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ARCHIV

Nr.12/2019, S.14

Menschenrechte im Betrieb

Rolf Gehring, Brüssel

01 dok: Unternehmen und Menschenrechte – Studie zu Sorgfaltspflicht-Gesetzen im Vergleich

Mit der Proklamation der Menschenrechte wurden unveräußerliche (oft genug verletzte und missachtete) Rechte des Einzelnen gegenüber dem Staat deklariert. Die Welt der Arbeit blieb diesen Rechten lange verschlossen. Rechte wurden in dieser Welt wesentlich kollektiv durch Tarifverträge und mittels gesetzlicher Einschränkungen der unternehmerischen Verfügungsgewalt erkämpft und etabliert. Langfristig kann aber auch eine Art lebensweltlicher Öffnung der Betriebe (Tarifverträge) festgestellt werden. Weiterbildungsansprüche (Lebenslanges Lernen), Work-life-balance oder Auszeiten mit Rückkehrrechten gehören als materielle Bestände hierzu. Individualrechte blieben in der Arbeitswelt, wie man so schön sagt, unterbelichtet.

Gleichwohl gibt es aber auch eine längere Entwicklung zur Durchsetzung der individuellen Menschenrechte im Wirtschaftsleben. Freiwillige Regulierung stehen dabei am Anfang und im Zentrum. Oft genug wurden und werden Unternehmen dabei überführt, Bekenntnisse zu den Menschenrechten im Betrieb nur als Lippenbekentnisse vor sich herzutragen. Schönfärberei ist verbreitet. Dennoch ist ausgehend von der Verabschiedung der UN-Leitprinzipien für Wirtschaft und Menschenrechte (2011) eine Bewegung entstanden, die diesem Bereich Aufmerksamkeit widmet, zur öffentlichen Meinungsbildung beiträgt und auch rechtliche Erfolge aufweisen kann. Hier ist eine Verschiebung von der freiwilligen Vereinbarung hin zu gesetzlichen Vorgaben zu beobachten. Die Friedrich-Ebert-Stiftung hat eine Studie herausgegeben, die bestehende Regelungen aus verschiedenen Ländern/Kontinenten und der EU (Holzhandelsverordnung) vergleicht.

In Auszügen dokumentieren wir hier einen Artikel aus dem DGB Nachrichtendienst, der die Studie beschreibt.

Gesetzliche Vorgaben auch mit einem extraterritorialen Geltungsbereich (für in- und ausländische Firmen) sind schon in den Leitprinzipien der UN audrücklich vorgesehen und bilden den Bezugspunkt für viele Initiativen, die sich heute für einen gesetzlichen Rahmen einsetzen. Die Vereinheitlichung wäre sowohl aus Sicht der Beschäftigteninteressen nach einer allgemeinen Anerkennung der Menschenrechte in Arbeitsvollzügen als auch von Unternehmensseite, die ansonsten mit unterschiedlichen Ansätzen, Berichtspflichten und Verfahren konfrontiert sind, mittelfristig wünschenswert.

Auch in der Bundesrepublik hat sich eine Initiative Lieferkettengesetz gebildet, die ein breites, zivilgesellschaftliches Bündnis aus Menschenrechts-, Entwicklungs- und Umweltorganisationen, Gewerkschaften und Kirchen abbildet. Ziel ist, dass die Bundesregierung ein Gesetz zu menschenrechtlichen Sorgfaltspflichten der Unternehmen beschliesst, dass die Unternehmen verpflichten soll, Menschenrechte in ihrer gesamten Lieferkette einzuhalten und darüber regelmässig zu berichten.

Es dürfte für die weitere Diskussion und die Durchsetzung der Menschenrechte in der Arbeitswelt wichtig sein, eine Fokussierung auf diese Rechte durchzuhalten, um wirksam in die öffentliche Meinung einzuwirken und bündnisfähig zu bleiben. Ein aktuell im EGB diskutierter Vorschlag für eine gesetzliche Regelung auch auf europäsicher Ebene hat die Tendenz, mit diesem Instrument weitgehende Fragen der industriellen Arbeitsbeziehungen regulieren zu wollen und damit zu überlasten.

Link zur Studie der Friedrich-Ebert-Stiftung: http://library.fes.de/pdf-files/iez/15675.pdf

Leitprinzipien der UN / Guiding Principles on Business and Human Rights (nur Englisch):

https://www.ohchr.org/Documents/Publications/GuidingPrinciplesBusinessHR_EN.pdf

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dok: Unternehmen und Menschenrechte – Studie zu Sorgfaltspflicht-Gesetzen im Vergleich

Wie können wir Unternehmen per Gesetz dazu zu verpflichten, entlang ihrer Lieferketten für die Achtung der Menschenrechte zu sorgen? Eine neue Studie der Friedrich-Ebert-Stiftung hat sich mit dieser Frage beschäftigt und elf Lieferkettengesetze aus sieben Ländern sowie auf europäischer Ebene unter die Lupe genommen.

Jeder Staat hat die Pflicht, die Menschenrechte innerhalb seiner Einflusssphäre zu schützen. In Zeiten einer global vernetzten Welt, in der das Kapital immer grenzenloser und mächtiger unterwegs ist und in der transnationale Unternehmen über riesige Produktionsnetzwerke verfügen, wird der Nationalstaat beim Menschenrechtsschutz zunehmend herausgefordert. Diese Schutzlücke versuchten die Vereinten Nationen (UN) im Jahr 2011 dadurch zu schließen, dass sie – rechtlich unverbindliche – Leitprinzipien für Wirtschaft und Menschenrechte formulierten.

Was genau steht im Nationalen Aktionsplan? Die Bundesregierung formuliert in ihrem NAP (Nationalen Aktionsplan für Wirtschaft und Menschenrechte – rog) die Erwartung an alle Unternehmen, menschenrechtliche Sorgfaltspflichten in ihren Geschäftsprozessen zu implementieren, um dem Ziel nachhaltiger Lieferketten näher zu kommen – und damit bessere Arbeitsbedingungen in einer globalisierten Welt zu schaffen, u.a. durch existenzsichernde Löhne und eine Stärkung von Gewerkschaftsrechten. Bis zum Jahr 2020 soll untersucht werden, ob 50 % der Unternehmen mit mehr als 500 Beschäftigten menschenrechtliche Sorgfaltsprozesse eingeführt haben. Sollte dies nicht der Fall sein, behält sich die Bundesregierung vor, eine Verpflichtung per Gesetz einzuführen. Parallel zum Prozess der Bundesregierung sind andere Länder in den letzten Jahren gesetzgeberisch tätig geworden, um ihre Rechtssysteme einer globalisierten Welt anzupassen. Dabei scheuen andere Gesetzgeber nicht vor extraterritorialen Ansätzen zurück: Nicht nur betreffen die Gesetze ausländische Sachverhalte, sie gelten zudem vielfach sowohl für in- als auch für ausländische Unternehmen.

Andere Länder, andere gesetzliche Lösungen. Die Friedrich-Ebert-Stiftung hat in ihrer kürzlich erschienenen Studie („Unternehmen und Menschenrechte – gesetzliche Verpflichtungen zur Sorgfalt im weltweiten Vergleich“) elf weltweite Regulierungsansätze in sieben Ländern und der EU untersucht, die alle das Thema der nachhaltigen Lieferketten in den Blick nehmen. Insgesamt lässt sich feststellen, dass bisherige Regulierungsansätze von Staaten im Alleingang verabschiedet wurden. Diese gelten jedoch häufig auch für ausländische Unternehmen, die in einem Staat ansässig sind, Geschäfte treiben oder an der Börse notiert sind. Es zeichnet sich somit ein Trend dahingehend ab, dass rechtliche Maßnahmen überregional Anwendung finden. Dabei ähneln die inhaltlichen Anforderungen der Staaten einander und orientieren sich an den UN-Leitprinzipien für Wirtschaft und Menschenrechte, welche vom Menschenrechtsrat der Vereinten Nationen 2011 einstimmig angenommen wurden.

Häufig beschränken sich Gesetzgeber auf thematische oder regionale Sorgfaltspflichten. Dabei können unterschiedliche Formen von Menschenrechtsverletzungen (Verbot von Kinderarbeit in den Niederlanden, Verbot von Formen moderner Sklaverei in England etc.) oder bestimmte Weltregionen (Dodd Frank Consumer Act, USA) adressiert werden.

Gesetze für faire Lieferketten – besser mit Gewerkschaftsbeteiligung! Insbesondere die Zivilgesellschaft und die Gewerkschaften spielen eine entscheidende Rolle. Je stärker sie als Akteure bei der Gesetzgebung eingebunden waren, desto praxistauglicher wurden die Gesetze. Dabei wurde beispielsweise die Konkretisierung gesetzlicher Vorgaben sogenannten Multi-Akteurs-Partnerschaften (multi stakeholder partnerships) überlassen, um die menschenrechtlichen Sorgfaltsprozesse aus praktischer Perspektive zu spezifizieren (wie bspw. in den Niederlanden). Zudem ist es wichtig, die Perspektive der Menschen zu berücksichtigen, um deren Schutz es letztendlich geht. Internationale Prozesse sind besonders kostspielig und oft tragen die betroffenen Menschen die Beweislast vor Gericht. Da sie jedoch in der Regel keinen Zugang zu den betrieblichen Dokumentationen haben, bleiben die Betroffenen meist schutzlos. Dies sollte bei allen gesetzgeberischen Maßnahmen berücksichtigt und gelöst werden.

www.dgb.de/themen/++co++21994642-00a8-11ea-9b68-52540088cada

Abb. (PDF): Klare Botschaft, www.dgb.de/themen/++co++21994642-00a8-11ea-9b68-52540088cada

Abb. (PDF): Logo Gewinne ohne Gewissen