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Nr.10/2019, S.05

Jede Menge Zonen: Wie der Kreuzzug der polnischen Rechten gegen die LGBT-Community fehlschlug

Stanislaw Kus, Warschau

Polens erzkonservative Regierungspartei PiS befeuert regelmäßig Bigotterie. Slogans über von Keimen geplagte Flüchtlinge oder die Jugend demoralisierende Lehrer sprudeln permanent aus den Mündern der Parteikader, mobilisieren die Basis der PiS und kreieren einen ganzen Karneval von Feinden. Dies funktioniert in der Regel ganz gut. Da die parlamentarische Opposition aus unfähigen sozial konservativen Neoliberalen besteht, breitet sich Hass schürende Politik der PiS unangefochten aus. Vor diesem Hintergrund könnten die vergangenen Monate den Beginn eines entscheidenden Wandels in der polnischen Politik bedeuten. Zum ersten Mal seit Beginn der „Black Protest“ Bewegung (einer breiten Bewegung gegen die wirksame Kriminalisierung von Abtreibungen im Jahr 2016) wurde der Rhetorik der Partei erfolgreich begegnet.

Die Parteispitzen der PiS sind niemals von ihrer Linie der Homophobie abgewichen, und bis zum Mai dieses Jahres war sie zentral in ihren politischen Reden. Dann wurde ein hochkarätiger Dokumentarfilm der Sekielski-Brüder veröffentlicht. Im Mittelpunkt des Films Tylko Nie Mów Nikomu (Sag es niemandem) entlarvt er eine Reihe Prominenter innerhalb der polnischen katholischen Kirche. Die PiS, die für ihre engen Beziehungen zu den reaktionärsten Elementen der Kirche bekannt ist, startete eine Reihe von Angriffen gegen LGTB-Personen, bei denen Homosexualität mit Pädophilie gleichgesetzt wurde, um die Schuld von den Verbündeten der Partei abzuwenden. Um diese Zeit begann ein Zitat des Parteivorsitzenden Jarosław Kaczyński in Umlauf zu kommen, das als kurzlebiger Slogan dienen sollte. „Hände weg von unseren Kindern“, riefen die Verteidiger der Pädophilen. Die Neoliberalen im Parlament haben es in dieser Auseinandersetzung wie üblich nicht geschafft, über leere Appelle an die Zivilgesellschaft hinauszugehen.

Die Dinge spitzten sich dann am 20. Juni zu, als am Ende einer ungewöhnlich großen Welle von Pride-Märschen der LGTB-Bewegung im ganzen Land, mindestens teilweise motiviert durch die explosive Rhetorik von Kaczyński und Co., ein Marsch in Białystok von neofaschistischen Gruppen angegriffen wurde. Wieder versuchte die PiS die Schuld auf die marginalisierten Gruppen zu lenken und verbreitete Gerüchte über Provokateure. In der darauffolgenden Woche verbreitete die Gazeta Polska, eine an der PiS orientierte Zeitung, eine Ausgabe, die Aufkleber mit der Aufschrift „streffa wolna od LGTB“ (LGTB-frei Zone) enthielt. Die folgende Empörung der liberalen Öffentlichkeit und die Berichterstattung in den Medien führte dazu, dass ein Warschauer Gericht die Auslieferung der Ausgabe untersagte – obwohl die in dem Zusammenhang erzeugte öffentliche Aufmerksamkeit zu einer vorübergehenden Auflagensteigerung der Gazeta Polska und anderer vergleichbarer Lumpenblätter beitrug. Die liberale Gazeta Wyborcza brachte daraufhin einen Aufkleber mit der Aufschrift „strefa wolna od nienawiści“ (Hass-freie Zone) heraus, während die Leute die sich insgesamt von dem Konzept der „Zonierung“ abgrenzten, schließlich „streffa wolna od streff“ (Zonen-freie Zone) herausbrachten. Die parlamentarische Opposition schwankte in diesem Prozess und verlor in den Meinungsumfragen an Zustimmung.

Die Situation, so traurig und verwirrend sie auch sein mag, ermöglichte eine unerwartete Öffnung der polnischen politischen Szene, führte zu einer zwar fragilen, aber neuen Koalition von Parteien (Razem, Wiosna, SLD, bekannt als Lewica) aus dem linken und mittleren Spektrum. Es ist der Versuch, ins Parlament zurückzukehren, und es stellte sich in dem Konflikt heraus, dass es die einzige Gruppierung war, die sich nicht auf höfliche Floskeln beschränkte, sondern bereit war, die LGTB-Gemeinschaft unmissverständlich zu unterstützen, während die PiS, ihre neofaschistischen Lakaien und die Kirche verurteilt wurden. Wäre nicht das „Zonen“-Debakel eingetreten, hätte die aufstrebende Linke wahrscheinlich keine gemeinsame Sprache finden und sich nicht um ein zentrales Thema gruppieren können. Während die parlamentarische Opposition verliert, ohne in der Lage zu sein, zusammenhängende Gedanken zu formulieren, entsteht gerade eine neue Linke, die die PiS sowohl in Bezug auf ihre Ansätze bezüglich sozialer Fragen, als auch in Bezug auf ihre Form des Wirtschaftens herauszufordern in der Lage ist. Zwar dürfte die PiS die bevorstehenden Parlamentswahlen gewinnen, sie wird aber in der nächsten Legislaturperiode nicht mehr ideologisch und rhetorisch unangefochten dastehen.

Übersetzung aus dem Englischen und redaktionelle Bearbeitung: Rolf Gehring