Aus Politische Berichte Nr. 04/2019, S.18b • InhaltsverzeichnisPDFPB-Archiv

Rechte Provokationen --- Demokratische Antworten

Redaktionsnotizen:- Rosemarie Steffens, Langen, Hessen

01 Suspendiert. Die Europäische Volkspartei (EVP) hat die Mitgliedschaft der ungarischen Partei Fidesz suspendiert.

02 Österreichs Regierung prüft Auflösung der „Identitären“.

03 Keine SS-Renten in Europa!

Parteinahe Stiftungen zum Umgang mit Rechtspopulismus in Europa

Zu den Aufgaben der Parteistiftungen zählen insbesondere die politische Bildung, die Begabtenförderung, die politische Forschung und die internationale Zusammenarbeit. In diesem Rahmen propagieren die privaten Parteistiftungen die jeweiligen politischen Ideen, die von ihren jeweiligen Parteien vertreten werden. (Bundeszentrale für politische Bildung) – Wir veröffentlichen Auszüge von Publikationen der Stiftungen.

Friedrich-Ebert-Stiftung: Die neue Wir-Erzählung

Wie die Sozialdemokratie es schaffen kann, dem Populismus in Europa die Luft zu nehmen.

Noch nie hat unsere Partei die Meinung vertreten, … bei Deutschland als Teil eines vereinten Europas handele es sich lediglich um eine Wettbewerbsgemeinschaft. Wir haben nicht an die „Optimierung der Marktkräfte“ geglaubt, sondern an echten Interessenausgleich und ja, auch an Umverteilung. … Wir dürfen nicht zulassen, dass Politik nur dazu da ist, den Wettbewerb unter den Menschen national und global möglichst funktional zu gestalten. Diese Haltung verzeihen die Wählerinnen und Wähler den sozialdemokratischen Parteien nicht – wie man in vielen Teilen Europas schon jetzt sehen kann, dies wird zudem für eine weitere Entfremdung zwischen Populisten und demokratischen Institutionen sorgen. Die Aufgabe unserer sozialdemokratischen Generation ist es, Ökonomie und Solidarität klug zu verheiraten. „Niemand verliebt sich in einen Binnenmarkt“ (der französische Sozialist Jacques Delors zum Binnenmarkt in seiner frühen Form). Heute, mit antidemokratischen Populisten in den Parlamenten überall in Europa, wissen wir, dass er Recht hatte … Wettbewerb pur nährt Eliten- und Demokratiefeindlichkeit, Rassismus und Isolationismus (siehe Brexit) …

Die SPD muss auch in Zukunft eine politische Heimat für diejenigen sein, die sich einerseits anstrengen und andererseits Solidarität erwarten, wenn es mal nicht so gut läuft. Egal ob sie Mann, Frau, Angestellte, Arbeiter, Moslem oder katholisch sind. Unsere Wir-Erzählung sollte Weltoffenheit, persönliche Leistung und Solidarität miteinander verbinden. Wirtschaftspolitisch sollten wir … die Partei der hohen Löhne sein. Einen globalen Wettbewerb über niedrige Löhne in Deutschland und Europa darf es mit uns nicht geben.

https://www.fes.de/…/der-abschottungspolitik-etwas-entgegensetzen/ 14.02.19

Friedrich-Naumann-Stiftung: Warum ist der Populismus eine Gefahr?

Erstens dürfen wir niemals den wesentlichen Unterschied, … zwischen einer wahren Demokratie und einer populistischen Dominanz vergessen. Zu oft besteht die Tendenz, die Herrschaft der Mehrheit mit Demokratie zu verwechseln. … Eine echte Demokratie ist ein System, das ohne die Achtung der Rechtsstaatlichkeit und der Rechte von Minderheiten nicht existiert – ob politische, ethnische, religiöse oder sexuelle … Das System, in dem die Minderheit keine akzeptierte Rolle hat, macht den Weg bis hin zur Diktatur frei. Populistische Führer können die Macht durch Wahlen übernehmen, sie können sogar die Unterstützung ihres Volkes haben, aber ihr Mangel an Respekt für individuelle Rechte und Freiheiten ist inakzeptabel … Wenn die Rechtsstaatlichkeit nicht respektiert wird, ist es … eine Diktatur der Mehrheit. Das zweite Risiko besteht darin, dass jeder politische Führer populistisch werden kann, wenn der wahltaktische Kalkül über die Werte gestellt wird … Illiberale politische Bewegungen (tauschen) undemokratische Praktiken und „Know-how“ über nationale Grenzen hinweg aus, insbesondere dann, wenn Populisten durch Angriffe auf die Zivilgesellschaft, Einschränkungen der Medienfreiheit und die Verunglimpfung von Minderheiten an die Macht kommen … Inzwischen (hat sich) eine, „Internationale Illiberale“ gebildet, die über ein Netzwerk verfügt in dem Hass, Fremdenfeindlichkeit und Verschwörungstheorien verbreitet werden … Die nationalistisch-populistische Parteien wie die ungarische Fidesz und extrem rechte Bewegungen wie die Lega Nord in Italien und der französische Rassemblement national oder die AfD hier in Deutschland haben enge Verbindungen zu Putin. Aus Amerika werden durch die Alt-right-Bewegung rechtspopulistische Parteien in Europa unterstützt … Alle demokratischen Bewegungen müssen sich, trotz allen parteipolitischen und ideologischen Differenzen, zusammenschließen, um die populistischen Ideen zu bekämpfen, die eine echte Gefahr für unsere Demokratie darstellen und somit für die Grundrechte aller Bürger.

(A. Brasseur, Ministerin a.D. des Großherzogtums Luxemburg, sowie Mitglied des Kuratoriums der Friedrich-Naumann-Stiftung für die Freiheit. (20.3.2019 www.freiheit.org)

Hanns-Seidel-Stiftung: Populismus, Europa und politische Bildung

M. Ferber, zweiter Vorsitzender der Hanns-Seidel-Stiftung und Gastredner aus Brüssel berichtete von einem „sehr positiven Grundrauschen“, mit dem die Kampagne zur Europawahl startete. Ferber sieht die CSU gut aufgestellt für die kommenden Europawahlen. „Mit M. Weber haben wir einen hervorragenden gemeinsamen Spitzenkandidaten der CDU/CSU, der nach F.-J. Strauß und E. Stoiber der dritte Bayer wäre, der eine solche Spitzenposition ausfüllt. Unser Auftrag als Europäer sollte sein, an der Spitze der Gestalter zu stehen.“

Ferbers Plädoyer, „wir können nicht alles alleine“, setzte ganz klar auf die gemeinsame Stärke Europas in der Zusammenarbeit. Für M. Ferber haben wir Bayern auch eine ganz gute Übersetzung für Subsidiarität – „Leben und leben lassen“ in unserer europäischen Vielfalt, anstatt Einfalt. Im Sinne der Subsidiarität wäre für Ferber auch eine Europäische Arbeitslosenversicherung wichtig. Es seien die Mitgliedsstaaten verantwortlich, ehe die EU dafür Sorge tragen soll, dass alle Europäer Arbeit haben.

Wenn Ferber gefragt wird, wie man es mit Orban halte, zeichnet er stets das Bild einer Großfamilie auf „Wir haben alle ein gemeinsames christliches Erbe in Europa. Orban und somit Ungarn fallen zu lassen, würde zur Teilung und Spaltung Europas führen. Wir wollen ihn in der Familie behalten, im Interesse des europäischen Zusammenhalts.“

(www.hss.de M. Stadlbauer, 18.1.19)

Heinrich-Böll-Stiftung: Studie: Demokratiesicherung in der Europäischen Union

Die EU-Staaten sind rechtlich und institutionell so eng miteinander verflochten, dass sie nicht tolerieren können, wenn ein Mitglied seine demokratische Rechtsstaatlichkeit nachhaltig verletzt und sich in ein autoritäres System wandelt. Die Entwicklungen in Polen und Ungarn sind deshalb kein rein nationales Problem, über das die anderen EU-Staaten hinweg schauen könnten. Die EU – gemeint sind damit auch die Mitgliedstaaten – ist zum Handeln gezwungen, wenn der Schutz der demokratischen Opposition, die Freiheit der Meinung und der Medien, das Parteien- und Wahlrecht und die Unabhängigkeit der Justiz als Garanten eines fairen politischen Wettbewerbs auf dem Spiel stehen. Wie soll die EU auf Demokratieabbau in ihren Reihen reagieren? … Die bisherigen Maßnahmen seitens der EU und ihrer Mitgliedstaaten haben den Staatsumbau in Polen und Ungarn nicht verhindert. … Die wohl wichtigste Botschaft der Studie ist ihr Plädoyer für eine Kultur der Einmischung, für mehr politische Auseinandersetzung sowohl auf politisch-institutioneller als auch auf gesellschaftlicher Ebene. Insbesondere der Europäische Rat der Staats- und Regierungschefs sollte sich regelmäßig mit Fragen der Rechtsstaatlichkeit und Demokratie in den Mitgliedstaaten auseinandersetzen und sein Gewicht geltend machen. Dafür muss ein echter Kulturwandel im Rat stattfinden. … Dies würde auch die Autorität der Europäischen Kommission stärken, die ihr zur Verfügung stehenden rechtlichen Mittel konsequenter anzuwenden und gegen die jeweiligen Mitgliedstaaten vorzugehen. Die Reaktionen der polnischen und ungarischen Regierungen auf die Interventionen zeigen aber, dass rechtliche Verfahren allein nicht helfen, wenn rechtsautoritäre Bewegungen breite politische Unterstützung finden. Sie können jede EU-Intervention leicht als unzulässige Einmischung in ihre nationalen Angelegenheiten verurteilen. Daher ist es essenziell, auch die in ihren Rechten und Freiheiten bedrohte Zivilgesellschaft transnational zu unterstützen und so die Selbstheilungskräfte im Land zu stärken. Denn nachhaltig können rechtsstaatliche Fehlentwicklungen nur durch neue politische Mehrheiten behoben werden. …

www.boell.de Studie „Demokratiesicherung in der EU“ von Prof. C. Möllers und L. Schneider 20.2.18

Konrad-Adenauer-Stiftung Studie „Mit Haltung gegen Populismus“

Herausgestellt wird, was Strategien gemeinsam haben, mit denen Rechtspopulisten erfolgreich zurückgedrängt wurden.

„Einbinden oder Distanz halten.“ Binden Parteien die Rechtspopulisten ein, bedeutet das nicht automatisch eine Koalition oder Minderheitsregierung unter Tolerierung der Rechtspopulisten. Auch die Übernahme von Positionen sei eine „indirekte Form der Einbindung“. Auf Distanz halten heiße: „Abgrenzen, Stigmatisieren, Attackieren, Haltung zeigen.“ Frankreich, die Niederlande und Österreich werden in der Studie als Beispiele für einen erfolgreichen Umgang erwähnt. … In Österreich beispielsweise ist die FPÖ sogar Koalitionspartner. Dass die FPÖ aber nicht das Bundeskanzleramt errungen habe, sei ein Erfolg des österreichischen Kanzlers Kurz (ÖVP). Er habe die Frage der strikteren Einwanderungs- und Asylregeln seriöser behandelt als die FPÖ, „und vor allem: Er hat seine Meinung nicht erst im Wahlkampf kundgetan“. Das zeige Haltung. Diese finde man vor, wenn ein Politiker bei sensiblen Themen wie Europa- und Flüchtlingspolitik eine klare Linie fahre, seine Einstellung nicht ändere und diese offensiv gegenüber politischen Konkurrenten vertrete. … Dasselbe habe man bei Macron in Frankreich sehen können, der sich gegen den Front National durchgesetzt habe, und bei Premierminister Rutte in den Niederlanden, wo es gegen den Vorsitzenden der Partei für die Freiheit (PVV) Wilders ging.

Im Gegensatz dazu sei es nicht sinnvoll, „Positionen der Rechtspopulisten zu übernehmen oder sich ihnen anzunähern“. Auch wenn diese Strategie aktuell am häufigsten angewendet würde, legitimiere sie die Positionen der Rechtspopulisten nachträglich. „Das ‚Rennen‘ um die härteste Asyl-, Einwanderungs-, Abschiebungs- und Grenzschutzpolitik hat am Ende nur den Populisten genützt, nicht den Parteien, die versuchten, sie auf diesen Politikfeldern zu kopieren.“

https://www.kas.de Anna-Sophie Heinze Franziska Fislage Karsten Grabow 27.6.2018

Rosa-Luxemburg-Stiftung Europas Kampf um Menschen-rechte – Das Paradigma sozialer Gerechtigkeit

Mit dem UN-Sozialpakt und der Europäischen Sozialcharta erkennen Generalversammlung und Europarat an, dass die in der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte deklarierten Grundrechte nur in solchen Verhältnissen verwirklicht werden können, in denen Menschen frei von Furcht und Not leben.

Ein zentraler Fortschritt im internationalen Menschenrechtsdiskurs besteht in eben dieser Einsicht: dass bürgerliche und politische Rechte sowie wirtschaftliche, soziale und kulturelle Rechte einander bedingen. Die Geltung der liberalen Freiheitsrechte und der politischen Teilnahmerechte ist weitestgehend unstrittig. Demgegenüber besteht eine anhaltende Debatte über die sozialen Teilhaberechte. Gerade der politische Umgang mit diesen individuellen Anspruchsrechten entscheidet jedoch wesentlich über den Erfolg rechtspopulistischer Parteien.

Die wirksame Anwendung eines universellen Menschenrechtsschutzes globaler sozialer Rechte – wie das Recht auf Arbeit, Gesundheit und Wohnen – ist nur in Staaten erfüllbar, in denen soziale Gerechtigkeit konstitutiv ist. Für die Europäische Union bedeutet das: Über Frieden und Demokratie hinaus können Menschenrechte nur gewahrt werden, wenn eine gemeinsame europäische Sozialpolitik viel stärker in den Mittelpunkt rückt. Menschenrechte haben hauptsächlich deklaratorischen Charakter. Die Realisierung dieser Rechte obliegt den politischen Akteuren. Eine wohlverstandene europäische Integration muss demnach grundlegend auf europäischer Solidarität basieren, die sich an sozialer Gerechtigkeit orientiert.

de.Rosalux.eu Alexandra Spaeth, 19.12.2018

Abb. (PDF): Logos und Faksimiles von Publikationen

Redaktionsnotizen • Zusammenfassung: Rosemarie Steffens, Langen, Hessen

01

Suspendiert. Die Europäische Volkspartei (EVP) hat die Mitgliedschaft der ungarischen Partei Fidesz suspendiert. Victor Orbàns antisemitische Kampagnen gegen George Soros und seine Universität in Budapest, die Hetze gegen EVP-Kommissionspräsident Juncker und die EU, die Korruption, die Aushöhlung des Rechtsstaats – all dies könnte gemäßigte EVP-Wähler*innen bei der Europawahl abschrecken. Davor haben die deutschen EVP-Parteien CDU und CSU Angst. Sie stellen mit Manfred Weber den Spitzenkandidaten der EVP zur Europawahl. Die luxemburgische Partei Junckers hält Orbàn für einen „korrupten Regierungschef …, der rechtsstaatliche Grundsätze mit Füßen tritt“. Sie wollte die Fidesz aus der EVP rausschmeißen. Doch Weber, Söder und Kramp-Karrenbauer wissen: Sie werden die Fidesz-Stimmen im Rat und im EU-Parlament nach derEuropawahl noch brauchen. „EVP-Werte“ hin oder her. Thilo Janssen, 2.4.2019

02

Österreichs Regierung prüft Auflösung der „Identitären“. Nach einer Spende des mutmaßlichen Attentäters von Christchurch an die österreichische „Identitäre Bewegung“ prüft die Regierung deren Auflösung. Die „Identitären“ wenden sich unter anderem gegen „unkontrollierte Massenzuwanderung“. NZZ, 28.3.19

03

Keine SS-Renten in Europa! Ende Februar 19 verabschiedete das belgische Parlament eine Entschließung zu den Rentenzahlungen aus Deutschland an ehemalige Kollaborateure, Angehörige der deutschen Wehrmacht und der SS-Verbände, die für ihre Beteiligung am Okkupationsregime von der deutschen Seite mit Beträgen zwischen 400 € und über 1250 € alimentiert werden. Belgische Politiker forderten, diese „völlig unannehmbare Situation“ zu beenden und das Problem „auf diplomatischem Weg“ zu lösen. Im Juni 2018 fragte Ulla Jelpke (Die Linke) im Bundestag, wie die Bundesregierung auf die „Problematik von deutschen Rentenleistungen für ehemalige belgische Waffen-SS-Freiwillige und andere, in Belgien teilweise als Militärkollaborateure verurteilte Personen“ reagieren wolle. Damals lagen der Bundesregierung „keine Erkenntnisse“ vor. Während die ehemaligen Zwangsarbeiter immer wieder vertröstet wurden, bezogen allein in Lettland Mitte der 90er Jahre rund 1500 ehemalige Waffen-SS-Angehörige auch deutsche Versorgungsrenten. Diese Gelder wurden gezahlt, obwohl bekannt ist, dass sich die SS-Verbände bei der Verfolgung von jüdischen Menschen und Partisanen mit besonderer Brutalität hervortaten.

Aus dem: FIR-Rundschreiben 2019-4