Aus Politische Berichte Nr. 6/2019, S.24a • InhaltsverzeichnisPDFPB-Archiv

„Bekenntnisnation“ und Pläne zur Aberkennung der Staatsangehörigkeit*

Martin Fochler, München. Am 6. Juni löste sich der Ministerpräsident des Saarlandes, Tobias Hans (CDU), in einem FAZ-Beitrag von der klaren Definition der deutschen Staatsangehörigkeit. „Deutsch“, so der Titel seinen 10.000-Zeichen-Beitrags, „– eine Frage des Bekenntnisses“. Hans möchte im CDU-Programm „Kulturnation“ durch „Bekenntnisnation“ ersetzt wissen. „Dies wäre eine Nation, die alle einschließt, die sich zu ihr bekennen – gleich welcher Herkunft, welcher Hautfarbe und welcher Religion …“ Seine Hoffnung: „Eine Nation, zu der die Menschen in ungeteilter Loyalität stehen …“ T. Hans sucht eine Abgrenzung des Konservatismus vom völkisch-rassistischen Nationalismus. Die „Bekenntnisnation“ würde sich im Unterschied zur NS-Ideologie nicht vornehmlich aus Abstammung und Traditionen ergeben. Zentraler Wert in diesem Gebilde wäre die mit doppelter Staatsangehörigkeit nicht vereinbare, eindeutige, ungeteilte Loyalität: „… das Bekenntnis im Begriff der Bekenntnisnation ist nicht teilbar. Die Loyalität muss eindeutig sein.“ Im Grundgesetz der BRD kommt der Ausdruck „Loyalität“ nicht vor, wohl aber das „Bekenntnis“:

„Art 33: „(3) Der Genuß bürgerlicher und staatsbürgerlicher Rechte, die Zulassung zu öffentlichen Ämtern sowie die im öffentlichen Dienste erworbenen Rechte sind unabhängig von dem religiösen Bekenntnis. Niemandem darf aus seiner Zugehörigkeit oder Nichtzugehörigkeit zu einem Bekenntnisse oder einer Weltanschauung ein Nachteil erwachsen.“

In der Verfassungsordnung der BRD wird zwischen Weltanschauungen oder Bekenntnissen und Staatsangehörigkeit unterschieden. Die durchsetzbaren Rechte und Pflichten der Staatsangehörigen im Staat und auch im Verhältnis der Einzelnen zueinander sind ausschließlich durch Gesetze geregelt bzw. zu regeln.

Nur so bleibt den Einzelnen wie auch Verbänden und Parteien Raum, geltende Gesetze und tatsächliche Handlungen des Staates gerade nicht loyal zu hinzunehmen, sondern kritisch zu hinterfragen und gegebenenfalls Gesetze zu ändern und politische Mächtige rechtlich anzufechten oder abzuwählen.

Bei dem Vorstoß des saarländischen Ministerpräsidenten handelt es sich nicht bloß um einen in die Runde geworfenen Einfall. Politisch-praktisch handelt es sich um eine Polemik gegen den Bestand doppelter Staatsangehörigkeit. Er steht im Zusammenhang einer aktuellen Gesetzes-Initiative aus dem Hause Seehofer.** Danach soll denen die deutsche Staatsangehörigkeit entzogen werden, die a) bezichtigt werden, „im Ausland in einer Terrormiliz“ mitgewirkt zu haben und b) noch eine andere Staatsbürgerschaft besitzen. (Der Entzug der Staatsangehörigkeit, der zu Verstoßung in die Staatenlosigkeit führt, war ein Mittel des Naziterrors und wurde im Grundgesetz verboten.)

Anlass ist die Pflicht der BRD zur Rücknahme im Mittleren Osten festgesetzter IS-Kämpfer deutscher Staatsangehörigkeit. Da es rückwirkende Gesetze dann doch noch nicht gibt, ist die praktische Folge bloß eine Verunsicherung derjenigen Mitbürger, die neben der deutschen auch noch eine weitere Staatsangehörigkeit besitzen, die Legitimierung des Staates, Loyalität zu fordern.

* www.faz.net/aktuell/politik/inland/gastbeitrag-von-tobias-hans-die-bekenntnisnation-16223200-p2.html?printPagedArticle=true#atc-ImageDescription

** www.bundesrat.de/SharedDocs/drucksachen/2019/0101-0200/154-19.pdf?__blob=publicationFile&v=1