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ARCHIV

Nr.10/2019, S.17

Die Shipbreaking Platform

Rolf Gehring, Brüssel

01 dok:„Shipbreaking Platform“, September 2019

02 Tödliche Gefahren

Die Shipbreaking Platform ist eine 2005 gegründete Koalition von Umwelt-, Menschen- und Arbeitsrechtsorganisationen. Sie entwickelte sich schnell von einer europäischen Plattform zu einer globalen NGO, mit Aktivitäten in Indien und Bangladesch, den Hauptaktzielländern der Schiffsverschrottung. Sie wird mittlerweile von den Vereinten Nationen und der Europäischen Union als kompetente NGO in dem Bereich anerkannt.

Die hier in weiten Teilen dokumentierte Pressemitteilung zeigt neben der Bekanntmachung der dramatischen tödlichen Arbeitsunfälle, die den katastrophalen Arbeitsbedingungen geschuldet sind, auch die Möglichkeiten und die Erfolge der Arbeit, die sich in Konventionen, dem europäischen Recht in Sachen Verschrottung von Schiffen und vor allem in der Kooperation von Betroffenen in den verschrottenden Ländern und Aktiven in andern Teilen der Welt entwickelt hat.

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dok: „Shipbreaking Platform“, 10. September 2019

Nach Medienberichten starben kürzlich zwei Arbeiter am Schiffbruchstrand von Alang, Indien. Die Unfälle ereigneten sich auf bekannten Schrottplätzen, die in die EU-Liste der zugelassenen Schiffsrecyclinganlagen aufgenommen wurden. Am 29. Juli starb der 50-jährige Subsha Vishwakarma im Priya Blue Yard-Plot V1. Er arbeitete an einem Schiff, als ihm eine Metallplatte auf den Kopf fiel. Am 3. September verlor ein Arbeiter bei einer Explosion während der Zerspanungsarbeiten sein Leben. Kollegen, die Zeuge des tragischen Ereignisses wurden, waren nicht bereit, Informationen an Journalisten weiterzugeben. Der Unfall wird von der Polizei untersucht.

Im letzten Jahr haben mindestens 14 Arbeiter ihr Leben in den Werften der indischen Alang verloren. Die genaue Anzahl der Todesfälle ist nicht bekannt, da die lokalen Behörden keine Informationen weitergeben – darüber hinaus werden schwere Verletzungen selten registriert und Berufskrankheiten wie Krebs, Atemwegserkrankungen und Hauterkrankungen überhaupt nicht dokumentiert.

Sowohl Priya Blue als auch Shree Ram gehörten zu den ersten Werften, die von der japanischen ClassNK sogenannte „Statements of Compliance to the Hong Kong Convention“ erhielten. Sie wurden kürzlich von der Europäischen Kommission daraufhin überprüft, ob sie den Anforderungen der EU-Schiffsrecyclingverordnung entsprechen. Anfang des Jahres wurden Inspektionsberichte veröffentlicht, in denen eine Reihe von Mängeln im Zusammenhang mit den Zerlegungsvorgängen in der Gezeitenzone, der nachgelagerten Abfallentsorgung, den medizinischen Einrichtungen und dem Arbeitsrecht hervorgehoben wurden. Infolgedessen wurden die Werften trotz erheblichen Drucks seitens der Industrie nicht in die EU-Liste der zugelassenen Schiffsrecyclinganlagen aufgenommen.

Die negativen Umweltauswirkungen der Abwrackaktivitäten in Alang werden nun auch in Indien untersucht. Im August leiteten die indischen Gerichte eine Umweltprüfung der Schiffabbruchaktivitäten in Alang ein, mit einem besonderen Schwerpunkt auf die Auswirkungen der Strandungsmethode. …

In den größten Schifffahrtsländern, einschließlich der EU, wäre es niemals erlaubt, eine schwere und gefährliche Industrie im Watt zu betreiben. Die zahlreichen Risiken, die mit der Zerlegung großer Schiffe verbunden sind, müssen an Standorten bewältigt werden, an denen schwere Hebekräne sicher eingesetzt werden können, Schadstoffe aufgefangen und gefährliche Stoffe gemäß den internationalen Abfallgesetzen entsorgt werden können. Die Strandplätze in Alang verfehlen diese Kriterien in jeder Hinsicht.

Quelle: https://www.shipbreakingplatform.org/fatal-accidents-at-indian-yards-under-eu-scrutiny/, Abb. ebd., Priya Blue yard in Alang, India – © Go Green Go India, 2018, Übersetzung: Rolf Gehring

Abb. (PDF): Priya Blue yard in Alang, India

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Tödliche Gefahren

Asbest: Die tödliche Faser wurde und wird (in Teilen der Welt) insbesondere in Maschinenräumen und umfänglich zur Wärmeisolierung verwendet, beim Zerlegen der Schiffe freigesetzt. Geplante Entsorgung findet kaum statt, es landet auf (offenen) Mülldeponien, kontaminiert Umgebung und umliegende Gemeinden. Teils werden die Platten zum Hausbau genutzt, es gibt ebenfalls einen regen Handel mit Asbestplatten aus Altschiffen.

Mineralöl: Exposition findet über eingeatmete Dämpfe von Ölen und Kraftstoffen statt, beim Brennschneiden aller Teile, die kontaminiert sind, aber auch über den Fisch, da in einigen Gebieten die große Zahl von verschrotteten Schiffen hohe Mengen der Stoffe emittieren. Ebenfalls keine Seltenheit: Explosionen beim Brennschneiden mit Todesopfern.

Schwermetalle: In vielen Bauteilen der Schiffe finden sich Quecksilber, Blei, Cadmium, Zink oder Kupfer. Vor allem die Exposition gegenüber Blei und Quecksilber führt zu schwersten gesundheitlichen Beeinträchtigungen.

Bilge und Ballastwasser: Alle was durch das Schiff gegangen ist kann sich potentiell im Bilge und Ballastwasser ablagern bzw. dieses anreichern. Alle am Schiff arbeitenden Menschen sind potentiell exponiert (einatmen und über die Haut). Es wird an das umliegende Erdreich und in die Ozeane emittiert, zum Beispiel beim Reinigen noch verwendungsfähiger Tanks.

Polyzyklische aromatische Kohlenwasserstoffe (PAK): Viele Stoffe dieser Familie werden als krebserzeugend eingestuft. Beim Brennschneiden, beim Verbrennen von Farbbeschichtungen, beim Verbrennen von Abfällen oder beim Verbrennen von Öl freigesetzt.

Polychlorierte Biphenyle (PCBs): Die Stoffe (in ihrer festen Form) sind in Ausrüstungen und Materialien alter Schiffe zu finden, in Isolierungen, Farben, Decks, Dichtungen, Drähten und Kabeln. Beim Verbrennen entstehen unter anderem hochtoxische Dioxine und Furane.

Tributylzinn (TBT): Es gilt als grösste toxische Belastung für das aquatische Ökosystem, da es unter anderem die endokrinen Systeme von Schalentieren beeinträchtigt. Aber auch beim Menschen schädigen sie das Hormonsystem. Breitflächige Verwendung beim Imprägnieren von Schiffsrümpfen.