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Nr.10/2019, S.21

Körperschaftsstatus für islamische Religionsgemeinschaften?

Siehe auch: NEU --- NEU ---NEU --- Die Linke und die Religion

Karl-Helmut Lechner, Norderstedt

Der Status einer Körperschaft des öffentlichen Rechts (KdöR) für islamische Religionsgemeinschaften war Thema einer Fachtagung, zu der die Schura Hamburg, der Rat der islamischen Gemeinschaften, im September eingeladen hatte, um mit Gemeindevertretern und Interessierten zu diskutieren.

Anlass für Schura Hamburg war der in Hamburg seit 2013 bestehende Staatsvertrag: In diesem ist festgeschrieben, nach zehn Jahren Verhandlungen zu dessen Ergänzung und Änderung aufzunehmen. Von der islamischen Religionsgemeinschaft wird die Erlangung der Rechte einer KdöR angestrebt.

Vorstandsmitglied Norbert Müller betonte in der Einführung, die Schura wolle auf dem mit dem Staatsvertrag eingeschlagenen Weg der institutionellen Anerkennung islamischer Organisation als KdöR vorangehen.

Zu den Körperschaften, die erst kürzlich ihre Anerkennung erhielten, gehört der Landesverband Berlin-Brandenburg des Humanistischen Verbandes Deutschlands (HVD). Frau Karina Berg, Landeskoordinatorin Brandenburg, berichtete über ihre Erfahrungen. Auf die Frage, was die KdöR gebracht habe, antwortete sie: „Zunächst viel Arbeit.“ Das Anerkennungsverfahren hatte über zehn Jahre gedauert, bis 2018 die Anerkennung in Berlin und 2019 in Brandenburg erfolgte. Aber: Spürbar sei seitdem ein mehr an Prestige für den HVD. Der Körperschaftsstatus werde als ein „Gütesiegel“ wahrgenommen. Es gebe einen politischen und medialen Bedeutungsgewinn. Allerdings führe die KdöR keineswegs zu einer finanziellen Besserstellung. Man finanziere sich weiterhin durch die am Einkommen orientierten Beiträge der ca. 13 000 Mitglieder sowie aus Spenden, Erbschaften und Einnahmen aus sozialen Aktivitäten. Seitens des HVD werde es ausdrücklich begrüßt, wenn auch islamische Religionsgemeinschaften wie Schura die Körperschaftsrechte erlangen würden. Es sei an der Zeit, dass auch auf dieser Ebene den Kirchen andere Religions- und Weltanschauungsgemeinschaften gleichgestellt würden.

Frau Dr. Raida Chbib, Politik- und Islamwissenschaftlerin an der Universität Frankfurt/Main, stellte in ihrem Vortrag die Entwicklung muslimischer Institutionalisierung in Deutschland dar. Es begann mit der Vereinsgründung für lokale Gebetsräume in den 1960er Jahren, es folgte die Bildung ethnisch orientierter Verbände in den Achtzigern, sodann wurden Ethnien und Rechtsschulen übergreifende Landesverbände gegründet. Nach der Jahrtausendwende kam es zur Kooperation mit dem Staat mittels Staatsverträge, Beiräten und öffentlich geförderten Projekten. Für Hamburg sah die Frankfurter Islamwissenschaftlerin ein fortgeschrittenes Stadium der Institutionalisierung. Dieses beruhe bei Schura einerseits auf einer gelungenen Einbeziehung der unterschiedlichen örtlichen Moscheevereine und andererseits auf einem entwickelten Dialog mit Politik und Gesellschaft.

Frau Prof. Gritt Klinkhammer, Religionswissenschaftlerin Universität Bremen, war Verfasserin des religionswissenschaftlichen Gutachtens über Schura zum Staatsvertrag in Hamburg, ob sie im rechtlichen Sinne eine Religionsgemeinschaft ist. Nur so waren Staatsverträge möglich. Aktuell nicht geklärt sei allerdings die Mitgliedschaftsfrage. Bei einer KdöR bedarf es verbindlicher Angaben über die Mitglieder der Religionsgemeinschaft. Eintritt und Austritt müssen rechtlich klar geregelt sein. Traditionell ordnen sich Moslems, anders als z.B. Kirchenmitglieder, nicht einer Gemeinde offiziell zu.

Herr Prof. Dr. Dr. Mathias Rohe, Universität Erlangen, ging in seinem Vortrag auf die Voraussetzungen für die Anerkennung als KdöR ein. Neben dem Bestehen einer Religionsgemeinschaft ist dies die Gewährleistung der Dauer und die Rechtstreue des Verbandes. Der Staat wolle das dauerhafte Bestehen der Verbandsstruktur gewährleitstet haben. Hierfür spiele auch das Vorhandensein notwendiger finanzieller Ressourcen eine Rolle. Auch Prof. Rohe verwies auf die Erforderlichkeit von Mitgliederlisten. Er vertrat zudem die Einschätzung, dass in einem Anerkennungsverfahren der Einfluss ausländischer Organisationen eine Rolle spiele. Wobei nicht das Bestehen theologischer Autoritäten, sondern der politische Einfluss auf die Religion kritisch gesehen würde. Er empfahl den Muslimen dringend, ihre Prozesse einschließlich interner Konflikte möglichst transparent zu gestalten. Angesichts rauer werdender politischer Auseinandersetzungen werde es zudem immer wichtiger, dass die Muslime für ihre Anliegen gesellschaftliche Verbündete gewännen.

Quelle: https://schurahamburg.de/koerperschaftsstatus-fuer-islamische-religionsgemeinschaften/

Siehe auch das nebenstehend empfohlene Buch der Rosa-Luxemburg-Stiftung Berlin