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Nr.12/2019, S.04

Spanien: Linksregierung geduldet von katalanischen Separatisten – sicher? Für wie lange?

Claus Seitz, San Sebastián

01 Tabelle Wahlergebnisse, Anmerkungen

02 Dok: Vorvertrag für eine Linksregierung PSOE / Podemos

03 Ciudadanos – Absturz in Rekordzeit

Als Hauptverantwortlichen für die Blockadesituation und die misslungene Regierungsbildung haben die spanischen Wähler Ciudadanos ausgemacht und mit dem Verlust von 60% ihrer Stimmen (über 80% ihrer Sitze) bestraft. Ciudadanos hatte sich einer Koalition mit der PSOE verweigert. Zusammen hätten sie mit einer absoluten Mehrheit von 180 Sitzen im Parlament ohne Abhängigkeit von Podemos oder von katalanischen und baskischen nationalistischen Parteien regieren können. Insbesondere die großen Unternehmerverbände hatten sich dafür stark gemacht. Aus und vorbei, diese Alternative besteht nicht mehr. Der Parteivorsitzende Alberto Riveras und weitere Führungsmitglieder sind zurückgetreten.

Welche Schlüsse wird Ciudadanos aus der verheerenden Wahlniederlage bezüglich ihres zukünftigen Kurses ziehen? Wird sie ihre von Vox geduldeten und ideologisch beeinflussten Koalitionsregierungen mit der PP in Madrid, Andalusien und Murcia kritisch hinterfragen?

Von den 2,5 Millionen Wählern, die Ciudadanos verloren hat, sollen 0,9 Millionen an die Volkspartei und 400 0000 an die rechtsextreme Vox gegangen sein. Vox ist jetzt drittstärkste Partei und hat die 15 %-Marke übersprungen.

Eine Million ehemaliger Ciudadanos-Wähler sollen sich enthalten haben. Hier hatten sich die Sozialisten deutlich mehr erhofft als die 0,2 Millionen, die sie sich erangelten. Sie hatten mit einem Zuwachs auf 140 Sitze bei den Neuwahlen spekuliert und aus diesem Grund nicht wirklich ernsthaft mit Podemos verhandelt.

Auch daraus wurde nichts: Mit 120 Sitzen (-3) und 0,73 Millionen verlorenen Stimmen geht die PSOE zwar erneut als stärkste Partei, aber geschwächt, aus den Wahlen hervor.

Podemos hat ebenfalls Federn lassen müssen. Die Mehrheit der politischen Kommentatoren wertet ihr Abschneiden (12,84 % zu 14,31 % im April) aber eher als Konsolidierung der Partei, die sich hinter der Führung zusammengeschlossen habe.

Die um knapp 6 % gesunkene Wahlbeteiligung ging fast gleichermaßen zu Lasten des linken Lagers (-0,98 Millionen) und des rechten Lagers inklusive Vox (- 0,88 Millionen), die regional-nationalistischen Parteien (Block 3) und die nationalistisch-separatistischen Parteien (Block 4) konnten ihr Wählerpotential dagegen behaupten. Ausgedrückt in Abgeordnetensitzen sieht das wegen der Eigentümlichkeiten des Wahlsystems etwas anders aus: Das linke Lager verliert 8 Sitze. 4 Sitze gehen an das rechte Lager, vier an regionale, nationalistische und separatistische Parteien.

Zwischen den beiden großen Lagern besteht faktisch eine Pattsituation: Links 43,14 % und 158 Sitze, Rechts 43,11 % und 153 Sitze.

Regierungschef Sanchez versucht den Abwärtstrend durch rasches und entschiedenes Vorpreschen zu stoppen. Nur 48 Stunden nach der Wahl verkündete er den Abschluss eines Vorvertrags für eine Linkskoalition mit Podemos und umarmte sich demonstrativ vor laufenden Kameras mit Podemos-Generalsekretär Iglesias. Iglesias soll den Posten eines Vizepräsidenten für Soziales erhalten und vier Ministerien sollen an Podemos gehen, darunter angeblich die für Arbeit, Gleichstellung und Universitäten, also keines der Kernministerien. Ein Regierungsprogramm ist in Erarbeitung.

In Mitgliederbefragungen haben 92 % (PSOE) bzw. 96 % (Podemos) für die geplante Koalition. gestimmt.

Eine absolute Mehrheit (mindestens 176 Stimmen) können PSOE und Podemos im Parlament nicht erreichen. In einer zweiten Abstimmung würde aber eine einfache Mehrheit reichen, die mit den Ja-Stimmen der regionalen-nationalistischen Parteien und Enthaltungen aus dem Block der nationalistisch-separatistischen Parteien, wofür in erster Linie die Esquerra Republicana (Republikanische Linke Kataloniens, ERC) in Frage kommt, gesichert werden könnte.

ERC fordert im Gegenzug für eine Enthaltung die Aufnahme eines Dialogs. In Vorverhandlungen zwischen PSOE und ERC soll ein Zeitplan erarbeitet und von den jeweiligen Parteivorsitzenden öffentlich unterzeichnet werden. Auf dieser Basis könnte dann auf Regierungsebene, zwischen der spanischen Regierung und der katalanischen Regionalregierung, ein Dialog stattfinden, versehen mit Mechanismen zur Umsetzung erreichter Abkommen. Ein erzieltes Abkommen müsste einem Referendum unterworfen werden.

Als Ziel des Dialogs gibt ERC nicht mehr und nicht weniger als die „Lösung des Konflikts zwischen Katalonien und Spanien“ mittels einer „Amnestie für die verurteilten katalanischen Politiker“ und der „Ausübung des Rechts auf Selbstbestimmung“ aus.

Aus Sicht der PSOE sollte der Dialog im Rahmen einer bilateralen Kommission von Staat und katalanischer Regionalregierung stattfinden, die im katalanischen Statut bereits verankert ist. Aus dem geforderten Dialog schließt PSOE das Thema „Selbstbestimmung“ aus, weil es dafür keine Basis in der Verfassung gebe. „Wir sind bereit, uns auf einen Dialog einzulassen. Mit allem, was auf eine Verbesserung im Rahmen der Selbstverwaltung hinausläuft, haben wir keine Probleme. … Das Einzige, um was wir ERC bitten, ist, dass sie nicht dagegen sind, dass Spanien eine neue Regierung erhält. Wir fordern kein positives Votum, lediglich dass sie eine Aufhebung der Blockade ermöglichen. Aber dazu fordern wir auch die anderen politischen Formationen auf, die dies in ihrer Hand haben.“ (José Ábalos, Minister für Entwicklung)

In einer kleinen bilateralen Kommission führen PSOE und ERC jetzt Vorverhandlungen über die konkrete Ausgestaltung des geforderten Dialogs.

Vom Ergebnis der Verhandlungen hängen nicht nur die notwendigen Enthaltungen bei der Abstimmung über die Regierung im Parlament ab, sondern auch weitergehend der Staatshaushalt 2020 und die Stabilität der Regierung über die gesamte Legislaturperiode.

Die radikaleren Sektoren der katalanischen Separatistenbewegung üben wachsenden Druck auf ERC aus. Junts per Catalunya fordert die Anerkennung von Puigdemont als Verhandlungspartner und einen internationalen Moderator in den Verhandlungen. Die CUP lehnt einen Dialog und die Unterstützung der Sanchez-Regierung völlig ab und setzt auf die Strategie des dauerhaften Konflikts, um Katalonien und Spanien unregierbar zu machen. Der Pakt mit der Regierung soll auf der Straße verhindert werden. Die Selbstbestimmung sei auf keinen Fall verhandelbar.

Unternehmerverbände, die um den Regierungseintritt von Podemos besorgt sind, und regionale Führer der Volkspartei fordern alternative Lösungen (große Koalition, Duldung einer PSOE-Regierung durch die Volkspartei, Technokratenregierung).

Ex-Präsident Aznar ruft wegen der „radikalen Linkskoalition, in die erstmals nach dem Bürgerkrieg die Kommunisten“ eintreten würden, „höchste Alarmstufe“ aus. Spanien drohe eine „verheerende Krise“. Dem müsse eine „Allianz der Verfassungsparteien“ entgegengesetzt werden – aber auf keinen Fall mit Sanchez.

PP-Präsident Casados verharrt im Blockademodus. Er lehnt definitiv ab, Sanchez in Form einer Enthaltung zu unterstützen oder in Verhandlungen über eine große Koalition einzusteigen. Die zehn verbleibenden Ciudadanos-Abgeordneten könnten doch ihre Ja-Stimmen für Sanchez abgeben, damit dieser nicht auf die Enthaltung katalanischer Separatisten angewiesen sei.

Abb. (PDF): https://de.m.wikipedia.org/wiki/Autonome_Gemeinschaften_Spaniens

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Tabelle Wahlergebnisse, Anmerkungen

MIt der Novemberwahl sind vier neue Parteien hinzugekommen – Más Pais“, „Teruel existe!“., CUP und BNG. 17 Parteien bzw. Wählervereinigungen sind somit im spanischen Parlament vertreten. Einige von diesen wiederum formiert aus einem Bündnis mehrerer Parteien.

(1) Der Zusammenschluss von Más Madrid, Compromis (Valencia), Chunta Aragonesista und Equo angeführt von Iñigo Errejon (Ex-Nr. 2 von Podemos) hat das selbstgesetzte Ziel „5 % der Stimmen auf nationaler Ebene“, was die Bildung einer eigenen Fraktion ermöglicht hätte, mit 2,3 % (3 Parlamentssitze, davon 2 in Madrid und 1 in Valencia) klar verfehlt.

Kandidiert wurde in 18 der 52 Provinzen. Aber nur dort, wo die Liste über eine regional-verankerte Struktur verfügte, in Madrid, den drei valencianischen Provinzen und der Provinz Saragossa konnten Ergebnisse zwischen 4,2 und 8,8 % erzielt werden. Insbesondere das Ergebnis in Barcelona war mit 1,43 % viel schwächer als erhofft. Equo hatte sich per Mitgliederentscheid mehrheitlich für eine gemeinsame Liste ausgesprochen, dennoch unterstützten wichtige Regionalverbände (Katalonien, Baskenland, Valencia, Andalusien) weiterhin Podemos. Bekannte Vertreter der Errejon-Strömung und von Equo waren in regionalen Podemos-Listen sicher eingebunden. Die politische Ausstrahlung aus der Hauptstadt allein war offensichtlich zu schwach.

(2) In Navarra haben sich die Regionalpartei Unión del Pueblo Navarra (UPN), PP und Ciudadanos zu einer Koalition zusammengeschlossen.

(3) Die hier aufgelisteten Parteien erfolgen vorrangig ihre regionalen bzw. nationalistischen Interessen und unterstützen bei entsprechender Honorierung eine PSOE-Regierung.

(4) Die baskisch-nationalistische Regierungspartei PNV erzielte im Baskenland 32,1 % der Stimmen. PNV grenzt sich deutlich vom einseitigen Vorgehen des katalanischen Separatismus ab.

(5) Zusammenschluss nationalistisch, regionaler Parteien der Kanaren mit dem Ziel, die autonome Selbstverwaltung zu stärken.

(6) Kantabrische Regionalpartei, stellt den Ministerpräsidenten Kantabriens. Bei der ersten Kandidatur zum spanischen Parlament im April 2019 wurde prompt einer der fünf kantabrischen Abgeordnetenmandate erzielt. PRC unterstützt eine PSOE-Regierung im Gegenzug gegen Infrastrukturmaßnahmen in Kantabrien.

(7) Eigentlich eine Bürgerinitiative in der aragonesischen Provinz Teruel. Dem Vorbild der kantabrischen PRC folgend wurde jetzt erstmals kandidiert und auf Anhieb mit 19.696 Stimmen (26,7 % der Stimmen) einer der drei in der Provinz vergebenen Sitze erreicht. Mit knapp 20 000 Stimmen ein Parlamentssitz! Eine weitere Besonderheit des spanischen Wahlsystems: Jede der 50 Provinzen – unabhängig von der Anzahl der Wahlberechtigten – erhält vorab 2 Sitze, die restlichen Abgeordnetenmandate werden dann im Verhältnis der Bevölkerungszahl auf die Provinzen verteilt. „Degressive Proportionalität“, die kleine Provinzen überrepräsentiert.

(8) Am 25.10.19 haben die hier aufgeführten Parteien in einer gemeinsamen Resolution das „Recht auf Selbstbestimmung“ und „Amnestie für die verurteilten katalanischen Politiker gefordert, die „immer autoritärere, repressivere, weniger demokratische Politik des spanischen Staates“ kritisiert und behauptet, eine vollständige Demokratisierung des spanisches Staates sei unmöglich wegen des Widerstands der alten Regime-Strukturen“ und der „fehlenden Gewaltenteilung“.

(9) Baskisch links-nationalistische Partei. Mit 18,7 % der Stimmen im Baskenland und 5 Sitzen erstmals als Fraktion im spanischen Parlament vertreten.

(10) Antisystemisch-separatistisch katalanische Partei. Erstmalige Kandidatur; 6,35 % und 2 Sitze in der Provinz Barcelona. Wahlslogan: „Wir sind unregierbar, wir bekämpfen das Regime, wir verbreiten die Rebellion“, will im Parlament „Ungehorsam praktizieren“.

(11) Teile dieser Koalition beteiligten sich bei der jetzigen Wahl innerhalb der CUP.

(12) Galicisch nationalistischer Block. Mit 9,51 % der Stimmen wurde in der Provinz La Coruña einer der 8 Sitze erreicht.

Abb. (PDF): wahlergebnisse

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Dok: Vorvertrag für eine Linksregierung PSOE / Podemos

1. Konsolidierung des Wachstums und Schaffung von Arbeitsplätzen. Prekäre Arbeitsverhältnisse bekämpfen. Würdige, sichere und gute Arbeit garantieren.

2. Bekämpfung der Korruption – für Regeneration. Die öffentlichen Dienste absichern, insbesondere das Erziehungswesen (eingeschlossen die Kinderschulen von ein bis drei Jahren), das öffentliche Gesundheitswesen und die Betreuung abhängiger Personen. Absicherung der Renten: Sicherung der Nachhaltigkeit des öffentlichen Rentensystems und Anhebung der Renten entsprechend der Steigerung der Lebenshaltungskosten. Wohnung als Recht und nicht als pure Ware. Auf die Wissenschaft als wirtschaftlichen Innovationsmotor bauen und die Arbeitsbedingungen des Sektors würdig gestalten. Wiedergewinnung ausgewanderter Talente. Kontrolle der Ausbreitung von Wettbüros.

3. Kampf gegen den Klimawandel. Gerechter ökologischer Umbau, Bewahrung der Biodiversität. Die würdige Behandlung von Tieren garantieren.

4. Stärkung der kleinen und mittleren Firmen und der Selbständigen. Anschub für Re-Industrialisierung und den primären Sektor. Administrative Förderung der Grundlagen für das Schaffen von Reichtum, Wohlstand und Beschäftigung, Impuls für die Digitalisierung.

5. Verabschiedung neuer Gesetze, die die Anerkennung der Würde des Menschen vertiefen, wie das Recht auf einen würdigen Tod, auf Sterbehilfe; Schutz der Vielfalt und Sicherung Spaniens als Staat der Erinnerung und Würde.

6. Sicherung des Rechts auf Kultur und Bekämpfung prekärer Arbeitsverhältnisse in diesem Sektor. Förderung des Sports als Garanten von Gesundheit, Integration und Lebensqualität.

7. Politik für Frauen. Die Sicherheit, Unabhängigkeit und Freiheit der Frauen vermittels des entschiedenen Kampfes gegen die Gewalt gegen Frauen und für gleiches Einkommen stärken. Festlegung von gleichwertigem, nicht übertragbarem Vaterschafts- und Mutterschaftsurlaub; Beendigung des Menschenhandels mit dem Ziel sexueller Ausbeutung; Erarbeitung eines Gesetzes über gleiche Arbeit.

8. Den Entvölkerungsprozess zurückdrehen durch entschlossene Hilfe gegen die Entvölkerung (bestimmter ländlicher Regionen)

9. Das Zusammenleben in Spanien sichern. Die spanische Regierung wird vorrangig an einer Sicherung des Zusammenlebens und der Normalisierung des politischen Lebens in Katalonien arbeiten. Beförderung des Dialogs in Katalonien, indem Lösungen für das gegenseitige Verständnis gesucht werden – immer innerhalb der Verfassung. Die autonomen Regionen sollen gestärkt werden, indem gleiche Rechte und Leistungen garantiert werden. Wir werden die Gleichheit aller Spanien garantieren.

10. Steuergerechtigkeit und Haushaltsausgleich. Die Bewertung und Kontrolle der öffentlichen Ausgaben ist wesentlich für die Nachhaltigkeit eines soliden und dauerhaften Wohlstandsstaates. Die Regierung wird die Sozialpolitik verstärken und neue Gesetze erlassen, die Spanien an die europäischen Abkommen über steuerpolitische Verantwortung anpassen, vermittels einer gerechten und progressiven Steuerreform, die Steuerprivilegien eliminiert.

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Ciudadanos – Absturz in Rekordzeit

2015 bei ihrer ersten Kandidatur auf nationaler Ebene wählten die Leute Ciudadanos als „Partei der Erneuerung“ und bestraften damit die Volkspartei für ihre Korruptionsskandale. Ciudadanos wurde als Zentrums-Partei, als Gegenwicht zum PSOE, wahrgenommen und als Partei mit Scharnier-Funktion, die Koalitionspakte mit rechts und links schließen könnte. Das Establishment begrüßte angesichts des Aufstiegs von Podemos die Ankunft des jungen Politikers und brillanten Redners Alberto Rivera.

„Erst vom IBEX (spanischer DAX) verhätschelt, jetzt zerbrochenes Spielzeug“, „beispielsloser Schiffbruch in der spanischen Demokratie“, „die Götterdämmerung eines Führers, der alles wollte“, „Höchststrafe für Ciudadanos“ – so einige der Schlagzeilen nach der Wahl.

Vor gerade 18 Monaten wurde Ciudadanos in der Wählerbefragung von „El País“ mit 29,1 % der Stimmen noch auf Platz 1 gelistet. Kurz darauf wurde das Urteil im Korruptionsskandal „Gürtel“ verkündet, in dem die Volkspartei PP als „Nutznießer eines Systems institutioneller Korruption“ verurteilt wurde. Gegen den Misstrauensantrag, den die Sozialisten daraufhin am 1.6.2018 im Parlament einbrachten, stimmte Ciudadanos mit „Nein“. Die „Partei der Regeneration“ sprang der korrupten Rajoy-Regierung zur Seite und stellte damit die eigene Identität als „Erneuerungspartei“ in Frage.

Aus den katalanischen Regionalwahlen am 21.12.2017 war Ciudadanos als stärkste Partei hervorgegangen, nachdem sie im Wahlkampf die Rajoy-Regierung von rechts angegriffen und schärfere Maßnahmen gegen die katalanische Unabhängigkeitsbewegung gefordert hatte. In der Folgezeit verließ die Parteiführung um Rivera das politische Zentrum zunehmend mit dem Kalkül, die angeschlagene Volkspartei mit einem scharf nationalistischen Diskurs von rechts zu überholen. Typisch war z.B. die Beschimpfung von Sanchez als „Bandit“ und „Verräter“ wegen seiner Bereitschaft zum Dialog mit den katalanischen Parteien. – Am 19.2.2019 beschloss das Exekutiv-Kommittee von Ciudadanos ein striktes Veto gegen Pakte mit den Sozialisten nach den Parlaments-, Regional- und Kommunalwahlen im April und Mai 2019 und weigerte sich gleichzeitig, eine rote Linie gegen die rechtsradikale Vox zu ziehen.

Nach der Parlamentswahl im April, bei der Ciudadanos nur knapp hinter der PP zurückblieb, versuchten Vertreter des sozialliberalen Flügels der Partei mit Unterstützung einflussreicher Unternehmer vergeblich die Parteispitze doch noch zu einer Annäherung an die Sozialisten zu bewegen. Unternehmensvertreter sollen bei jedem Treffen, bei jedem Essen, bei jeder zufälligen Begegnung Ciudadanos darum gebeten haben, mit Sanchez zu paktieren und Spanien aus dem Zustand der politischen Blockade zu führen. Riveras blieb bei seinem kompromisslosen Nein.

Damit beraubte er Ciudadanos in allen Koalitionsverhandlungen des wichtigsten Drohpotentials, nämlich auch mit der PSOE regieren zu können, und warf die Partei in den Regionen und Kommunen faktisch in die Arme von PP und Vox. Die autonomen Regionen Madrid, Murcia, Kastilien und León, sowie Großstädte wie Madrid, Saragossa, Malaga und Alicante fielen kampflos an die PP, obwohl einige dieser PP-Regierungen, z.B. in der Region Madrid und in Kastilien-Leon, seit Jahrzehnten an der Macht waren und tief im Korruptionssumpf steckten. Ein Befreiungsschlag für die nach der schweren Wahlniederlage angeschlagene PP-Parteiführung.

Ihren Erfolg und ihren Aufstieg verdankte Ciudadanos der Tatsache, dass die Partei vom Großteil ihrer Wähler für nützlich gehalten wurde als flexible Partei der Mitte angesichts des im Zerfall begriffenen Zweiparteiensystems und der schweren Korruptionsskandale. Die Parteiführung weigerte sich dies Realität anzuerkennen und diese Rolle anzunehmen.

Plötzlich wussten die Wähler nicht mehr, wofür Ciudadanos noch nützlich sein sollte.