisse; er hat Afrika nach einer 1000-jährigen Geschichte von blutigster Gewalt und Völkermorden die Möglichkeit zu neuen Wegen eröffnet.“ Zitiert wird hier der „Historiker und Sklavereiexperte“ Prof. Egon Flaig, der nicht nur den Kolonialismus als segensreich betrachtet, er meint auch, dass die Erinnerung an die Verbrechen des Nationalsozialismus keinesfalls den Kern der Erinnerungskultur darstellen sollte. Dauerhaft bestehen könne „das deutsche Volk nur als normales Volk, nicht als stigmatisiertes.“ (FAZ, 11.7.11). Flaig gehörte zu den Erstunterzeichnern der „Autoren gegen illegale Masseneinwanderung“ 2018.

Der nächste Redner Helge Lindt (SPD) fragt Jongen, „… wie können wir ausverkaufen, was uns zu großen Teilen gar nicht gehört?“ … wir merken auch – da ist die Große Anfrage der AfD der beste Beweis –, dass dieser Kolonialismus offensichtlich bis heute … eine schwere Traumatisierung inmitten unserer Gesellschaft hinterlassen hat. Denn Sie sind zutiefst geprägt, geradezu besessen von dieser Thematik . … Es ist nicht an uns, zu entscheiden, ob unrechtmäßig enteignete Güter in den Keller oder in den Hof gestellt, in Rituale eingespeist werden oder sonst was damit gemacht wird. Wir sind nicht in der Position, Bedingungen zu stellen, Sie erst recht nicht!“. … Des Weiteren – das ist die Steigerung Ihrer Großen Anfrage ins Unermessliche – kommt tatsächlich die Frage – … ob es bei der Bundesregierung Hinweise gäbe, dass afrikanische Länder die restauratorischen bzw. kuratorischen und konservatorischen Leistungen hinreichend gewürdigt hätten. Geht es noch? Wo sind wir denn? Wir sind diejenigen, die sich mit der Schuld der Täter als deren Nachkommen auseinandersetzen wollen. Jetzt verlangen wir von den Betroffenen und den Nachkommen der Betroffenen, sie hätten unsere restauratorischen Leistungen bei gestohlenem Gut würdigen müssen. Das meinen Sie nicht ernsthaft!“ Die Rede wurde mit viel Applaus von SPD-, Grünen-, Linken- und CDU-Abgeordnete bedacht.

02

Am Holocaust-Gedenktag wurden die hessische und deutsche Fahne vor der Polizeistation in Schlüchtern kopfüber und auf Halbmast gehisst. Das gilt international als Zeichen der Ablehnung des Staats, national als symbolische Geste von Neonazis. Innenminister Beuth (CDU) gerät unter Druck, da er nicht zeitnah informiert hatte. Der Staatsschutz ermittelt gegen Volksverhetzung und Verunglimpfung des Staats, die Beamten, die im Januar im Dienst waren, sind versetzt worden. Die Linke geht von gezielter Provokation aus und stellt den Innenminister selbst in Frage, nachdem eine Rechtsanwältin mehrere mit NSU 2.0 unterschriebene Drohbriefe bekam und deshalb in der Frankfurter Polizei immer noch ermittelt wird. Beuth werden auch unverhältnismäßige Polizeieinsätze und inhumane Abschiebepraxis vorgeworfen.

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Esther Bejarano:„Tanzen und Singen ist meine Rache an den Nazis.“

Esther Bejarano und die Microphone Mafia kamen auf Einladung von „Bunt statt Braun“ nach Mühlheim a.M. – die Veranstaltung war ausverkauft. Esther Bejarano, jetzt 94 Jahre alt, schilderte, wie sie 1943 von den Nazis als 19-jährige Jüdin ins KZ Auschwitz deportiert und grauenvolle Erfahrungen mit der SS machen musste. Ihr Glück war, dass junge Frauen in der Lager-Kommandantur gesucht wurden, die Musik machen konnten, um die SS-Aufseher zu unterhalten. Sie wurde im Mädchenorchester aufgenommen, weil sie Akkordeon und Flöte spielte, was ihr das Leben rettete. Zu dritt traten anschließend Esther, ihr Sohn Joram Bejarano und der bekannte Rapper Kutlu Yurtseven auf. Sie sangen bekannte Lieder wie das jüdische „Sog nischt kejnmol“, aber auch das türkische Widerstandslied „Insanlar“ und den Kölner Song „Wann jeiht d‘r Himmel widder up“. Die Appelle, gegen Rassismus und Faschismus aufzustehen, der wieder in unserer Gesellschaft Auftrieb hat, richteten sie an Alle. Die einmalige Mischung von Volkslied und Rap, von Gesang, Tanz, Trauer, Hoffnung und Witz, leidenschaftlich vorgetragen in gegenseitigem Respekt, war ein unvergessliches Erlebnis. Esther Bejaranos Appell: Liebe das Leben und verteidige die Freiheit!