PB
PDF

PB
ARCHIV

Nr.7/2019, S.07

Durch die Ozeane zur Macht

01 Erläutert: COSCO:

02 Glossar: Begriffe der tangierten Projekte und Akteure

Eva Detscher, Karlsruhe

Die Zeitschrift „WATERKANT, Umwelt + Mensch + Arbeit in der Nordseeregion“ veröffentlicht in der aktuellen Ausgabe einen Beitrag von Paola Giaculli, der hier vorgestellt und empfohlen wird.

Chinas „Maritime Seidenstraße“ und das Ringen um globale Vorherrschaft

Seidenstraße – der historische Begriff ruft Assoziationen verschiedenster Art hervor, er verbindet sich mit einem großen chinesischen Einflussbereich und mächtigen Dynastien. Die Neue Seidenstraße, das Projekt der chinesischen Staatsführung im Verbund mit diversen chinesischen Akteuren weckt unterschiedliche Emotionen: China als aufstrebender Global Player sieht sich mit der Wirklichkeit wettbewerblicher Auseinandersetzung konfrontiert. Dabei spielt die Unkenntnis darüber, was tatsächlich passiert, die größte Rolle in der zum Teil sehr protektionistisch und auch dem Blockdenken verhafteten Auseinandersetzung. Der Artikel von Paola Giaculli gibt viele Hinweise für ein besseres Verständnis, auf welche Weise China die Handelswege für die eigenen wirtschaftlichen Interessen optimieren will und wie die Partner auf den Stationen dieser Handelswege die eigenen Interessen wahren oder eben auch nicht.

„Maritime Seewege sind nicht einfach nur Handelsrouten für interkontinentalen Warenaustausch – sie bilden auch ein zentrales Element der globalen Strategie der „Neuen Seidenstraße“, durch die China zu einer großen Wirtschaftsmacht gewachsen ist und rapide weiter wächst. Geopolitische Ziele spielen dabei eine Hauptrolle. Damit sollte Europa sich auseinandersetzen.“ „Durch die Hafenstädte Genua und Triest soll das Mittelmeer ein besonders wichtiges Bindeglied der BRI (siehe Glossar) werden. Zwar ist China in Europa schon systematisch präsent sowohl mit Investitionen – nicht zuletzt in Deutschland – und bilateralem Handel als auch mit Bündnissen wie dem „16+1“-Gipfel, der elf östliche EU-Mitglieds- und fünf Balkanstaaten einschließt.“… Italien als Brückenkopf hat besondere Bedeutung: „Ende März dieses Jahres wurde der chinesische Präsident Ji Xinping vom italienischen Staatspräsidenten Sergio Mattarella pompös empfangen. Es folgten die Unterzeichnung eines „Memorandum of Understanding“ (MoU) und der Abschluss von 29 Abkommen zwischen der Volksrepublik China und der Republik Italien im Wert von sieben Milliarden Euro.“ Triest soll die Schlüsselstadt der Neuen Seidenstraße werden, auch weil für Industrien in Österreich, Polen, Ungarn oder Rumänien die Wege zum Mittelmeer nicht sehr weit sind. (Das Mittelmeer hat für den Umschlag an Waren in den letzten Jahren drastische Steigerung erfahren, für den chinesischen Schifffahrtskonzern COSCO von großem Interesse. „Der Containerumschlag allein in den 30 wichtigsten Häfen beläuft sich aktuell auf mehr als 50 Millionen TEU, im Jahre 1995 waren es noch neun Millionen.) Verträge mit entsprechenden Staatsbahnen, über Ausbau von Schienenstrecken, Anteile an Hafenfläche usw. geschlossen. Für die Regierungen der EU-Staaten im Osten ergeben sich Aussichten für eine Stärkung der eigenen Wirtschaftskraft. „Außerdem könne das Abkommen mit China laut Vincenzo Petrone, Generaldirektor der Fondazione (Stiftung) Italia-Cina, angesichts der Zollpolitik des US-Präsidenten Donald Trump als Chance für den Triester Hafen gesehen werden. … Güter im Wert von 165 Milliarden Dollar (könnten) … umgeleitet werden, um die Zölle zu umgehen.“ Wirtschaftlich gute Aussichten für eine Hafenstadt!

„Nach Italien hat sich auch EU-Gründungsmitglied Luxemburg an die Neue Seidenstraße angeschlossen“, auch Frankreich (unter anderem der Kauf von 300 AirbusJets für 30 Milliarden Euro und eine Rahmenvereinbarung zwischen der französischen Reederei CMA CGM und CSSC mit Bauverträgen für zehn Containerschiffe (rund 1,2 Milliarden Euro). China verhandelt mit einzelnen Staaten, zu einer gemeinsamen Strategie der EU ist es bislang nicht gekommen – angesichts des strategisch durchdachten Plans der chinesischen Regierung zumindest beachtenswert. Giaculli: „Die EU mit ihren Mitgliedsstaaten zeigt sich zerstritten und unfähig, die politisch selbst verursachten akuten sozialen Probleme sowie Klima- und Umweltschäden ernst zu nehmen und anzupacken. Sie ist nicht fähig, autonom und strategisch zu handeln, zwischen den USA und China zu vermitteln und gleichzeitig ein eigenes alternatives, soziales und nachhaltiges Modell zu entwickeln.“

Neben dem Abschnitt der Neuen Seidenstraße im europäischen Hafen- und Meeresgebiet weist Giaculli auf andere für die Neue Seidenstraße wichtige Routen und Knoten hin: u.a. Dschibuti, der Golf von Aden, der Golf von Oman und besonders der von China gebaute Tiefwasserhafen im südwestpakistanischen Gwadar. Myanmar, Malediven, Sri Lanka, Thailand, Laos – etliche Projekte liegen auf diesem Weg. Umstritten, oder vielleicht besser ausgedrückt, verleumdet ist Chinas Schuldenpolitik – angebliche völlige Übernahme von Infrastrukturen durch China in Afrika, als Fake News abgetane Schuldenreduzierungen durch China. Der Ton wird schärfer.

„Fazit: Das Zentrum der Welt hat sich verschoben. Die Volksrepublik China ist trotz aller Widersprüche wieder eine maritime Macht geworden, die ihre globale Strategie an die eigene Tradition knüpft. Sie ist auf dem Weg, die Vorherrschaft der USA in Frage zu stellen.“

WATERKANT: Seit 1986 herausgegeben vom Förderkreis WATERKANT e.V., ISSN 1611-1583; http://www.waterkant.info. Paola Giaculli ist Referentin für Europa-Koordination in der Linksfraktion im Bundestag. Alle Zitate aus dem vorgestellten Artikel. Pdf-Datei des Artikels von P. Giaculli über Redaktion der Politischen Berichte erhältlich.

01

Erläutert:

COSCO: „Der staatliche chinesische Schifffahrtskonzern COSCO (China Ocean Shipping Company) ist in den vergangenen zehn Jahren auf den dritten Platz unter den großen Container-Reedereien der Welt aufgestiegen. Für COSCO ist das Mittelmeer ein ‚Gebiet besonderen Interesses‘. Am Suezkanal kaufte das Unternehmen 20 Prozent des Terminals in Port Said. In der Türkei besitzt COSCO in einem Joint-Venture mit zwei anderen Unternehmen aus China 65 Prozent des Kumport-Terminals am Hafen von Ambarli, 35 Kilometer vom Bosporus entfernt. Auch an den Häfen von Valencia und Bilbao ist COSCO mit jeweils 51 Prozent beteiligt. Im Hafen des griechischen Piräus, ‚Chinas Tor nach Europa‘, ist COSCO mit 51 Prozent Mehrheitsaktionär der Hafengesellschaft PPA geworden.“

Abb. (PDF): Tabelle: Glossar: Begriffe der tangierten Projekte und Akteure

02

Glossar: Begriffe der tangierten Projekte und Akteure

MoU Memorandum of Understanding

BRI Belt and Road Initiative („Neue Seidenstraße“)

COSCO China Ocean Shipping Company (staatlicher chinesischer Schifffahrtskonzern)

SIPG Shanghai International Port Group

Northern Range Sammelbegriff für Häfen in Nordwesteuropa

TEU Twenty Foot Equivalent Unit (Maßeinheit für Container: 6,058 Meter lang, 2,438 Meter breit, Höhe 2,591 oder 2,438 Meter)

CSSC China State Shipbuilding Corporation

CCCC China Communication Construction Company (Mischkonzern)

CPEC China-Pakistan-Korridor