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Nr.11/2019, S.02b

Höcke-Flügel mit völkischem Rentenkonzept

Alfred Küstler, Stuttgart

Leider nur wenige Journalisten machen sich die Recherchemühe in der Programmatik der AfD. Eine dankenswerte Ausnahme lieferte die „Frankfurter Allgemein Sonntagszeitung“. Antje Schmelcher machte dort am 3. November darauf aufmerksam, dass in der AfD zwischen dem Wirtschaftsflügel und dem völkischen Teil ein programmatischer Streit um ein Rentenkonzept besteht.

Der Parteivorsitzende Jörg Meuthen vertritt ein Modell, das einst in der CDU von Friedrich Merz entwickelt wurde: relativ niedrige gesetzliche Rente, ergänzt durch private Vorsorge. Der Höcke-Flügel dagegen hat über die Landtagsfraktion der AfD Thüringen ein völkisches Rentenmodell entwickelt. Nationalismus wird dort um eine soziale Komponente ergänzt. Demnach soll jeder deutsche Rentner unterhalb einer Rente von derzeit rund 1500 Euro einen „Staatsbürgeraufschlag“ erhalten, der eine Rente auf Grundsicherungsniveau um bis zu 300 Euro aufstockt. Davon sollen rund 8,6 Millionen deutsche Rentner profitieren, die rund 2,5 Millionen Rentner ohne deutschen Pass werden „herausgerechnet“ in den schwarz-rot-gold hinterlegten Grafiken.

Warum ist das zu bekämpfen? Beim Tarif und vor der Betriebsverfassung sind alle Beschäftigten unabhängig von ihrer Nationalität gleich. Dieser Grundsatz, seit den großen Zuwanderungen in den 1960er Jahren praktiziert, hat dazu geführt, dass die Arbeitswelt in Deutschland nicht national gespalten ist – trotz aller Ungleichheit bei Art und Qualifikation der Beschäftigung, die vielleicht faktisch, aber eben nicht rechtlich, Beschäftigte ohne deutschen Pass diskriminiert. Auch die vom Lohn abgeleiteten Leistungen, Rente, Kindergeld und Zahlungen bei Krankheit und Invalidität, sind nicht nach der Nationalität differenziert, sondern für alle gleich. Die Rentenhöhe orientiert sich derzeit weitgehend an dem übers Arbeitsleben erzielten Einkommen. Zuschläge gibt es für Frauen, die Kinder geboren haben. Diese recht strikte Anbindung an die Einkommenshöhe führt dazu, dass in Zukunft für eine größere Zahl von Menschen im Alter Armut droht. Die gegenwärtige Regierungskoalition versucht das mit der Einführung einer Grundrente abzufangen; die Lösung ist im Detail nicht einfach, weil der Einkommensbezug bei der Rente erhalten bleiben soll. Die drohende Altersarmut – Realität ist sie als Massenphänomen nicht, derzeit sind Menschen im Rentenalter immer noch deutlich weniger auf staatliche Hilfe angewiesen als z.B. junge Mütter, also Armut im Alter als Zukunftsbefürchtung, weil die Erwerbsbiografie unterbrochen, das Einkommen zu niedrig war – all das wird in der Borschüre der Thüringer AfD-Fraktion mit antikapitalistischer Attitüde breit geschildert (die CDU, die SPD und selbst die Grünen seien von der Finanzwirtschaft durch Großspenden gekauft).

Der AfD-Vorschlag mit der Rentenaufstockung nur für Deutsche ist aber keine Lösung der Altersarmut, sondern dient ausschließlich zur Spaltung der Gesellschaft. So macht dann auch Sinn, dass die Thüringer AfD und Höcke den „Alternativen Arbeitnehmerverband Mitteldeutschland“ unter dem Schlagwort „solidarischer Patriotismus“ betreiben. Nach der Rente nur für Deutsche, auch den Tarifvertrag nur für Deutsche?