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ARCHIV

Nr.1/2020, S.08

Aktionen – Initiativen – Thema : Fairer Handel

Dok: Thorsten Jannoff, Gelsenkirchen

01 Bundesregierung ist „goldener Ausbeuter“

02 CDU und SPD unterstützen Lieferkettengesetz

03 Beschluss vom CDU-Bundesparteitag November 2019

04 Beschluss vom SPD-Bundesparteitag Dezember 2019

05 Deutsche Unternehmen fordern gesetzliche Sorgfaltspflicht für Menschenrechte und Umwelt

06 Bildungsmodule für eine sozial-gerechte Modeindustrie

07 Deutsche Konzerne bestehen Menschenrechtstest nicht

01

Bundesregierung ist „goldener Ausbeuter“

Für ihre herausragenden Leistungen im Bereich Verschleppung menschenrechtlicher Verantwortung übergaben mehrere Organisationen der Bundesregierung vergangene Woche die Auszeichnung „Der Goldene Ausbeuter“. Die Bundesverwaltung hat mit ihrer enormen Einkaufsmacht einen wichtigen Hebel für die Umsetzung von Menschenrechten in Lieferketten in der Hand. Da die Bundeswehr dieses Potenzial besonders vorbildlich nicht nutzt, nahm sie den Preis stellvertretend für die gesamte Verwaltung stolz entgegen. Die satirische Aktion führte die CIR zusammen mit dem Aktionsbündnis Fairer Handel, CorA-Netzwerk, der Initiative Lieferkettengesetz, der Kampagne für Saubere Kleidung und WEED durch.

Die Bundesregierung kündigte im „Maßnahmenprogramm Nachhaltigkeit“ 2015 an, bis 2020 möglichst die Hälfte aller Textilien nach sozialen und ökologischen Kriterien zu beschaffen. Nach über vier Jahren hat sie aber noch nicht einmal den Stufenplan vorgelegt, mit dem dieses Ziel erreicht werden soll. Siebzehn Organisationen fordern sie nun in einem offenen Brief auf, endlich den Stufenplan vorzulegen und Textilien fair und ökologisch einzukaufen.

Offener Brief: Bundesregierung verfehlt eigene Ziele bei der nachhaltigen Beschaffung

… die Bundesregierung hat sich im Maßnahmenprogramm Nachhaltigkeit das Ziel gesetzt, bis 2020 möglichst 50 Prozent der Textilien (ausgenommen Sondertextilien) nach ökologischen und sozialen Kriterien zu beschaffen. Der angekündigte Leitfaden und der Stufenplan, die als Grundlage für die nachhaltigen Beschaffungsvorgänge und zur Erreichung des Ziels dienen sollen, wurden allerdings bis heute nicht veröffentlicht … Mit diesem Schreiben bitten wir Sie um Auskunft zu folgenden Fragen:

• Wann ist die ressortinterne Abstimmung endgültig abgeschlossen und wann wird der „Leitfaden für eine nachhaltige Textilbeschaffung der Bundesverwaltung“ veröffentlicht?

• Konnten Pilotprojekte bereits eingeleitet werden, auch wenn der Leitfaden noch nicht veröffentlicht wurde?

• Wie will die Bundesregierung ihr Ziel erreichen, bis 2020 50 Prozent der Textilien nach ökologischen und sozialen Kriterien zu beschaffen, wenn der dafür als Grundlage dienende Leitfaden noch immer nicht vorliegt?

• Plant die Bundesregierung verbindliche Mindestkriterien für die Beschaffung der Bundesverwaltung einzuführen? (beispielsweise durch Verwaltungsvorschriften)

Die unterzeichnenden Organisationen freuen sich über eine Beantwortung dieser Fragen und werden weiterhin den Prozess zur Erstellung des Leitfadens und des Stufenplans begleiten und sich konstruktiv einbringen.

https://saubere-kleidung.de/wp-content/uploads/2020/01/2020-01-22-Offener-Brief-Textilstufenplan-Bundesregierung.pdf

02

CDU und SPD unterstützen Lieferkettengesetz

Die Unterstützung für ein Lieferkettengesetz in Deutschland wächst: … Die beiden Regierungsparteien CDU und SPD haben auf ihren Parteitagen Beschlüsse für ein Lieferkettengesetz gefasst. Und auch zentrale Gremien und Würdenträger der beiden großen Volkskirchen fordern einen gesetzlichen Rahmen. Ein Lieferkettengesetz würde deutsche Unternehmen dazu verpflichten, sich in ihren globalen Geschäften an umwelt- und menschenrechtliche Standards zu halten. Bundesarbeitsminister Heil hatte heute im Spiegel angekündigt, einen entsprechenden Gesetzesentwurf mit „klaren Haftungsregeln“ zu erarbeiten … Auf ihren Parteitagen haben sich die Regierungsparteien hinter eine gesetzliche Regelung gestellt. „Wir begrüßen es sehr, dass nun sowohl SPD als auch CDU für ein Lieferkettengesetz eintreten“, sagt Cornelia Heydenreich von Germanwatch.

https://saubere-kleidung.de/2019/12/42-unternehmen-fordern-lieferkettengesetz/

03

Beschluss vom CDU-Bundesparteitag November 2019

Die CDU Deutschlands fordert ein engagiertes Eintreten der Bundesregierung für die Einhaltung und Durchsetzung von Menschenrechten sowie von Sozial- und Umweltstandards entlang der gesamten Lieferkette von Produkten. Der Nationale Aktionsplan „Umsetzung der VN-Leitprinzipien für Wirtschaft und Menschenrechte“ (2016-2020) ist ein wichtiger Bestandteil. Er muss jetzt konsequent umgesetzt werden. Ziel dieses Aktionsplans ist die bessere Umsetzung international anerkannter und verbriefter Arbeits-, Sozial- und Umweltstandards, -grundsätze und –verpflichtungen in globalen Lieferketten. Dazu bedarf es einer ehrlichen Bilanz zum Status quo. Die CDU Deutschlands unterstützt den Monitoring-Prozess in Deutschland, mit dem jetzt festgestellt werden soll, in welchem Umfang Unternehmen ihren menschenrechtlichen Sorgfaltspflichten nachkommen. Die wirksame und umfassende Überprüfung des NAP 2020 ist ein erster Schritt zu mehr Verbindlichkeit zur Durchsetzung von Unternehmensverantwortung … Freiwillige Selbstverpflichtungen erreichen oft nicht die Breitenwirkung und den Grad an Verbindlichkeit, die notwendig sind, um zu nachhaltigen Veränderungen zu kommen. Wir fordern deshalb die Bundesregierung auf, aufbauend auf den Erfahrungen und Erkenntnissen des Monitoring, gesetzliche Regelungen für die Wertschöpfungskette zu entwickeln. Der Kreis der einzubeziehenden Unternehmen muss dabei alle relevanten Akteure und Sanktionen enthalten.

https://www.cdu.de/system/tdf/media/images/leipzig2019/32._parteitag_2019_sonstige_beschluesse_2.pdf?file=1

04

Beschluss vom SPD-Bundesparteitag Dezember 2019

Wir erwarten folgende konkreten Handlungsschritte:

• Erarbeitung eines Gesetzentwurfes zur menschenrechtlichen Sorgfaltspflicht deutscher Unternehmen in Wertschöpfungsketten in 2020,

• Start einer Initiative für eine EU-weite verbindliche Regulierung zur menschenrechtlichen Sorgfaltspflicht in Lieferketten im zweiten Halbjahr 2020. Und falls dies nicht gelingt, die Verständigung einer „Koalition der Gutwilligen“ (Hubertus Heil) auf gemeinsame Standards und auf einen europäischen Rechtsrahmen,

• Aufbau einer Allianz mit progressiven Unternehmen, die durch gemeinsame Veranstaltungen und öffentliche Statements geschmiedet werden sollte,

• Erarbeitung eines Konzeptes für eine stärkere Berücksichtigung der Kommunen in diesem Zusammenhang, da sich viele Oberbürgermeister und Oberbürgermeisterinnen für menschenrechtliche Belange interessieren,

• Start einer neuen Initiative im Bereich der öffentlichen Beschaffung, um mit der Festschreibung von klaren menschenrechtlichen und sozialen Kriterien im Vergaberecht dem Anspruch nach einer staatlichen Vorbildfunktion gerecht zu werden,

• Erarbeitung eines Konzeptes für eine stärkere Berücksichtigung der Nachhaltigkeit in der Finanz- und Versicherungswirtschaft: Hermesbürgschaften dürfen nur noch an Projekte und Unternehmen vergeben werden, die klar nachweisen können, dass sie ihre menschenrechtlichen Sorgfaltspflichten wahrnehmen, ihr Handeln die ESG-Kriterien nicht verletzt und den 17 Nachhaltigkeitszielen der Vereinten Nationen (SDGs – Sustainable Development Goals) zuträglich ist. Die Außenwirtschaftsförderung muss darauf hinwirken, dass sich oben genannte Ziele verwirklichen lassen.

• eine Positionierung der SPD zum UN-Treaty, die definiert, was national und was auf EU-Ebene zu tun ist,

• Forderung nach einer Vereinbarung verbindlicher sozialer (u.a. ILO-Kernarbeitsnormen), menschenrechtlicher und ökologischer Standards mit konkreten Beschwerde-, Überprüfungs- und Sanktionsmechanismen in allen EU-Handels-, Investitions- und Wirtschaftspartnerschaftsabkommen, Unterzeichnung des entsprechenden Fakultativprotokolls zum VN-Pakt für wirtschaftliche, soziale und kulturelle Rechte,

• Mit Nachdruck eine zügige Umsetzung der EU-Verordnung zum Handel mit Konfliktmineralien – mit starken, verbindlichen Durchsetzungsbestimmungen sowie der Veröffentlichung der Unternehmen, welche Mineralien verarbeiten – in nationales Recht sowie eine Ausweitung auf weitere Elemente der Lieferkette zu fordern. Perspektivisch sollten weitere Mineralien wie Kobalt aufgenommen werden.

• Unterstützung für Betroffene beim „Zugang zu Recht“, z.B. auch beim Zugang zu deutschen Gerichten.

https://globalezukunftsfragen.spd.de/fileadmin/globalezukunftsfragen/Positionspapiere/Beschluss_BPT_Gesetz_zur_menschenrechtlichen_Sorgfaltspflicht_deutscher_Unternehmen_bei_globalen_Lieferketten.pdf

05

Deutsche Unternehmen fordern gesetzliche Sorgfaltspflicht für Menschenrechte und Umwelt

Berlin. Zweiundvierzig deutsche Unternehmen und eine Investoren-Arbeitsgruppe haben sich in einer heute veröffentlichten gemeinsamen Erklärung für ein deutsches Gesetz zu menschenrechtlichen und umweltbezogenen Sorgfaltspflichten ausgesprochen. Die Gruppe der Unterstützer reicht von kleinen und mittleren Unternehmen, darunter Start-ups und Handelsgenossenschaften, bis hin zu großen multinationalen Konzernen mit Umsätzen von mehreren Milliarden Euro.

Das Statement, koordiniert vom Business & Human Rights Resource Centre, lautet: „Gemäß den UN-Leitprinzipien für Wirtschaft und Menschenrechte tragen Unternehmen Verantwortung für die Einhaltung von Menschenrechten – auch in ihren Wertschöpfungsketten. Einige Unternehmen haben bereits Schritte unternommen, um ihrer Verantwortung nachzukommen. Die Erfahrung zeigt aber, dass freiwillige Selbstverpflichtungen allein nicht ausreichen. Es bedarf verbindlicher Sorgfaltspflichten, die von allen angemessen umgesetzt werden.

Eine gesetzliche Regelung menschenrechtlicher und umweltbezogener Sorgfaltspflichten würde zu Rechtssicherheit und gleichen Wettbewerbsbedingungen („level playing field“) beitragen. Sie würde sicherstellen, dass für alle der gleiche Standard gilt und kein Unternehmen sich ohne Konsequenzen seiner Verantwortung entziehen oder Gewinne auf Kosten von Mensch und Natur machen darf. Das erwarten auch die Beschäftigen, die Kunden, die Investoren und die Öffentlichkeit von uns.

Wir begrüßen es, wenn mit einem Sorgfaltspflichten-Gesetz in Deutschland der Weg für eine anspruchsvolle europäische Regelung geebnet wird.“

Mehr als 100 zivilgesellschaftliche Organisationen und Gewerkschaften haben kürzlich die EU aufgefordert, wirksame gesetzliche Regelungen zu menschenrechtlichen und umweltbezogenen Sorgfaltspflichten zu entwickeln, und in Deutschland setzt sich eine breite zivilgesellschaftliche Koalition für ein Lieferkettengesetz ein. Die Gesetzgebung in Deutschland könnte auf ähnlichen Gesetzen aufbauen, die in Frankreich, Finnland, den Niederlanden, Norwegen, Italien und der Schweiz bereits verabschiedet wurden oder derzeit diskutiert werden.

https://www.business-humanrights.org/de/deutsche-unternehmen-fordern-gesetzliche-sorgfaltspflicht-für-menschenrechte-und-umwelt

06

Bildungsmodule für eine sozial-gerechte Modeindustrie

16 Themenmodule hat Femnet seit 2012 zum Einsatz an Universitäten und Hochschulen entwickelt. Als Toolkit stehen diese Inhalte nun auch öffentlich zur Verfügung und können mit Studierenden frei eingesetzt werden.

Unter dem Motto „FairSchnitt – Studieren für eine sozial gerechte Modeindustrie“ entwickelt Femnet seit 2012 Formate, Netzwerke und Strukturen, um an Hochschulen Themen wie Unternehmensverantwortung, Sozial- und Umweltstandards oder Arbeits- und Menschenrechte am Beispiel der Bekleidungsindustrie zu diskutieren. Dabei gilt es das Bewusstsein der Studierenden für die globalen Zusammenhänge der Textilindustrie zu schärfen, das Hintergrundwissen über soziale Standards und Arbeitsbedingungen in der Modeproduktion zu vergrößern und ihre Verantwortung für die gesamte Branche zu betonen. Mit dem vorliegenden Toolkit stehen die entwickelten Inhalte auch öffentlich zur Verfügung und können so über unsere Zielstudiengänge hinaus genutzt und eingesetzt werden. Denn wer sich bereits als junger Mensch mit den sozialen und ökologischen Auswirkungen der Textilindustrie beschäftigt hat, wird diese bei späteren Entscheidungen berücksichtigen.

https://saubere-kleidung.de/2019/12/menschenrechte-in-mode/

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Deutsche Konzerne bestehen Menschenrechtstest nicht

„Es ist ein unsägliches Armutszeugnis, dass deutsche Konzerne es nicht einmal schaffen, die butterweichen Anforderungen des Nationalen Aktionsplans Wirtschaft und Menschenrechte auch nur ansatzweise zu erfüllen. Dabei wurde der ganze Prozess mitsamt durchgeführter Unternehmensbefragung durch die Konzernlobby und das Wirtschaftsministerium unter Minister Peter Altmaier wieder und wieder weichgespült. So sollten deutsche Konzerne als Musterschüler in Sachen Menschenrechte dargestellt werden – ohne Erfolg. Das Konzept der freiwilligen Selbstverpflichtung von Konzernen ist krachend gescheitert“, erklärt Michel Brandt, Obmann der Fraktion Die Linke im Ausschuss für Menschenrechte und Humanitäre Hilfe, anlässlich der heutigen Pressekonferenz von Arbeitsminister Hubertus Heil und Entwicklungsminister Gerd Müller zur Verantwortung deutscher Unternehmen in globalen Lieferketten. Brandt weiter: „Die Linke begrüßt den Vorstoß von Arbeitsminister Hubertus Heil, ein Lieferkettengesetz ausarbeiten zu wollen. Eine Verwässerung des Gesetzesprozesses durch Konzerninteressen muss dabei unbedingt vermieden werden. Wie in unserem Antrag für ein Lieferkettengesetz beschrieben, fordern wir verbindliche menschenrechtliche Sorgfaltspflichten, Klagerechte für Betroffene an deutschen Gerichten und harte Sanktionen gegen Verstöße. Menschenrechte müssen endlich über Profitinteressen gestellt werden.“

https://www.linksfraktion.de/presse/pressemitteilungen/detail/deutsche-konzerne-bestehen-menschenrechtstest-nicht/

Abb. (PDF): Was kostet mein T-Shirt?