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Nr.11/2019, S.17

dok: Rechte Provokationen – Demokratische Antworten – Redaktionsnotizen • Zusammenfassung: Rosemarie Steffens, Langen, Hessen

01 Antisemitismus sei vor allem ein Problem der Linken, behauptet B. v. Storch (AfD)

02 Deutscher Anwaltverein und Deutscher Juristinnenbund fordern den Rücktritt S. Brandners (AfD) vom Vorsitz des Rechtsausschusses

03 Das Theaterstück „Aus dem Nichts“ von Fatih Akin ist seit 28.9.19 auf Tournee.

04 Mainstream-Musiker beziehen Position gegen Rechts.

01

Antisemitismus sei vor allem ein Problem der Linken, behauptet B. v. Storch (AfD) in der Bundestagsdebatte von 17.10.19 zum Brandanschlag auf die Synagoge in Halle: „… Dieser Antisemitismus ist kein Randphänomen gewaltbereiter Extremisten. Er kommt aus der Mitte des linksliberalen Milieus, aus linksliberalen Leitmedien und aus dem linken Kulturbetrieb. … Das ist der Boden, auf dem der Terror wächst. (…) Das linksliberale Establishment diffamiert den jüdischen Staat, befeuert den Antisemitismus und verharmlost den Islamismus. …“ http://dip21.bundestag.de/dip21/btp/19/19118.pdf. A. Weidel nutzt bei ihrem Antisemitismus-Vorwurf geschickt den tatsächlich vorhandenen Streit im linksliberalen Lager zur „Boycott, Divestment (Entzug von Kapital), Sanctions-Bewegung“ (BDS) gegen Israel.

Das Anne Frank-Bildungszentrum in Frankfurt a. M. kritisiert diese BDS-Bewegung: „Jüdinnen und Juden werden von BDS für die Politik Israels verantwortlich gemacht – egal, ob sie mit dieser einverstanden sind oder nicht. Der kulturelle und politische Boykott richtet sich immer wieder gegen Einzelpersonen …“

Das Modellprojekt „Das Gegenteil von gut – Antisemitismus in der deutschen Linken seit 1968“ hat sich mit diesen Momenten beschäftigt und eine Wanderausstellung zum Thema konzipiert, die unter https://www.bs-anne-frank.de/gegenteilvongut/ gebucht werden kann.

Die AfD selbst bemüht allerdings im Bundestag immer wieder das uralte antisemitische Stereotyp des Strippenziehers, der heimlich mit ungeheurer Macht, Völker und Nationen auslöscht. Die AfD nutzt zur Personifizierung George Soros, der jüdischer Herkunft ist. die Verschwörungstheorie einer „Umvolkung“ nicht näher benannter Eliten. Die deutsche Bevölkerung solle durch die massenhafte Ansiedlung „kulturfremder“ Menschen ausgetauscht, um aus Deutschland ein „Siedlungsgebiet“ ohne Staatsnation zu machen. Der Begriff des Austauschs stammt von der Identitären Bewegung: Renaud Camus, Revolte gegen den großen Austausch.

Gerd Wiegel, AfD im Bundestag, Woche 16.-19.10.19

02

Deutscher Anwaltverein und Deutscher Juristinnenbund fordern den Rücktritt S. Brandners (AfD) vom Vorsitz des Rechtsausschusses im Bundestag wegen seiner verabscheuungswürdigen Äußerungen nach dem Anschlag in Halle. Nach dem Anschlag hatte Brandner den Beitrag eines anderen Nutzers auf Twitter geteilt, der fragte, warum Politiker mit Kerzen in Moscheen und Synagogen „rumlungerten“, wenn doch eine „Deutsche“ Opfer gewesen sei, „die gerne Volksmusik hörte“, und ein „Bio-Deutscher“. Die Präsidentin des Anwaltvereins, E. Kindermann, schrieb: „Auch außerhalb von Ausschusssitzungen verlangt das Amt des Vorsitzenden, den Respekt vor Menschen immer zu wahren.“ M. Wersig, die Präsidentin des Juristinnenbundes, verwies darauf, dass die Verbände schon im Frühjahr 2018 dazu aufgerufen hätten, Brandner nicht zum Vorsitzenden des Rechtsausschusses zu bestimmen. Sein aktuelles Verhalten zeige deutlich, wie richtig der Aufruf gewesen sei. „Auch außerhalb von Ausschusssitzungen verlangt das Amt des Vorsitzenden, den Respekt vor Menschen immer zu wahren.“ Der ehemalige Präsident U. Schellenberg hatte die AfD für das NS-Vokabular in ihren Strafrechtsvorstößen kritisiert. Dass die AfD den Vorsitz im Rechtsausschuss hat, hängt mit parlamentarischen Gepflogenheiten zusammen. 16.10.19 FAZ

03

Das Theaterstück „Aus dem Nichts“ von Fatih Akin ist seit 28.9.19 auf Tournee. Das Thema des Stücks sind die NSU-Morde, den Umgang des deutschen Rechtsstaats mit Opfern und Tätern rechtsextremer Verbrechen und – neu gegenüber dem gleichnamigen Film – der anschließende NSU-Prozess. Inspiriert ist es von dem 2004 durch den NSU verübten Nagelbombenanschlag in Köln. Die Erfahrung der Betroffenen, dass die Polizei lange im Umkreis der Opfer statt im rechten Milieu nach den Tätern suchte, und welch emotionales Drama für die traumatisierten Hinterbliebenen und ihre Familien damit einhergeht, ist durch das Theaterstück gut nachzuvollziehen. Dass die Geschichte jetzt in vielen Städten in den Theatern zu sehen ist, kann als Erfolg der Angehörigen gesehen werden, die nie aufgehört haben, die Wahrheit ans Licht zu bringen und das Andenken an ihre Angehörigen als Opfer faschistischer Morde öffentlich zu verankern.

04

Mainstream-Musiker beziehen Position gegen Rechts. Die „Dresdner Neue Nachrichten“ beobachten, dass sich nach dem Anschlag in Halle auch Deutsch-Pop-Künstler (Max Giesinger, Joris, Helene Fischer) erstmalig bei dem Konzert zum Gedenken der Opfer des Anschlags in Halle am 12.10.19 auch „Mitte-Musiker“ gegen Rechts stellten. „Der Kampf gegen Nazis ist eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe. Man kann ihn nicht nur ein paar linken Rockbands überlassen.“

Dresdner Neue Nachrichten, 16.10.2019