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ARCHIV

Nr.7/2019, S.10

Berlin – Vorreiter gegen „Mietenwahnsinn“?

01 FAQ zum Mietendeckel:

02 dok Senat beschließt Eckpunkte für ein Berliner Mietengesetz/Mietendeckel

03 dok Rebellische Stadtpolitik: in Berlin und in einem europäischen Netzwerk der Metropolen, Beschluss Landesparteitag Die Linke Berlin, Mai 2019

Harald Gindra, MdA Berlin, Text u. Fotos

Eine leistbare Mietwohnung zu bekommen, ist in vielen deutschen Großstädten zum Problem geworden. In Berlin trifft ein entfesselter Immobilienmarkt (angetrieben von Anlageentscheidungen) auf einen andauernd hohen Zuzug (zwischen 30 bis 50 000 Menschen pro Jahr) und einer ansässigen Bevölkerung mit unterdurchschnittlichem Haushaltseinkommen (viele davon im Transferleistungsbezug). Verkäufe von Wohnimmobilien erreichen spekulative Höchstwerte (30- bis 40-fache der Jahresmieteinnahmen) – Refinanzierung geht dann nur mit Aufwertung, Verdrängung und Mietsteigerung.

Bei Neuvermietungen wird der Wohnungsmangel genutzt, um horrende Mietsteigerungen zu realisieren – Quadratmeterpreise von über 10 Euro pro Quadratmeter sind üblich geworden. Mietbelastungen von 40 bis 50 % treffen die ärmeren Haushalte. Daraus entwickelte sich schon vor der Berlin-Wahl 2016 ein breites Netz von Mieterinitiativen, stetig anwachsend, jetzt zehntausende Menschen umfassend. So kamen im April zur Demonstration gegen „Mietenwahnsinn“ rund 40 000 Teilnehmer. Insbesondere in den innerstädtischen Stadtteilen gibt es einen permanenten Kleinkrieg von Hausgemeinschaften bei Mieterhöhungen, Hausverkäufen, überzogenen Modernisierungsankündigungen und bei Umwandlung zu Eigentumswohnungen.

Strategien der renditegetriebenen Vermieter, wie Deutsche Wohnen (rund 110 000), Vonovia (rund 40 000 Wohnungen) u.a., kamen besonders in den Fokus: Mieterhöhungen über Mietspiegel (mit Klagen gegen dessen Gültigkeit), Vernachlässigung von ehemaligen Sozialbauten bis mit Großsanierungen und überzogenen Modernisierungen durch Umlage Mieter geschröpft werden.

Eine erste Volksinitiative „Mieten-Volksentscheid“ hatte 2015 bereits zu Zusagen für eine Neuausrichtung auf soziale Wohnraumversorgung bei den sechs städtischen Wohnungsgesellschaften geführt – seitdem gibt es für sie Vorgaben mit geringeren Erhöhungsspielräumen, zu Modernisierung und zur Forcierung ihres Neubaus mit Belegungsbindung (mind. 50% zu 6,50 €/qm).

Die Koalition aus SPD, Die Linke und GRÜNE, die sich 2017 bilden konnte, hatte einen deutlichen Auftrag bekommen leistbares Wohnen zu sichern. Der anhaltende Druck zeigte sich mit der Volksinitiative „Deutsche Wohnen & Co. enteignen“ (nach dem noch nie angewendeten Artikel 15 GG). In der ersten Stufe kamen schnell 77 000 (58 000 anerkannt) Unterschriften zusammen.

Juristische Hinweise (mittlerweile auch Gutachten), dass ein Berliner Mietendeckel seit der Föderalismusreform (Zuständigkeit der Länder für das Wohnungswesen) möglich wäre, wurde von der Koalition aufgegriffen und sollen noch in diesem Jahr ins Gesetzgebungsverfahren. Die genaue Ausgestaltung ist noch in der Debatte und heftiger Kritik aus der Wohnungswirtschaft ausgesetzt.

Abb. (PDF): Vier Fotos von Demonstrationen

01

FAQ zum Mietendeckel: https://www.linksfraktion.berlin/themen/th/mieten-und-wohnen/mietendeckel/

Konzept des Mietervereins: https://www.berliner-mieterverein.de/presse/pressearchiv/vorschlag-des-berliner-mietervereins-fuer-einen-landes-mietendeckel-berlin.htm

02

dok Senat beschließt Eckpunkte für ein Berliner Mietengesetz/Mietendeckel

Der Senat hat in seiner heutigen Sitzung (18.06.2019) auf Vorlage von Katrin Lompscher, Senatorin für Stadtentwicklung und Wohnen, Eckpunkte für ein Berliner Mietengesetz/Mietendeckel beschlossen …. Der Inhalt der Eckpunkte im Einzelnen:

• Die öffentlich-rechtliche Begrenzung der Mieten erfolgt durch ein Landesgesetz, welches Anfang 2020 in Kraft treten soll.

• Die Regelungen sollen grundsätzlich mit dem Zeitpunkt der heutigen Beschlussfassung der Eckpunkte durch den Senat greifen, um zu verhindern, dass die Mieten noch kurzfristig erhöht werden.

• Die Regelungen zur Miethöhe sollen auf fünf Jahre befristet werden.

• Das Berliner Mietengesetz soll für alle nicht preisgebundenen rund 1,5 Millionen Mietwohnungen in Mehrfamilienhäusern gelten. Bereits mietpreisgebundene Wohnungen sollen ausgenommen werden.

• Für alle bestehenden Mietverhältnisse soll künftig ein gesetzlich festgelegter Mietenstopp gelten. Es werden Mietobergrenzen festgelegt, auf die bereits sehr hohe Mieten auf Antrag abgesenkt werden können.

• Bei Vermietung von Wohnungen darf höchstens die zuletzt vereinbarte Miete aus dem vorherigen Mietverhältnis vertraglich vereinbart werden, sofern diese die jeweils festgelegte Mietobergrenze nicht übersteigt

• Wohnungsneubau wird vom Gesetz gänzlich ausgenommen.

• Für Modernisierungsumlagen werden besondere Genehmigungs- und Anzeigepflichten für Vermieterinnen und Vermieter eingeführt. Modernisierungsumlagen, durch die die Bruttowarmmiete um mehr als 0,50 Euro je Quadratmeter monatlich steigt, werden genehmigungspflichtig.

• Wirtschaftliche Härtefälle der Vermieterinnen und Vermieter sind auf Antrag zu genehmigen, wenn eine wirtschaftliche Unterdeckung nachgewiesen wird. Es können dann im Einzelfall abweichend Mieterhöhungen und höhere Mietvereinbarungen genehmigt werden. Den davon betroffenen Mieterinnen und Mietern wird, sofern sie WBS-berechtigt sind, ein finanzieller Ausgleich in Höhe der Differenz zwischen genehmigter Miete und der Mietobergrenze gewährt.

• Verstöße gegen die Anforderungen des Berliner Mietengesetzes sollen als Ordnungswidrigkeit und mit Geldbuße geahndet werden können.

http://www.stadtentwicklung.berlin.de/aktuell/pressebox/archiv_volltext.shtml?arch_1906/nachricht6755.html

03

dok Rebellische Stadtpolitik: in Berlin und in einem europäischen Netzwerk der Metropolen, Beschluss Landesparteitag Die Linke Berlin, Mai 2019

… Wir sagen der Mietpreisspirale den Kampf an. Dabei darf sich die Politik nicht nur auf ein bestimmtes Instrument beschränken. Nur mit einem Mix aus verschiedenen Maßnahmen können wir den Mietenwahnsinn wirksam bekämpfen:

• Wir stehen für eine Bodenpolitik, die den Verkauf öffentlicher Grundstücke ausschließt und zusätzlich Grund und Boden in öffentliche Hand zurückholt. Dies ist die Voraussetzung für preisgünstigen Wohnungsneubau in öffentlicher und gemeinwohlorientierter Hand.

• Wir treiben den Wohnungsneubau weiter voran. Der Fokus muss dabei eindeutig auf öffentlichen Wohnungen zu bezahlbaren Mieten liegen. Es kommt auf die Qualität des Neubaus an, hochpreisige Wohnungen nur um des Neubaus willen gehen an den Bedürfnissen der Berliner*innen vorbei.

• Wir wollen den Wohnraum unter öffentlicher Kontrolle deutlich ausweiten. Wir entziehen Wohnungen durch Ankauf dem privaten Markt und weiten Milieuschutzgebiete aus. Allerdings sind wir nicht bereit, dafür Mondpreise zu zahlen und die privaten Spekulationsgewinne und Wetten auf steigende Preise mit öffentlichen Geldern zu finanzieren.

• Wir setzen, dort wo es möglich und vertretbar ist, auch auf die Möglichkeit von Nachverdichtung in den Kiezen. Diese muss unter Beteiligung der Anwohner*innen geschehen und die Lebensqualität vor Ort erhalten.

• Wir wollen den Mietendeckel für Berlin so schnell als möglich umsetzen. Die genaue Ausgestaltung dieses neuen Instruments wird im Senat gemeinsam erfolgen. Der Mietendeckel muss langfristig wirksam sein und auch Bestandsmieter*innen helfen.

• Die Linke. Berlin unterstützt darüber hinaus das Volksbegehren »Deutsche Wohnen & Co. enteignen«. Die Vergesellschaftung von Wohnungsbeständen ist einer von vielen Bausteinen einer linken Wohnungs- und Mietenpolitik. Uns ist bewusst, dass ein möglicher erfolgreicher Volksentscheid nur ein Zwischenschritt auf dem Weg hin zu einer rechtssicheren Vergesellschaftung der großen Wohnungsbestände ist. Eine Umsetzung wird nur gelingen, wenn alle politischen Akteure wie Senat, Fraktionen, Parteien und stadtpolitische Initiativen ihre gesammelte Expertise einbringen.

https://dielinke.berlin/partei/parteitag/beschluesse/det/news/rebellische-stadtpolitik-in-berlin-und-in-einem-europaeischen-netzwerk-der-metropolen/